Internationales Treffen von Fahrradboten

Erstmals sind Fahrradboten und Gewerkschafter aus sechs europäischen Ländern in Wien zusammengekommen. Es ging um Bedürfnisse und Probleme. Internationale Vernetzung soll helfen, die Arbeitsbedingungen zu vereinheitlichen.

Im internationalen Vergleich zeigte sich, dass die foodora-Niederlassungen für ein und dieselbe berufliche Tätigkeit je nach Land und innerhalb eines Landes auf unterschiedlichste Beschäftigungsmodelle (Freelancer, Festanstellungen oder beides) mit unterschiedlichsten Wochenstundenmodellen setzen. In Österreich wird auf Festanstellungen, zumeist aber auf freie Dienstverträge gesetzt. Unabhängig vom Land für alle gleich: Bezahlung und Sozialleistungen sind nicht gerade üppig.

foodora Radler

ORF.at/Christian Öser

Foodora-Bote auf Fahrrad

Als weitere wichtige Bedürfnisse bzw. gravierende Probleme der Fahrradboten haben sich noch zahlreiche weitere Punkte ergeben:

  • Finanzierung der Ausrüstung, Betriebsmittel (Schutzbekleidung, Handschuhe für Regen und Kälte, Fahrräder samt Behebung von Schäden, Mobiltelefone usw.)
  • Bewusst desinformativ gestalteter Informationsfluss in den Unternehmen von oben nach unten
  • Verhalten der Dienstgeber gegenüber kritischen Mitarbeiterstimmen
  • Social Meeting Points samt der Möglichkeit für Service und Reparatur der Fahrräder
  • Entgeltausfall bei Krankheit oder schlechter Auftragslage

Lohn- und Sozialdumping als „falscher Weg“

Feste Angestelltenverhältnisse sollten eigentlich in jedem europäischen Land selbstverständlich sein. Foodora reize jedoch alles bis zu einer Grenze aus, was legal gerade noch möglich ist. „Freelancer sind von der Auftragslage abhängig. Kommt noch eine längere Krankheit dazu, dann können sich die Arbeitsbedingungen schnell für alle, deren Beschäftigung über einen reinen Nebenjob hinausreicht, rasch zu einer existenzbedrohenden Situation kumulieren“, gab foodora-Wien-Betriebsrat Robert Walasinski zu bedenken.

Lohn- und Sozialdumping sei die falsche Antwort, stellte Karl Delfs, Bundessekretär des vida-Fachbereichs Straße fest. Es habe sich bei diesem ersten internationalen Treffen gezeigt, dass die Probleme bei Beschäftigungs- und Entlohnungsbedingungen ähnlich gelagert sind. Es sei nötig, sich international zu vernetzen, um die Bedingungen für Fahrradboten in Europa zu verbessern.

Erste KV-Verhandlungen stehen an

Österreich nehme dabei in Europa eine Vorreiterrolle ein, sagte vida-Chef Roman Hebenstreit. Die österreichischen Kollegen bei foodora seien die Ersten in der Shared Economy gewesen, die einen Betriebsrat gegründet haben - mehr dazu in Foodora-Radboten gründen Betriebsrat. Als Ergebnis stünden nun in Österreich die ersten Branchenkollektivvertragsverhandlungen an. Ziel ist ein vertraglich garantiertes Mindesteinkommen samt eines 13. und 14. Monatsgehalts und eines echten Arbeitnehmerstatus für alle Fahrradboten in Österreich.

Konkret sei mit den Arbeitgebervertretern in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) vereinbart worden, bis Ende des laufenden Jahres zu einem Abschluss zu gelangen. „Ob das Ergebnis dann konkret in einem Zusatz im bestehenden KV für das Kleintransportgewerbe bestehen oder in einem eigenständigen KV münden wird, das werden die kommenden Detailverhandlungen mit dem Sozialpartner zeigen“, sagte der vida-Vorsitzende.

Ermutigung für Vorreiterrollen

Hebenstreit ermutigte die internationalen Teilnehmer des foodora-Netzwerktreffens, es ihren Kollegen aus Österreich gleichzutun und in ihren Ländern gemeinsam mit den Gewerkschaften ebenfalls Vorreiterrollen für die Beschäftigten in der Branche einzunehmen. Der Fahrradlieferdienst foodora zählt zum Berliner Start-up Delivery Hero, dem weltweit größten Onlineessenslieferdienst. Er unterhält zehn Niederlassungen in Europa. Auf Einladung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), der Gewerkschaft vida und der Arbeiterkammer (AK) Wien diskutierten diese Woche foodora-Boten aus sechs Ländern über ihre Arbeitsbedingungen.

Um Arbeitsbedingungen ging es auch während der letzten Kälteperiode dieses Winters. Die Essensbestellungen boomten. Aber oft klagten die Boten über mangelhafte Ausrüstung - mehr dazu in Minusgrade: Boom bei Essenszustellern.

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