Alte Urlaubsvideos für die Forschung

Weihnachten, der erste Familienurlaub oder ein Mai-Umzug: Das Filmmuseum hat beim Home Movie Day am Samstag private Videos für die Forschung gesammelt. Denn neben dem Alltag zeigen die Filme auch zeithistorische Ereignisse.

„Wenn man früher den Zeitgeist einer Epoche für ein Theaterstück darstellen wollte, ging man ins Museum und schaute sich die Bilder der damaligen Zeit an“, sagt Home-Movie-Day-Organisator Raoul Schmidt. „Wer heute die Ästhetik oder den Zeitgeist der vergangenen Jahrzehnte erkennen oder begreifen möchte, kann das vor allem durch Filmaufnahmen.“

Viele dieser Filme sind aber noch auf alten Schmalfilmen, Filmspulen oder Super-8-Filmen. Medien, die zu Zeiten von Smartphones und Smart-TVs nur noch wenige abspielen können. Mit dem Home Movie Day will Schmidt gemeinsam mit der Filmarchivarin Stefanie Zingl und dem Filmmuseum eben diese Filme retten, aufbewahren und den Wert der Privataufnahmen betonen.

Private Familienvideos Home Movie Day

Archiv Filmmuseum

Bereits zum achten Mal findet der Home Movie Day in Wien statt

Filme werden im Archiv aufgehoben

Interessierte können ihre analogen Privatfilme im Volkskundemuseum abgeben und noch einmal ansehen. Am Abend wird eine Auswahl der abgegebenen Filme auf einer offenen Leinwand gezeigt. Wer seine Filme behalten möchte, erhält hier auch Tipps zur richtigen Lagerung und Archivierung zu Hause.

Initiiert wurde die Veranstaltung 2002 von Filmarchivaren in den Vereinigten Staaten. Mittlerweile findet der Home Movie Day in 21 Ländern weltweit statt - in Wien bereits zum achten Mal. Da der Home Movie Day heuer im Rahmen der Ausstellung „Alle antreten! Es wird geknipst!“ im Volkskundemuseum organisiert wird, können auch private Fotos und Fotoalben abgegeben werden - mehr dazu in science.ORF.at.

Die abgegebenen Filme werden anschließend im Archiv des Filmmuseums aufbewahrt und können von den Besitzern weiterhin angesehen werden. Mit dem Einverständnis der Urheber können die Aufnahmen dann auch für Forschungsarbeiten genutzt werden. Themen sind dabei unter anderem Stadtentwicklung und sozialwissenschaftliche Themen. „Für die Forschung sind diese privaten Filme unglaublich wertvoll“, betont Schmidt.

Hochzeiten, Familienfeiern und Geburtstage

In den vergangenen Jahren wurden vor allem private Aufnahmen ab den 1970er Jahren abgegeben. „Davor war das Filmen sehr teuer und für die wenigsten leistbar“, erzählt Zingl. Doch auch mit den günstigeren Modellen ab den 1970er Jahren galten Filmaufnahmen als etwas Besonderes.

Veranstaltungshinweis

Home Movie Day, 13. Oktober 2018 14.00 - 21.00 Uhr im Volkskundemuseum Wien, Laudongasse 15–19, 1080 Wien.

Aufgezeichnet wurden deshalb nur die außergewöhnlichen Momente, sagen die Organisatoren. Häufig erhalten die beiden deshalb Aufnahmen von Familienfeiern, dem Weg zum Flughafen, Hochzeiten, Geburtstagen oder großen Veranstaltungen in der Stadt.

8.000 Amateuraufnahmen lagern mittlerweile im Archiv des Filmmuseums. Beim Großteil handle es sich jedoch um Waisen, also Filme, die auf Flohmärkten oder an anderen Orten gefunden wurden und über die es kaum weiterführende Informationen gibt.

Home Movie Day Veranstaltung

G. Lembergh

Ab 17.30 Uhr werden die Privataufnahmen auf der offenen Leinwand gezeigt

Interviews zu den Hintergründen der Aufnahmen

Dabei seien zusätzliche Informationen für die Forschungszwecke besonders wichtig, sagt Zingl. „Wenn Filme abgegeben werden, führen wir gerne auch noch unterstützend Interviews. Wir wollen wissen, wer gefilmt hat, wie gefilmt wurde, ob es eine Inszenierung war oder ein spontaner Moment.“ Durch dieses unterstützende Material sollen die Filme neben Fragen der Stadtentwicklung auch jene über einzelne gesellschaftliche Milieus oder Geschlechterverhältnisse klären.

Neben den Aufzeichnungen ab den 1970er Jahren werden vereinzelt auch ältere Filme abgegeben, unter anderem auch aus den 1930er Jahren. „Das sind zwar auch biografische Aufnahmen, aber es gibt einen starken zeithistorischen Bezug. Oft bricht die Geschichte durch in diesen Aufnahmen", so Schmidt. „Man sieht später auch, wie der Alltag der Menschen aussieht, während ein Weltkrieg geschieht.“

Auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg tritt in den Aufnahmen auf. So wird am Samstag neben den neu eingelangten Filmen auch der zweiteilige Privatfilm „Ums Freisein hätte es gehen sollen“ der Schauspielerin Elfriede Irrall präsentiert. Er zeigt ein Gespräch zwischen Irrall und ihrer Mutter, die vom Alltag während des Nationalsozialismus erzählt.

Umgang mit Aufnahmen heute flüchtiger

Aufnahmen wie diese sieht Schmidt auch als Aufruf, selbst Filme zu machen. Denn der Zugang zum Filmen sei durch Smartphones heute zwar deutlich günstiger und einfacher, der Umgang mit den Filmen jedoch flüchtiger.

„Früher war das gemeinsame Filmansehen ein Erlebnis, heute läuft dieser Austausch mit anderen über Onlineplattformen“, sagt Schmidt. Der Wert dieser privaten Aufnahmen sei jedoch auch heute von besonderem Wert, „egal ob sie mit einer alten analogen Kamera oder mit dem 8-mm-Filter auf dem Smartphone gedreht werden“, sagt Schmidt.

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