Tödlicher Unfall war Mord: Zehn Jahre Haft

Zu zehn Jahren Haft ist am Wiener Landesgericht ein 34-Jähriger verurteilt worden, der bei einem von ihm verschuldeten Unfall im Jänner in Wien-Penzing zwei Männer getötet hatte. Die Geschworenen folgten der Anklage wegen Mordes.

Sieben Laienrichter bejahten nach kurzer Beratungszeit die Anklage, nur ein Geschworener war nicht vom inkriminierten bedingten Tötungsvorsatz überzeugt. Der bisher unbescholtene Angestellte erhielt die gesetzliche Mindeststrafe für Mord, wobei sein bisheriges Wohlverhalten mildernd angerechnet wurden.

Ebenfalls mildernd wurde die grundsätzlich geständige Verantwortung zum Unfall gewertet. Während der Angeklagte zu Beginn des Ermittlungsverfahrens erklärt hatte, er könne sich an die Kollision nicht mehr erinnern, machte er vor Gericht Angaben zum Geschehen. Der 34-Jährige wurde in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Verteidigerin meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Angeklagter in Prozess um zweifachen Mord

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Der Angeklagte wollte „irgendwo, wo keine Leute sind, gegen eine Mauer fahren“

Debatte um Mordanklage

Um die Anklage wegen zweifachen Mordes hatte es am Montag im Prozess Debatten gegeben. Die Staatsanwältin gab sich überzeugt, dem 34-jährigen Mann den für eine Verurteilung wegen Mordes erforderlichen bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können.

Es komme „einem Bruch mit unserer Rechtstradition“ gleich, nach einem „ungemein tragischen Verkehrsunfall“ diesen erstmals als vorsätzliche Tötung anzuklagen, meinte dagegen die Verteidigerin: „Eine grob fahrlässige Tötung ist unbestritten. Er hätte sich nicht ans Steuer setzen dürfen. Das war eine vollkommene Schnapsidee. Aber er ist kein Mörder.“ Ihr Mandant sei „rasend und ohne zu denken vor sich hingefahren“, hätte aber keinen anderen Verkehrsteilnehmer töten wollen. Er sei „am Boden zerstört“, dass es dazu kam.

Selbstmordabsicht nach Streit

Der Angestellte wollte am 3. Jänner 2018 nach einem heftigen Streit mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin, bei dem er auch handgreiflich wurde, seinem Leben ein Ende setzen. Über WhatsApp verabschiedete er sich von seiner Ex-Freundin und seinem Stiefsohn, um mit seinem Mercedes „irgendwo, wo keine Leute sind, gegen eine Mauer zu fahren“, wie er dem Schwurgericht erklärte.

Bei dem geplanten Suizid habe es sich um eine „Kurzschlussreaktion“ gehandelt, erklärte der Angeklagte: „Das Aggressive ist umgeschlagen in Richtung Selbstmord.“ Ihm sei „klar geworden, dass ich nicht mehr kann und will“. Beim Unfall hatte er rund 2,3 Promille im Blut .

Angeklagter in Prozess um zweifachen Mord in Penzing

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Die Verteidigung weist die Mordanklage zurück

102 km/h in 30er-Zone

Der Angeklagte steuerte seinen Mercedes mit 102 km/h durch die Cumberlandstraße stadtauswärts, als ihm im Bereich der Kaltenbäckgasse ein Leichtmotorrad im Weg stand. Die Straße ist in diesem Bereich als 30er-Zone ausgewiesen. An einer Kreuzung erfasste der Angeklagte mit seinem Auto frontal eine Vespa, die gerade abbiegen wollte.

„Ich wollte überholen. Ich hab nicht wahrgenommen, dass er (der Vespa-Lenker, Anm.) abbiegen wollte“, erinnerte sich der Angeklagte. Er habe noch gebremst, „aber es ist sich nicht mehr ausgegangen“, schilderte der 34-Jährige den Geschworenen stockend und schließlich unter Tränen. Erst nach einer kurzen Pause und nachdem seine Anwältin ihm ein Taschentuch überreicht hatte, konnte er mit seiner Aussage fortsetzen: „Es ist alles abgelaufen wie im Film.“

Tödlicher Unfall war Mord

Der 34-Jährige ist am Wiener Straflandesgericht wegen Mordes verurteilt worden, zu zehn Jahren Haft.

Opfer hatten keine Überlebenschance

Die Vespa, die sich vorschriftsmäßig zum Linksabbiegen eingeordnet hatte, wurde von dem Auto mit einer Geschwindigkeit von 97 km/h regelrecht „abgeschossen“. Der Fahrer - ein 37 Jahre alter Rechtsanwalt, verheiratet und Vater einer kleinen Tochter - wurde über 50 Meter die Fahrbahn entlang geschleudert, wobei der Körper gegen mehrere geparkte Fahrzeuge prallte, ehe er auf dem Gehsteig zu liegen kam.

Sein Beifahrer, ein Kanzleimitarbeiter des Juristen, flog 27 Meter durch die Luft und fiel auf das Dach eines abgestellten Pkw. Beide Männer hatten nicht die geringsten Überlebenschancen und starben noch am Unfallort - mehr dazu in Tödlicher Unfall nach Streit.

Ein Anrainer stand zum Unfallzeitpunkt auf seinem Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Aufgrund der lauten Motorengeräusche wurde er auf den Mercedes aufmerksam. „Meiner Meinung nach fuhr er schon die ganze Zeit auf der linken Fahrbahnseite“, berichtete der Zeuge dem Gericht. Das Leichtmotorrad hätte „zum Abbiegen eindeutig geblinkt“, bevor es krachte.

Polizisten am Unfallort in Wien-Penzing

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Polizisten am Unfallort in Penzing

Angeklagter laut Gutachten zurechnungsfähig

Die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher hatte die Gerichtspsychiaterin in einem Gutachten empfohlen. Trotz der Alkoholisierung sei der Angeklagte zurechnungsfähig gewesen. Er war in der Lage, kurz vor dem Unfall in grammatikalischer und orthografischer Hinsicht einwandfreie WhatsApp-Nachrichten zu schicken, und imstande, unmittelbar vor dem Aufprall noch ein Bremsmanöver einzuleiten. Vor allem aber war der Angeklagte in der Verhandlung in der Lage, Angaben zum Geschehen zu machen, was gegen ein getrübtes Bewusstsein sprach.

Obwohl die Psychiaterin somit keine höhergradige seelische Abartigkeit und damit keinen Schuldausschließungsgrund feststellen konnte, trat sie dafür ein, den Mann in einer Sonderstrafanstalt behandeln zu lassen. Dafür ausschlaggebend war eine laut Gutachten gegebene kombinierte Persönlichkeitsstörung, die den 34-Jährigen in Verbindung mit seiner Alkoholsucht „hochgefährlich“ macht. Seine „narzisstische Kränkbarkeit“ sei bei aggressiven Spannungen, zu denen er unter Alkoholeinfluss neige, schwer lenkbar. Der Angeklagte habe seine Impulse dann kaum mehr unter Kontrolle, hieß es.

Sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, kann der Mann theoretisch über die ausgesprochene zehnjährige Freiheitsstrafe hinaus ohne zeitliche Befristung angehalten werden. Eine Entlassung wäre nach Verbüßung der Haftstrafe erst nach erfolgreichem Therapieverlauf möglich, wenn psychiatrische Sachverständige bescheinigen, dass von dem Mann keine Gefahr mehr ausgeht.