Postüberfall: Justiz ließ Haupttäter flüchten

Nicht geständig haben sich am Dienstag zwei mutmaßliche Mittäter eines neun Jahre zurückliegenden Überfalls auf eine Post-Filiale in Ottakring gezeigt. Der verurteilte Haupttäter hätte als Zeuge aussagen sollen, floh aber ins Ausland.

Die Angeklagten versicherten, sie hätten mit dem Raub nichts zu tun gehabt. Überschattet wurde die Verhandlung von einem „Schnitzer“, der der Justiz im Vorfeld unterlaufen war. Denn einem der beiden Haupttäter wurde die Flucht ins Ausland ermöglicht.

Die Justiz hat einen früheren Post-Bediensteten laufen lassen, der die treibende Kraft an einem Überfall auf sein Postamt in Wien-Ottakring gewesen sein dürfte und der dafür rechtskräftig zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Statt die Strafe anzutreten, tauchte er unter, wie am Dienstag bei der Verhandlung gegen zwei mutmaßliche Komplizen am Landesgericht bekannt wurde.

Rund 264.000 Euro erbeutet

Die Idee zum Raub war von dem besagten Post-Bediensteten ausgegangen, der in der betroffenen Filiale beschäftigt war und daher die laxen Sicherheitsvorkehrungen kannte. Er inszenierte - angeblich um seine Hochzeit finanzieren zu können - einen Überfall.

Dazu ließ er sich am 6. Oktober 2009 von einem als Räuber angeheuerten und eigens dafür aus Deutschland angereisten Georgier gemeinsam mit fünf aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht eingeweihten Arbeitskollegen fesseln und knebeln. Der maskierte und mit einer täuschend echt aussehenden Pistolenattrappe bewaffnete Georgier erbeutete bei dem Coup 264.000 Euro.

Im Dezember 2017 wurden der Georgier und der Ex-Postler dafür vom Landesgericht wegen schweren Raubes zu 13 Jahren bzw. sieben Jahren und neuneinhalb Monaten Haft verurteilt. Ungeachtet der langjährigen über ihn verhängten Freiheitsstrafe und seiner türkischen Wurzeln, die auf eine Fluchtgefahr hindeuten hätten können, blieb der Ex-Postler, der während der Hauptverhandlung nicht in U-Haft gesessen war, weiter auf freiem Fuß. Sein damaliger Rechtsbeistand Alexander Philipp meldete gegen die Verurteilung Rechtsmittel an.

Ex-Postler sagte nicht aus, sondern tauchte unter

Zur Berufungsverhandlung erschien der 30-Jährige dann nicht mehr persönlich. „Er hat sich entschuldigt“, erinnerte sich Philipp Dienstagmittag im Gespräch mit der APA. In der Instanz wurde die Strafe für den abwesenden Ex-Postler dann auf zehn Jahre erhöht, während dem Georgier ein halbes Jahr erlassen wurde. Als der 30-Jährige davon Wind bekam, verschwand er von der Bildfläche. „Er war für mich nicht mehr erreichbar. Ich habe daher die Vollmacht gekündigt“, stellte Philipp klar.

Im Verfahren am Dienstag gegen die mutmaßlichen Mittäter hätte der Ex-Postler als Zeuge aussagen sollen. Auf den Zeugen wartete man aber vergebens. Wie dazu der in diesem Fall mit den Ermittlungen betraute Kriminalbeamte im Zeugenstand erklärte, hat sich der 30-Jährige mittlerweile bei seinem letzten Dienstgeber und an seiner Wohnadresse abgemeldet: „Nach Aussagen seiner Noch-Gattin ist er von einem Türkei-Urlaub nicht zurückgekommen.“

Laut Anklage sollen die beiden Mittäter, die seit Dienstag vor Gericht stehen - ein 32 Jahre alter, seinerzeit ebenfalls bei der Post beschäftigter, aber in einer anderen Filiale tätiger Bekannter des 30-Jährigen sowie ein 48-jähriger Armenier - die Reise des Georgiers nach Wien organisiert, den Tatort ausgekundschaftet, die Waffe und eine Sturmmaske besorgt und den unmittelbaren Täter zum Überfall chauffiert und im Anschluss wieder weggebracht haben.