Richtungsweisendes Abgasurteil in Wien

Ein vielleicht richtungsweisendes Urteil ist am Handelsgericht Wien gesprochen worden. Ein Händler muss einer Frau den Neuwert eines Autos plus Zinsen zurückzahlen. Er hatte ihr ein Auto mit manipulierten Abgaswerten verkauft.

2012 verkaufte der Wiener Autohändler der Niederösterreicherin einen Golf um 26.500 Euro. Was die Frau nicht wusste: Das Auto war eines mit manipulierten Abgaswerten. Die Frau klagte, führte einen drei Jahre dauernden Rechtsstreit. Tenor des nicht rechtskräftigen Urteils: Hätte die Frau von den gefälschten Abgaswerten gewusst, hätte sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Gericht sprach ihr rund 29.000 Euro inklusive Zinsen zu.

Laut Urteil bekommt sie den Kaufpreis plus Zinsen zurück. Für die Benutzung des Autos werden nur die gefahrenen Kilometer abgezogen, nicht der sonst übliche Wertverlust von rund 50 Prozent. Der Anwalt der Frau sprach vom bisher vorteilhaftesten Urteil: Er empfiehlt allen betroffenen VW-Fahrern mit Rechtschutzversicherung zu klagen. In Österreich gibt es geschätzt 394.000 manipulierte Autos.

Auspuff eines Dieselfahrzeuges

APA/Helmut Fohringer

Manipulierte Abgaswerte liefern Grund für Urteil

Eingebaute Manipulationssoftware entscheidend

Entscheidend war, dass in dem Auto offenbar eine zur Manipulation der Abgaswerte auf dem Prüfstand entwickelte Software eingebaut war. Auch deshalb „hätte sie das Fahrzeug nicht gekauft“. „Aufgrund dieser Manipulation hat die Klägerin ihr Vertrauen in die Volkswagen AG verloren“, heißt es weiter.

Kein Neuwagenkäufer habe Interesse an einem Fahrzeug, bei dem er gezwungen werden könnte, „eine technische Überarbeitung mit unbekannten Folgen vornehmen zu lassen, widrigenfalls die Möglichkeit des Entzugs der Zulassung besteht“, so die Begründung.

Vom Softwareupdate, das die Klägerin nicht durchführen ließ, hält das Handelsgericht wenig: „Die Klägerin wird aufgrund der mit der Nachrüstung verbundenen möglichen Beeinträchtigung auch nach Durchführung der von Volkswagen angebotenen technischen Maßnahmen nicht so gestellt, wie sie es zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses annahm.“

Autohändler will gegen Urteil berufen

Der Wiener VW-Händler will gegen das Urteil „selbstverständlich“ berufen, teilte die Porsche Holding am Donnerstag mit. Der Entscheid sei „in jeder Hinsicht rechtlich verfehlt“.

„Nachdem das Fahrzeug weiterhin verkehrs- und betriebssicher und auch die Zulassung in keiner Weise gefährdet ist, besteht keine rechtliche Grundlage für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages und kann von der Wesentlichkeit eines Irrtums nicht ausgegangen werden“, argumentiert der österreichische VW-Generalimporteur in einer Aussendung.

Zum von VW illegalerweise geschönten Stickoxidausstoß (NOx) bei Dieselfahrzeugen seien in Österreich bereits 67 erstinstanzliche Urteile ergangen. „51 dieser Urteile waren klagsabweisend.“ Allein vergangene Woche hätten das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz und das Landesgericht Steyr Klagen gegen VW-Händler abgewiesen.

Klagen oft abgewiesen

Auch die Oberlandesgerichte (OLG) Wien, Linz, Graz und Innsbruck hätten Ansprüche von Autofahrern verneint. Das OLG Innsbruck habe erst vor Kurzem ein Urteil des Landesgerichts Feldkirch umgedreht und eine Klage gegen einen Händlerbetrieb in zweiter Instanz abgewiesen. „Die Zahl der klagsabweisenden zweitinstanzlichen Urteile hat sich damit auf 26 erhöht“, so die Porsche Holding.

Der Erfolg von Irrtumsklagen gegen Autohändler, die die Rückabwicklung des Kaufvertrags begehren, hängt de facto davon ab, ob die Richter den Klägern glauben, dass sie das Fahrzeug nicht gekauft hätten, wenn sie um die Manipulation der Schadstoffwerte gewusst hätten. Bei Schadenersatzklagen, also Klagen auf Wertminderung, spielt diese Frage hingegen keine Rolle. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und auch andere Prozessfinanzierer schlagen daher den Schadenersatzweg ein - sie gehen direkt gegen die deutsche Volkswagen AG vor.

Anwalt empfiehlt Klagen

Michael Poduschka von der Poduschka Anwaltsgesellschaft, die die Klägerin vertritt, ist mit der Berechnung des Benützungsentgelts zufrieden - zumal andere Gerichte klagenden VW-Fahrern weit weniger als den Kaufpreis zugesprochen hatten.

Vom Abgasskandal betroffenen VW-Fahrern mit Rechtsschutzversicherung empfiehlt die Anwaltsgesellschaft nach dem Handelsgericht-Urteil jedenfalls, ihren Anwalt einzuschalten. „Auch bei Klagen gegen die Volkswagen AG können dieselben Argumente verwendet werden.“ Die Überlegungen zur Berechnung des Benutzungsentgelts eröffneten neue Wege. Auf Österreichs Straßen sind geschätzte 394.000 manipulierte Dieselfahrzeuge des deutschen Volkswagen-Konzerns (VW, Audi, Seat und Skoda) unterwegs. Mehr als 41.000 müssen noch umgerüstet werden, um die illegalen Abschalteinrichtungen zu entfernen.

VW-Fahrer in OÖ bekam Geld zurück

Im November des Vorjahres hatte ein VW-Fahrer ebenfalls im Zuge des Abgasskandals vor dem Welser Landesgericht recht bekommen. Der Kaufvertrag musste daher aufgehoben werden. Es war eines der wenigen Urteile, in denen der Fahrer und nicht der VW-Konzern recht bekommen hat - mehr dazu in Urteil: VW-Fahrer bekommt Geld zurück (ooe.ORF.at).

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