Die verschwundenen Plätze Wiens

Was geschah mit dem Ringtheater, wo stand eine der größten Brauereien Österreichs und wo gibt es Überreste der Rotunde? Diesen Fragen geht das Buch „Die Stadt von gestern“ nach.

„Alles gerettet“, heißt es in einem Polizeibericht vom 8. Dezember 1881. Dass im Theater eine der größten Feuerkatastrophen der österreichischen Geschichte geschieht, fällt den Polizisten durch die verschlossenen Tore nicht auf. Fast 400 Menschen sterben in den Flammen, das Gebäude wird komplett zerstört.

Es sind diese Plätze, die Thomas Hofmann und Beppo Beyerl faszinieren. Gebäude, die es heute in dieser Form nicht mehr gibt, die den meisten nicht mehr bekannt sind und wenn doch, dann häufig nur aus Erzählungen. Ihre Geschichten haben die beiden Autoren in dem Buch „Stadt von gestern“ gesammelt.

„Verkettung typisch wienerischer Schlampereien“

„Das Ringtheater war eine Komische Oper, es gab leichte Musik im Gegensatz zu den großen Theatern oder der Staatsoper“, sagt Beyerl. Den Brand beschreibt er als „eine Verkettung von typisch wienerischen Schlampereien“: Beim Versuch, eine defekte Gasleuchte anzuzünden, fing der Theatervorhang Feuer.

Binnen kurzer Zeit brannte das Theater, da die Türen nach innen geöffnet wurden und die Menschen panisch zur Türe drängten war es unmöglich, das Theater zu öffnen. Das eigentlich verpflichtende Notwasser war an diesem Tag abgestellt, ebenso wie die Notbeleuchtung. „Diese wurden aus Einsparungsgründen nur bei Revisionen eingeschaltet“, erzählt Beyerl.

Auf dem Grund des Ringtheaters entstand später das Sühnhaus, gestiftet und bezahlt vom damaligen Kaiser Franz Joseph I. Einer der bekanntesten Mieter des Hauses: Sigmund Freud. Er hatte hier seine erste Ordination. 1945 wurde das Gebäude im Krieg zerstört, heute steht auf dem Gelände am Schottenring die Landespolizeidirektion Wien.

Keine Nostalgie

„Wir haben uns zu diesen Gebäuden, Orten, Plätzen und Gruppen vor allem auch alte historische Tageszeitungen angeschaut, um authentische Protokolle von damals, von den Menschen, zu holen. Um wirklich menschliche Geschichten damit zu verbinden und nicht nur reine Architektur- oder Stadtgeschichten. Die menschlichen Schicksale und Geschichten sind an diese Orte gebunden“, sagt Thomas Hofmann.

TV-Hinweis:

„Wien heute“, 6.10.2018, 19.00 Uhr, ORF 2

Mit Nostalgie habe das Buch nichts zu tun, ergänzt Beyerl. Vielmehr gehe es darum „Gebäude, die verschwunden sind und damals die Stadt Wien repräsentiert haben“ wieder ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

„Ganz Wien hat um ein Wahrzeichen getrauert“

So auch bei der Rotunde in der heutigen Krieau. Gebaut für den Wiener Weltkongress 1873 war sie eine beliebte Sehenswürdigkeit, vor allem durch ihre markante Kuppel. „Das war seinerzeit die größte Kuppel weltweit. Sie hatte einen Durchmesser von 108 Meter und war 84 Meter hoch. Man hätte darin St. Paul’s Cathedral aus London oder den Petersdom aus Rom verstecken können“, sagt Hofmann.

Rotunde 1937

Archiv Thomas Hofmann

Die Rotunde war ein beliebtes Wiener Wahrzeichen

Am 17. September 1937 brannte der Kuppelbau, eine Stunde nach dem Beginn des Brandes stürzte die Rotunde in sich zusammen. „Ganz Wien hat damals um ein Wahrzeichen getrauert“, so Hofmann – mehr dazu in Brand der Rotunde: Wahrzeichen in Flammen.

Heute ist von dem Bau der Rotunde nur mehr wenig übrig. Die letzten Überreste sind heute ein Atelier, auch ein Platz und ein Steg wurden nach der ehemaligen Sehenswürdigkeit benannt. Ein Teil des Geländes wird heute vom Campus der Wirtschaftsuniversität besetzt.

Das verschwundene Bier

Buchhinweis

Thomas Hofmann und Beppo Beyerl: „Die Stadt von gestern. Entdeckungsreise durch das verschwundene Wien.“ Styria Buchverlag, 240 Seiten.

Die verschwundenen Plätze finden sich aber auch am Stadtrand, wie etwa die ehemalige Liesinger Brauerei. Früher eine der größten Brauereien des Landes, ist heute nur mehr wenig von ihr übrig. Das letzte Bier wurde hier 1973 gebraut, statt der Brauerei steht heute ein Einkaufszentrum auf dem Gelände.

An das Unternehmen erinnert noch ein gelb gestrichenes Haus mit kleinem Turm. Früher war es der repräsentative Teil der Brauerei, in dem Veranstaltungen organisiert wurden. Auch einige Wohnhäuser, in denen die Brauerei-Mitarbeiter früher gelebt haben, sind heute noch erhalten und bewohnt.

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