Terrorprozess: Neun Jahre Haft

Ein 19-jähriger Wiener, der laut Anklage Anschlagspläne gewälzt haben soll und einen strafunmündigen Zwölfjährigen zu einem Attentat bringen wollte, ist am Freitagabend nicht rechtskräftig zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

„Keine Ahnung, wie Sie erwarten, dass sich da Leute ändern. Da wundern Sie sich, dass solche Sachen passieren“, meinte er. Der 19-Jährige wurde von den acht Geschworenen in den zentralen Anklagepunkten - Beteiligung an versuchtem Mord in zwei Fällen, jeweils in Form einer terroristischen Straftat - mehrheitlich schuldig erkannt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Wolfgang Blaschitz erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Auch in anderen Punkten schuldig

Schuldsprüche setzte es mit geringen Modifikationen auch in den weiteren Anklagepunkten Beteiligung an einer versuchten vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel in Form einer terroristischen Straftat, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie in einer kriminellen Organisation, Gutheißen terroristischer Straftaten und Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat.

Davor hatte er noch gemeint: „Ich habe einen Riesenmist gebaut. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Es war ein Blödsinn.“ Es sei „naiv gewesen zu denken, dass man Gewalt mit Gewalt beantworten kann“. Der einst glühende Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) räumte ein, er sei „nicht komplett geheilt“. Zugleich betonte er: „Aber von dieser Ideologie distanziere ich mich.“

15 Jahre als tatangemessen

Bei einem Strafrahmen von bis zu 15 Jahren befand das Schwurgericht eine neunjährige Freiheitsstrafe als tat- und schuldangemessen. Erschwerend wurde bei der Strafbemessung das Handeln aus einem „besonders verwerflichen Motiv“ - nämlich aus radikalislamistischen Beweggründen - gewertet.

Eine offene bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten aus einer einige Zeit zurückliegenden Vorverurteilung wurde dem 19-Jährigen nicht widerrufen. Darauf bezog sich seine Äußerung „Ist mir doch scheißegal“, die er als unmittelbare Reaktion auf die Urteilsverkündung setzte. In Stattgebung eines Antrags der Staatsanwaltschaft wurde der junge Mann vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Terrorprozess: Ein Überblick

Wie es mit der Deradikalisierung des 19-jährigen Angeklagten vorangeht, hat „Wien heute“-Redakteurin Katharina Weinmann recherchiert.

„Nur mit viel Glück hat es nicht gekracht“

Der Staatsanwalt hatte die Geschworenen aufgefordert, den Angeklagten in vollem Umfang der Anklage schuldig zu erkennen. Das Verfahren habe bestätigt, dass er den damals Zwölfjährigen zu einem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt im deutschen Ludwigshafen anstiften und gemeinsam mit einem ihm nach islamischem Recht angetrauten Mädchen ein Attentat verüben wollte. Nur mit viel Glück habe es nicht gekracht: „Dass nichts passiert ist, ist in Wirklichkeit der Unfähigkeit des Zwölfjährigen zu verdanken.“ Dieser habe es „technisch nicht geschafft, die Bombe zu zünden“.

Verteidiger Blaschitz widersprach. Der Angeklagte habe den Zwölfjährigen nicht bestimmt. Er habe damit überhaupt nichts zu tun. Der Zwölfjährige sei von sich aus zu einem Attentat „wild entschlossen“ gewesen. Auch das mittlerweile 17 Jahre alte Mädchen habe sein Mandant nicht zu einem Anschlag verführt: „Sie hat dazu selbst gesagt, dass er diesen Anschlag allein durchführen wird.“ Am Ende habe der 19-Jährige generell einen „geordneten Rückzug“ angetreten und „ab Dezember 2016 keine weiteren Ausführungsvorstellungen“ mehr gehabt, sagte Blaschitz.

Anschläge auf Soldaten geplant

Der Angeklagte soll mit einem 22-Jährigen Bomben gebastelt und testweise einen Sprengsatz in einem Park in Neuss (Nordrhein-Westfalen) gezündet haben. Die beiden hatten der Staatsanwaltschaft zufolge vor, danach Anschläge auf Soldaten in Deutschland durchzuführen.

Teilweise von Zeugen entlastet

Der 19-Jährige befand sich seit 14 Monaten in Wien in U-Haft und wurde dort einem Deradikalisierungsprogramm unterzogen. Offenbar mit mäßigem Erfolg. Er soll sich im Gefängnis radikalisiert und Mitgefangene dazu gebracht haben, zum Islam zu konvertieren. Zum Vorwurf des geplanten Attentats hatte sich der 19-Jährige im Lauf des Prozesses nicht schuldig bekannt.

Nicht schuldig bekannte er sich auch zu dem Vorwurf, er habe den Zwölfjährigen angestiftet. Der Zwölfjährige hätte von Anfang an und ohne sein Zutun einen Bombenanschlag geplant: „Er hat mir immer wieder geschrieben, er will einen Anschlag machen. Den Weihnachtsmarkt hatte er schon vor mir. Er hat mich am Laufenden gehalten. Ich hab ihn einfach schreiben lassen.“ Der zum Tatzeitpunkt zwölf Jahre alte Deutsche sagte im Lauf der Verhandlung per Videokonferenz aus. Der Zeuge verneinte, angestiftet worden zu sein. „Die Idee kam von mir. Ich bin selbst draufgekommen“ - mehr dazu in Terrorprozess: Zeuge entlastet Angeklagten.

Ohne Religion aufgewachsen

Der in Wien geborene Sohn albanischstämmiger Eltern war ohne religiöse Bezugspunkte aufgewachsen. Im Gefängnis - er wurde mit 15 unter anderem wegen schweren Raubes verurteilt - lernte er über einen Mitgefangenen den Islam kennen. Nach seiner Haftentlassung radikalisierte sich der Jugendliche und schloss sich dem IS an. An den übrigen Verhandlungstagen sagte unter anderem die Mutter des mutmaßlichen Terroristen aus. Sie bezeichnete ihn als „fröhliches Kind“, Religion sei in der Familie nie ein Thema gewesen - mehr dazu in Terrorprozess: „Fröhliches Kind“. Auch die - nach islamischem Recht verheiratete - Ehefrau sagte als Zeugin aus und beschuldigte ihren Mann. Der Angeklagte sei vom IS „von Anfang an fest überzeugt“ gewesen, sagte die 17-Jährige - mehr dazu in 17-Jährige als Zeugin im Terrorprozess.