Brand in PAZ: Anzeige wegen versuchten Mordes

Die sechs Schubhäftlinge, die in der Nacht auf Samstag in ihrer Zelle im Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel Feuer gelegt haben, werden wegen versuchten Mordes und vorsätzlicher Gemeingefährdung angezeigt.

Das sagte die Sprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft, Nina Bussek, am Montag. Als Begründung für die Untersuchung wegen versuchten Mordes gab Bussek an, dass zumindest ein bedingter Vorsatz angenommen werden könne. Vier der sechs beteiligten Schubhäftlinge - fünf Afghanen und ein Iraner - befanden sich am Montag bereits in der Justizanstalt Josefstadt. Zwei waren weiter im Krankenhaus.

Untersuchungshaft verhängt

Über die Männer wurde am Sonntag die Untersuchungshaft verhängt. „Als Haftgründe wurden Flucht- und Tatbegehungsgefahr angenommen“, sagte die Sprecherin des Landesgerichts, Christina Salzborn, am Montag. Die Verhängung der U-Haft betrifft alle sechs Beschuldigten, also auch jene zwei, die weiter in einem Wiener Spital lagen. Diese würden bewacht, so Salzborn.

In Lebensgefahr ist keiner der sechs Männer im Alter von 18 bis 33 mehr. Abgesehen von der teilweisen Einvernahme eines der Beteiligten gibt es bisher keine Aussagen. „Die Schubhäftlinge werden von der Staatsanwaltschaft direkt einvernommen“, sagte Polizeisprecher Paul Eidenberger. Laut Bussek liegt der Akt nun aber bei einem Haftrichter, der über die Verhängung der Untersuchungshaft zu entscheiden hat.

„Eine Art Protest“

Am Sonntag lag laut Eidenberger die Aussage eines 31-jährigen Afghanen vor, der nach seiner Rettung „teilvernommen“ werden konnte. Dessen Angaben seien ein Anhaltspunkt, wonach die sechs Schubhäftlinge nicht, wie zunächst angenommen, kollektiv Selbstmord begehen, sondern laut dem Sprecher vielmehr „eine Art Protest“ setzen wollten, hieß es am Sonntag.

Abgebranntes Zimmer

Landespolizeidirektion Wien

Die Männer hatten Matratzen und Bettzeug in Brand gesteckt

Die Schubhäftlinge sollen in der Nacht auf Samstag das Feuer in der Zelle gelegt haben und dann in den Waschraum gegangen sein. Bei diesem handelt es sich um einen an die Zelle angeschlossenen Nassraum mit eigener Tür. Vor diese legten sie nasse Handtücher, offenbar um zu verhindern, dass Rauchgase in den Nassraum eindrangen, und schlossen die Tür.

Schubhäftling holte Hilfe

Weil der Stoff den Spalt nicht wirklich abdichtete, lief einer der Schubhäftlinge später zur Zellentür, um Hilfe zu holen. Das dürfte jener Insasse gewesen sein, den Polizisten unmittelbar hinter der Zellentür liegend gefunden und geborgen haben. Die anderen fünf rettete die Wiener Berufsfeuerwehr unter Atemschutz.

Rettungskräfte vor dem Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel

APA/Herbert P. Oczeret

Auch Einsatzkräfte erlitten Verletzungen

Beim Rettungseinsatz wurden auch vier Beamte verletzt. Drei Polizistinnen und ein männlicher Kollege waren betroffen. Die Berufsrettung Wien betreute überdies 14 weitere Schubhäftlinge aus anderen Zellen an Ort und Stelle wegen des Verdachts auf Rauchgasvergiftungen.

Brief hinterlegt

Die Männer hatten einen Brief unterzeichnet, in dem sie auf ihre Perspektivlosigkeit hinweisen. In dem auf Deutsch verfassten Schreiben ist von Unzufriedenheit mit dem System, mit den Lebensumständen in Österreich und von der bevorstehenden Abschiebung die Rede. Der Abschiebetermin war laut Polizei für zwei der Schubhäftlinge fixiert. Bei den anderen vier Männern habe es noch keinen konkreten Termin gegeben - mehr dazu in Schubhäftlinge legten Brand in Zelle (wien.ORF.at; 16.9.2018).

Wie hoch der Sachschaden nach dem Feuer ist, war am Montag noch unklar. Die genaue Schadensaufstellung obliegt der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), der das Polizeianhaltezentrum gehört. Im Wesentlichen geht es bei der Schadensaufstellung um die völlig verwüstete Zelle und deren Inventar.