Nordbahnhof: Krötenproblem gelöst

Die Wechselkröte hat 2016 das Bauprojekt auf dem Nordbahnhof verzögert. Mittlerweile konnten die vom Aussterben bedrohten Tiere allerdings erfolgreich in Biotope umgesiedelt werden, genauso wie die heimischen Zauneidechsen.

Tagsüber verkriecht sich die Wechselkröte im sandigen Boden. Erst am Abend kommt sie aus ihrem Versteck und singt ihre Arien. Lange Zeit war die Kröte am Nordbahnhofgelände heimisch, viel länger als die Menschen, die in den neuen Hochhäusern am Areal wohnen. 2016 schlugen deshalb Naturschützer Alarm, als die seltenen Kröten entdeckt wurden. Es kam zu kleineren Bauverzögerungen, eine Lösung musste her.

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Die Wechselkröte ist in Europa vom Aussterben bedroht

Tiere „akzeptieren“ neuen Lebensraum

Heute ist es ruhig geworden um die singende Kröte. 9,5 Hektar werden am Nordbahnhof nicht bebaut, das steht fest. Auf dieser Fläche entsteht eine Stadtwildnis. Dort sollen in Zukunft nicht nur die Kröten, sondern auch Zauneidechsen und eine seltene Ameisenart leben, die am Nordbahnhof heimisch ist: „Wir haben zwei neue Biotope angelegt. Erfreulicherweise werden diese Biotope von den Tieren auch akzeptiert“, sagt Hans-Christian Heintschel, Pressesprecher des Projektes am Nordbahnhof.

„Freie Mitte“ nennt die Projektleitung die Stadtwildnis. Im Boden ruhen Altlasten des ehemaligen Nordbahnhofes. „Gesichert und völlig ungefährlich“, wie Heintschel betont. Rund um diese Freie Mitte entstehen weiterhin Hochhäuser. „Wir werden sechs Hochhäuser errichten, bei drei haben wir noch den Wettbewerb laufen“, sagt Heintschel. Außerdem soll der größte Bildungscampus Wiens am Gelände entstehen. Bis 2025 sollen sämtliche Bauvorhaben abgeschlossen sein, mit Wohnraum für 12.000 Menschen.

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Zauneidechsen verstecken sich vor allem bei den alten Eisenbahngleisen

Keine Bauverzögerungen erwartet

Weitere Bauverzögerungen erwartet Heintschel nicht: „Es läuft derzeit noch ein naturschutzrechtliches Verfahren, das das Gebiet der neuen Bauphase umfasst. Wir erwarten keine finanziellen oder neuen tierischen Überraschungen.“ Die Schwierigkeit am Nordbahnhof bestand darin, „Naturschutz und Stadtentwicklung zu harmonisieren“, erklärt Ingenieurkonsulent Thomas Proksch von „Land in Sicht“, einem Büro für Landschaftsplanung.

Proksch hat sich um die ökologischen Problemstellungen am Nordbahnhof gekümmert. Im Vorjahr wurden 40 Zauneidechsen aus den Baufeldbereichen übersiedelt, die Kröten sind teilweise sogar selbst in ihr neues Biotop gewandert. Sie können bis zu 15 Kilometer wandern. Vor allem in Gebieten, die landwirtschaftlich verwendet werden, können die Tiere mittlerweile nicht mehr leben. „Das liegt an den Pestiziden und der Überdüngung“, sagt Proksch. Deshalb eigne sich eine Stadtwildnis hervorragend als Refugium.

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Für die Umsiedlung wurden in der Stadtwildnis Biotope angelegt

Umsiedlung soll Population nicht schaden

Durch die Umsiedlungen haben die Kröten und Zauneidechsen an Lebensraum eingebüßt. Zu Verlusten soll es dennoch nicht gekommen sein, meint Proksch: „Durch die gesetzten Tätigkeiten ist davon auszugehen, dass sowohl bei Zauneidechse, als auch bei Wechselkröte bis dato keine Verluste in Hinsicht auf die Populationsgröße zu verzeichnen sind.“

Während das Bauland einem Konsortium aus der Wiener Städtischen, Raiffeisen Evolution und der Erste Bank gehört, ist die Stadtwildnis noch immer im Besitz der ÖBB. Einzelne Teile der alten Infrastruktur, also Schienen und Strommasten, sollen deshalb Teil der Wildnis bleiben - zusammen mit den seltenen Kröten. Proksch zeigt sich mit der Lösung zufrieden: „Wir haben jetzt am Abend ein eindrucksvolles Konzert an rufenden Wechselkröten hier um diese Teiche.“

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