Fluchtversuch nach Urteil: Keine Handschellen

Am Montag hatte ein 25-Jähriger nach seiner Verurteilung wegen Vergewaltigung auf dem Weg zwischen Landesgericht und Justizanstalt einen Fluchtversuch unternommen. Der Mann trug keine Handschellen.

Der Zeitungszusteller soll im Dezember 2017 in seinem Wagen ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigt haben. Das Urteil von zwölf Jahren Haft gegen den Inder ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger meldete dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab - mehr dazu in Mädchen vergewaltigt: Fluchtversuch nach Urteil.

Fluchtversuch auf der Straße

Nach dem Urteil bewilligte der Richter eine staatsanwaltschaftliche Festnahmeanordnung und verhängte gleich die U-Haft. Zwei Polizistinnen und ein Polizist sollten den Mann vom Landesgericht in die unmittelbar daneben gelegene Justizanstalt begleiten.

Weil der 25-Jährige zunächst keinen Widerstand leistete und die Beamten offenbar mit keiner weiteren Gegenwehr rechneten, legten sie ihm keine Handschellen an. Sie begnügten sich damit, den 25-Jährigen an den Unterarmen zu erfassen und zur Aufzuganlage zu dirigieren, wo der Polizist dem Mann erklärte, dass er nun ins Gefängnis überstellt würde.

Nachdem die Gruppe mit dem Aufzug ins Erdgeschoß gelangt war, die Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich passiert hatte und sich auf dem Weg Richtung Justizanstalt befand, nützte der nach wie vor nicht Gefesselte die Gelegenheit, einen Fluchtversuch zu starten. Er riss sich ruckartig los und lief auf der Wickenburggasse Richtung Alser Straße den drei Polizisten davon.

Passant stellte ein Bein

Vor einem Cafe, bei dem ein Schanigarten den Gehsteig einengt, stellte sich ein Passant in den Weg. Der Mann soll dem Flüchtenden auch ein Bein gestellt haben, was der Polizei ermöglichte, den groß gewachsenen Inder an der Kleidung zu erfassen, zu überwältigen und ihm Handschellen zu verpassen.

Offenbar wäre es nicht nötig gewesen, den 25-Jährigen aus dem Gerichtsgebäude zu bringen. Das Landesgericht ist mit der Justizanstalt verbunden, es bestehen auf verschiedenen Stockwerken mehrere Zugangsmöglichkeiten, die allerdings nur von der Justizwache genutzt werden dürfen. Die Justizwache darf wiederum staatsanwaltschaftlich angeordnete und gerichtlich bewilligte Festnahmen nicht durchführen.

„Eine Festnahme einer Person durch die Justizwache verletzt das Grundrecht auf persönliche Freiheit und ist nur durch die Kriminalpolizei zulässig“, heißt es in einer Weisung der Anstaltsleitung, die sich dabei auf entsprechende Judikatur und Lehrmeinungen stützen kann.

Justizwache für Vollzug der U-Haft

Allerdings hatte der Richter über den mutmaßlichen Vergewaltiger einer 15-Jährigen bereits die U-Haft verhängt, womit er grundsätzlich auch auf die Justizwache zurückgreifen hätte können, um den bis dahin auf freiem Fuß befindlichen Mann - das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hatte im Vorfeld Fluchtgefahr verneint - in Haft zu nehmen. Das wurde auf APA-Anfrage seitens des Justizministeriums bestätigt.

„Ab dem Moment, wo der Richter die U-Haft verhängt, wäre das möglich. Die U-Haft zu vollziehen, ist Aufgabe der Justizwache“, erläuterte Rudolf Jocher, stellvertretender Leiter der Stabsstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.