Viennale: Neue Chefin und „neue Energie“

Es ist die erste Pressekonferenz der neuen Viennale-Leiterin Eva Sangiorgi nach dem überraschenden Tod ihres langjährigen Vorgängers Hans Hurch gewesen. Die 56. Ausgabe des Filmfestivals startet am 25. Oktober - mit einigen Änderungen.

Die auffallendste Neuerung ist die Abschaffung der Trennung von Spiel- und Dokumentarfilmen im Hauptprogramm. Sie sei nicht mehr zeitgemäß, so Sangiorgi am Freitag vor Journalistinnen und Journalisten. Sonst wird strukturell vieles gleich bleiben: Kooperationen mit Filmmuseum und Filmarchiv und einige Spezialprogramme.

Sangiorgi: Gehöre anderer Generation an

Im Gespräch mit ORF.at danach gefragt, was die größte Änderung sein wird, antwortete Sangiorgi jedoch: „Dass jetzt ich hier bin und nicht Hans“. Sie wolle an vielen Traditionen der Viennale festhalten, sei aber anders sozialisiert als ihr Vorgänger. Erstens sei sie durch ihr Leben in Lateinamerika mehr für Themen der Peripherie sensibilisiert, zweitens gehöre sie - Sangiorgi ist 40 Jahre alt - einer anderen Generation an, was sich auch in der Programmierung widerspiegle.

Eva Sangiorgi

ORF.at/Simon Hadler

Sangiorgi mit einem ersten Ausblick auf das Programm

Kurz nach der Entscheidung, dass sie Festivalleiterin der Viennale werde, sei sie aufgeregt gewesen - und unsicher, so Sangiorgi. Mittlerweile habe sie das Viennale-Gefühl jedoch verinnerlicht und habe ihre Linie gefunden, was die Auswahl der Filme und das Zusammenstellen der Specials betreffe. Sie fühle eine neue Kraft in sich und hoffe, der Viennale „neue Energie“ zu spenden.

„Light, challenge, celebrations“

Welche drei Worte Sangiorgi mit ihrer ersten Viennale verbindet? „Light, challenge, celebrations.“ Das spiegelt sich auch im neuen Festivalmotiv wider, zu sehen auf den Plakaten: der Torso eines Flamingos, der von einem sanft adaptierten Layout umspielt wird. Eine leichte Adaptierung gibt es nicht nur beim Layout, sondern auch dem Standort für das Festivalzentrum. So bleibt man zwar im MuseumsQuartier, zieht dort aber in die Halle 2 um. Untertags soll es dort vermehrt Gespräche und Lesungen geben, während abends wieder Konzerte, Partys und DJ-Lines angesetzt sind.

Preisträger aus Berlin und Locarno

Die geborene Italienerin Sangiorgi gab auch einige Filme bekannt. Der philippinische Regisseur Lav Diaz ist mit seinem neuen, fast vierstündigen Musical „Ang Panahon Ng Halimaw“ ebenso vertreten wie Veteran Jean-Luc Godard mit seinem in Cannes gezeigten „Livre d’image“. Dschafar Panahis neuer, trotz Berufsverbots im Iran erstellter Film „3 Faces“ wird ebenso gezeigt wie der sexuell explizite Berlinale-Gewinner „Touch Me Not“ der Rumänin Adina Pintilie und Dominga Sotomayors jüngst in Locarno mit dem Regiepreis geehrtes autobiografisches Projekt „Tarde para morir joven“.

„B-Film“ im Filmmuseum

Nicht zuletzt hat der österreichische Film seinen Raum auf der Viennale. So wird Sudabeh Mortezais „Joy“ nach der Weltpremiere bei den „Giornate degli Autori“ in Venedig seine Österreich-Premiere am Festival feiern. Und Markus Schleinzers Historienbiografie „Angelo“, die in Toronto Welt- und in San Sebastian Europapremiere feiert, kommt im Anschluss nach Wien.

Eva Sangiorgi vor Flamingo-Plakat

APA/ Hans Punz

Sangiorgi will der Viennale „neue Energie“ bringen

In der traditionellen Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum widmet man sich heuer dem „B-Film“. So rückt man von 26. Oktober bis 5. Dezember 52 Werke der Hollywood-Produktion mit kleinem Budget zwischen 1935 und 1959 in den Fokus. Dabei fungiert die Kinoinstitution heuer erstmals auch als neuer offizieller Festivalstandort und zeigt Werke des regulären Programms. Vom Filmarchiv Austria wird die Schiene „Surviving Images“ kuratiert. In zwölf Programmen widmet man sich dabei dem jüdischen Leben im deutschsprachigen Stummfilm.

Sangiorgi: „In Wien verankert“

Bei den Retrospektiven gibt es mit einem Fokus auf Roberto Minervini unter dem Titel „The Other Side of Contemporary Italian Cinema“ einen Blick auf das unabhängige Filmschaffen der Heimat der neuen Viennale-Chefin, während mit „Freiheit und Flexibilität“ das Oeuvre des Franzosen Jean-Francois Stevenin beleuchtet wird. Beide Regisseure werden dafür persönlich in Wien erwartet. Auch dem 1996 verstorbenen argentinischen Filmemacher Jorge Acha widmet man sich ausgiebig.

Sie fühle sich mittlerweile bereits mit beiden Beinen in Wien verankert, versicherte Sangiorgi sichtlich gut gelaunt. Die Festivaldirektorin kam vor rund fünf Monaten in der Bundeshauptstadt an. Zugleich sei es natürlich bei allem Engagement nicht möglich, eine ganze Viennale in dieser Zeit komplett zu formen. „Wir zeigen heuer also ein paar Wege für die Zukunft auf“, so die aus Norditalien stammende Sangiorgi. Die erste „echte“ Sangiorgi-Viennale wird es somit also 2019 geben.

hadl, ORF.at/Agenturen

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