Weltmuseum widmet Kopftuch eigene Schau

Es polarisiert und sorgt für Diskussionen: das Kopftuch. In der neuen Sonderausstellung widmet sich das Weltmuseum Wien nun dem „meist rechteckigen Stück Stoff“. Es soll eine „nicht polemische Auseinandersetzung“ sein, heißt es.

Sehr wohl war die politische Diskussion rund um das Thema ein „Geburtsmoment“ der sich nun auf 900 Quadratmetern entfaltenden Schau, wie Direktor Christian Schicklgruber erläuterte. Damals sei ein „Shitstorm“ über eine Drogeriekette hereingebrochen, nachdem diese auf einem Werbesujet eine Frau mit Kopftuch gezeigt habe. „Das Kopftuch wird missbraucht, um ‚die Anderen‘ zu definieren“, so der Direktor des Weltmuseums. „Das Kopftuch muss heutzutage herhalten, um Wahlkämpfe zu führen und erschreckender Weise auch, um Wahlen zu gewinnen.“

„Keine Ausstellung über das Kopftuch im Islam“

Dem will die Sonderausstellung „Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch“, die bis zum 26. Februar zu sehen ist, mit ihrer „Vielstimmigkeit“ begegnen: Insgesamt 17 Teilnehmer hat Kurator Axel Steinmann eingeladen, sich dem Thema aus unterschiedlichsten Perspektiven zu widmen. „Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, und die Ausstellung richtet sich an alle, die hier leben“, hielt der Kurator fest. Und so ist „Verhüllt, enthüllt!“ beileibe keine Ausstellung über das Kopftuch im Islam, sondern beleuchtet den Stoff auch vor dem Hintergrund christlicher und jüdischer sowie gesellschaftlicher und modischer Strömungen.

Als Ausstellungsdisplays dienen in offenen Halbrunden aufgestellte Stoffbahnen: Eine solche bespielt man gleich zu Beginn des Rundgangs mit der Installation „Sharp Dressed“ des Grazer Künstlerkollektivs G.R.A.M., das ein fotografisches Panorama eines türkischen Ladentischs mit unzähligen bunten Tüchern abbildet. Der Fokus liegt dabei auf „orientalischer Sinnlichkeit“, will aber mit Hilfe der „sinnlichen wie klischeehaften Bildkomposition“ nicht vom gesellschaftspolitischen Kontext abgetrennt verstanden werden.

Im selben Raum flimmert das Video „Undressing/Soyunma“ von Nilbar Güres über eine gewölbte Stoffbahn, in dem sich die Künstlerin „gegen die diskriminierende Haltung des Westens gegenüber Migrantinnen“ wendet. Dabei ist sie selbst mit unförmig verhülltem Kopf und Gesicht zu sehen, um sich unzählige Kopftücher nacheinander abzustreifen, wobei sie bei jedem Tuch den Vornamen einer Frau ausspricht. „Die Mehrzahl muslimischer Frauen in Europa, mit oder ohne Kopftuch, stehen zuerst und vor allem für sich selbst, für sich als Individuen und nicht für religiöse oder nationalistische Ideen“, wird Güres im Katalog zitiert.

Kopftuch zwischen Mode, Religion und Heimat

Das Wiener Weltmuseum widmet sich dem kulturhistorischen Stück Stoff in einer neuen Ausstellung.

Auch Kopftücher aus Guatemala, Syrien und Marokko

Mit dem Kapitel „Eva und Maria“ widmet man sich mit der Zurschaustellung von Gemälden wie „Der Sündenfall“ von Hugo van der Goes aus dem 15. Jahrhundert den biblischen Bezügen zum Kopftuch, präsentiert aber auch Gesichtsschleier aus Ägypten aus dem 19. Jahrhundert. Dass das Kopftuch kein auf unsere Breiten beschränktes Kleidungsstück ist, macht man mit teils historischen Kopftüchern aus Guatemala deutlich, die in diesem Fall von Männern getragen werden.

Der Rundgang ermöglicht Einblicke in die Vielfalt von Mustern, Farben und Formen - meist hängen die viereckigen Stoffe fein säuberlich ausgebreitet an den Stoffwänden und werden so - abgekoppelt von den möglichen Trägerinnen - zu Kunstwerken aus Ländern wie Syrien, dem Libanon und Marokko.

Zu den künstlerischen Interventionen der Ausstellung zählen auch großformatige Acrylgemälde der iranischen Künstlerin Mitra Shahmoradi, die oft gesichtslose, verhüllte Figuren ins Zentrum rückt, oder düstere Fotografien von Susanne Bisovsky, die sich mit dem Kopftuch in der Haute Couture beschäftigt. Die Künstlerin Tina Lechner wiederum fokussiert in ihren Arbeiten auf den abstrakt umhüllten Körper, den sie als Skulptur in den Mittelpunkt stellt.

Schau zeigt berühmte Kopftuchträgerinnen

Neben den vielen Stoffen aus zahlreichen Ländern verhandelt „Verhüllt, enthüllt!“ aber auch dezidiert nicht-religiöse Verwendungen des Kopftuchs und zeigt etwa mit Königin Elizabeth II., Sophia Loren, Brigitte Bardot und Audrey Hepburn berühmte Kopftuchträgerinnen, die diese (vor allem in den 1950er und 1960er Jahren) als modische Accessoires und Zeichen von Unabhängigkeit und Freiheit trugen.

Nicht ausgeklammert wird auch das Kopftuch als Tracht: In Tourismusbroschüren aus den 1930er und 1950er Jahren sowie mit verschiedenen Trachtenpuppen aus ganz Europa widmet man sich dem Kopftuch als regionalem Identitätsstifter. So sollte das Kopftuch in der Zeit des österreichischen Ständestaates und des Nationalsozialismus Heimat und Bodenständigkeit vermitteln. „Als ethnologisches Museum ist es unsere Aufgabe, als Erfahrungs- und Reflexionsraum zu dienen“, hält Schicklgruber fest. Mit dieser Schau könne es gelingen, durch einen „reflektierten Blick auf das Eigene das Verständnis für ‚das Andere‘ zu ermöglichen“.

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