IKG sieht neue Art des Angriffs auf Juden

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft spricht die Israelitische Kultusgemeinde von einem klar antisemitischen Angriff auf einen Juden in der Leopoldstadt. Präsident Oskar Deutsch will jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Der Antisemitismus steige auch in Wien. Die klare Qualifizierung des Angriffs auf einen Juden in der Leopoldstadt - mehr dazu in Mann attackierte Passanten: Motiv unklar - ist wohl auch Zeichen für die momentan sehr angespannte Stimmung innerhalb der jüdischen Gemeinde Wiens. Es komme immer wieder vor, dass gerade im zweiten Bezirk junge arabischstämmige und türkischstämmige Männer Juden belästigen, heißt es in der Gemeinde.

Verbale Angriffe sind eines. Was aber bei dem Vorfall in der Leopoldstadt passiert ist, sei eine neue Art des Angriffs auf Juden, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, im Interview für „Wien heute“. Hier sei jemand physisch attackiert worden: „Man versucht, Leute zu schlagen und zu verletzen, da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“

Deutsch: „Das ist ein antisemitischer Angriff“

Dem Fakt, dass der mutmaßliche Angreifer ein türkischstämmiger Österreicher ist, misst Deutsch weniger Bedeutung bei. Viel wichtiger ist ihm der eigentliche Vorfall selbst:

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IKG-Präsident Oskar Deutsch in „Wien heute“:

„Das ist ein Angriff auf Juden und als das muss es gesehen werden. Da soll mir keiner sagen, man weiß es nicht.“

„Wenn jemand vor ein jüdisches Restaurant kommt und die Leute angreift, attackiert, mit Faustschlägen angreift, und dann 100 Meter weiter in die Taborstraße kommt und dann, dort gehen sehr viele Nichtjuden auch an dem Tag, habe ich mir von Zeugen sagen lassen, und dann gezielt einem Juden mit den Beinen auf den Rücken haut, dann ist eines ganz klar, da brauchen wir nicht diskutieren: Das ist ein antisemitischer Angriff, das ist ein Angriff auf Juden und als das muss es gesehen werden. Da soll mir keiner sagen, man weiß es nicht, er ist vielleicht ein bisschen verrückt. Fakt ist doch, jeder, der so etwas macht, ist verrückt. Das ist doch nicht etwas normales.“

„Es muss ein Zeichen gesetzt werden“

Deutsch betonte den gezielten Angriff auf einen Juden. In der Taborstraße seien zahlreiche Menschen unterwegs gewesen. Der Angreifer habe sich gezielt einen Juden, der auch ganz klar als Jude zu erkennen war, ausgesucht. Deutsch wollte hier keine anderen Interpretationen zulassen: „Ich lass’ das wirklich nicht gelten! Tun wir nicht bagatellisieren. Denn um was geht’s mir? Wir müssen ein Zeichen setzen, gegen diese Person muss etwas gemacht werden. Wir sind ja alle verantwortlich, speziell die Polizei und die Politik, dass so etwas in Wien nicht nochmals passiert.“

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IKG-Präsident Oskar Deutsch in „Wien heute“:

„Was ich nicht will ist, dass es erst - Gott behüte - einen toten Juden braucht, um alle hier zu sensibilisieren.“

Wen jetzt gesagt werde, „das war nichts, das ist nichts, die Leute sind eh nur leicht verletzt“, dann kommt der nächste, weil er ja genau weiß, dass nichts passieren wird, befürchtet Deutsch, und warnt im selben Atemzug: „Und was ich nicht will ist, dass es erst - Gott behüte - einen toten Juden braucht, um alle hier zu sensibilisieren.“

Juden müssen sich „wehren und lauter schreien“

Angesprochen darauf, dass es für Juden nicht ungewöhnlich ist, in der Taborstraße beschimpft zu werden, kritisierte Deutsch sogar ein wenig seine eigene Gemeinde: „Wenn solche Sachen passieren, ist es leider so, dass viele meiner Gemeindemitglieder nicht wollen, dass man darüber weiß, dass man darüber schreibt, dass es angezeigt wird. Ich verstehe es zwar, aber ich finde es falsch, und die Kultusgemeinde bemüht sich, die Leute dazu zu ermutigen, sehr wohl Anzeigen zu machen und sich dieser Sachen zu stellen.“

Er äußerte aber auch Verständnis. Denn wenn solche Sachen passieren, „dann wollen sie in Ruhe gelassen werden und nicht wieder darauf angesprochen werden“. Diese zeit ist für Deutsch aber vorbei, auch angesichts anderer aktueller Diskussionen: „Wir müssen laut schreien, so wie auch in der Sache mit der Registrierung beim Schächten, wir müssen laut schreien und wir müssen uns gegen all diese Sachen wehren.“ Als Präsident der IKG sei er optimistisch, dass sich die jüdische Gemeinde durchsetzen werde.

Antisemitismus in Österreich ein „No-Go“

Zum interreligiösen Dialog und mit Verweis auf gemeinsame Projekte mit der muslimischen Community brachte Deutsch die „Größe“ seiner Gemeinde ins Spiel: „Ich sage ihnen ganz offen, wir sind eine kleine Gemeinde, an die 8.000 Mitglieder, an die 15.000 Juden leben in ganz Österreich.(...) Wir sind nicht so viele, dass wir die große Menge an Muslimen, die in österreich wohnen, ca. 600.000, dass wir die alle erreichen. Das dauert.“

Karl Reis interviewt Oskar Deutsch

ORF

Sendungshinweis:

„Wien heute“, 20.7.2018, 19.00 Uhr, ORF 2: IKG-Präsident Oskar Deutsch im Interview mit „Wien heute“-Redakteur Karl Reis.

Präventionsarbeit zu leisten sei für eine kleine Gemeinde wie in Wien sehr schwer, aber man bemühe sich. Prävention müsse greifen, sagte Deutsch und warf einen Blick in die Zukunft: „Wenn es eine Zukunft für ein Judentum geben soll, auch in 30, 40 oder 50 Jahren, muss man ja mit allen Gesellschaftschichten ein gutes Verhältnis haben. Es muss nicht immer ein freundschaftliches sein, aber ein gutes Verhältnis haben.“

Er verwies auf das sehr gute Verhältnis zur katholischen Kirche in Österreich. Über ein ebenso gutes Verhältnis zur muslimischen Community würde er sich freuen. Aber, so Deutsch, „wir haben es auch zu tun mit einer Generation, die von Erdogan aus der Türkei hier in Österreich stark beeinflusst wird. Auch da ist es schwierig für eine kleine Gemeinde wie die unsrige, Aufklärungsarbeit im großen Maß zu leisten und den Leuten klar zu machen, dass in Österreich Antisemitismus ein No-Go ist - und dass sich hier jeder integrieren sollte.“

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