OLG: VW-Käuferin steht Kaufpreisrückgabe zu

Eine VW-Käuferin darf wegen des Einbaus von Schummelsoftware ihren VW Golf an den Händler zurückgeben und den Kaufpreis zurückfordern, urteilt das Oberlandesgericht Wien in zweiter Instanz. Der Autohändler beruft.

Er sieht das Urteil (3 R 38/18g) als Einzelfall. Eine Frau hatte 2012 um 26.500 Euro einen Golf mit Tageszulassung gekauft. 2015 wurde bekannt, dass VW bei manchen Motoren, darunter auch jenem dieses Golf-Modells, eine spezielle Software installiert hatte, die am Prüfstand zu niedrigeren Abgaswerten führt, als im realen Straßenbetrieb.

„Ohne Software keine Zulassung“

Daraufhin verlor die Klägerin, die von der Linzer Poduschka Anwaltsgesellschaft vertreten wird, nach eigenen Angaben das Vertrauen in VW und forderte den Kaufpreis - abzüglich einer „Nutzungsgebühr“ für die bereits gefahrenen Kilometer - plus Zinsen zurück: in Summe rund 29.000 Euro.

Ohne diese Software hätte der Wagen am Prüfstand nicht die Abgasnorm erfüllt und daher auch keine Zulassung erhalten, urteilte das Gericht, denn „der Einbau einer unzulässigen Software (würde) keinen Sinn machen, wenn auch ohne diese die relevanten Grenzwerte eingehalten würden. Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, bedarf es ... keiner technischen Kompetenz, sondern bloß der allgemeinen Lebenserfahrung“, heißt es im Urteil.

„Vorliegen eines Sachmangels“

Nachdem die Käuferin unwidersprochenerweise Wert auf ein umweltfreundliches Auto gelegt und ihren Mann, einen Techniker, gebeten habe, die technischen Daten genau anzusehen, durfte das Handelsgericht Wien als erste Instanz (Urteil: 23 Cg 67/15a) davon ausgehen, dass die Frau das Auto nicht gekauft hätte, hätte sie von der Schummelsoftware gewusst, urteilte nun das OLG Wien. Man dürfe es als „gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft“ ansehen, dass ein Auto die in der Norm (im konkreten Fall: Euro 5) vorgesehenen Grenzwerte einhält. Wenn dies nur mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung möglich ist, dann sei vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen.

Und dieser Sachmangel sei auch nicht geringfügig, weil die zugesagte Abgasnorm nur durch eine illegale Software zu erreichen gewesen sei, die Nachbesserung unter Androhung eines Zulassungsverlustes verpflichtend sei, die Freigabe der verbesserten Software ein gutes Jahr gedauert habe und die Käuferin die Nachbesserung von eben jenem Unternehmen erhalten sollte, das ursprünglich die illegale Abschalteinrichtung verbaute.

Porsche Holding: Urteil „verfehlt“

Auch „steht fest, dass die Klägerin das Fahrzeug in Kenntnis der bei Übergabe eingebauten Software nicht gekauft hätte“, heißt es im Urteil. Schließlich habe die Klägerin ein Recht auf „Wandlung“, also Geld zurück, weil es ihr unzumutbar gewesen wäre, von eben jener Firma, die ihr ein Fahrzeug mit illegaler Abschalteinrichtung verkauft hatte, die Nachbesserung machen zu lassen, so das OLG Wien.

Als „verfehlt“ sieht die Porsche Holding das Urteil des OLG Wien gegen den Händlerbetrieb. Das Fahrzeug sei weiter verkehrs- und betriebssicher und auch die Zulassung sei in keiner Weise gefährdet, daher „besteht keine Grundlage für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages“, hieß es auf APA-Anfrage in einer Stellungnahme der Porsche Holding. Es handle sich um eine „Mindermeinung“, „der betroffene Händlerbetrieb wird gegen dieses Urteil selbstverständlich ein Rechtsmittel einlegen“.

Bisher 38 Urteile in Österreich

Erst kürzlich hätten die Oberlandesgerichte Wien, Innsbruck und Linz in ähnlich gelagerten Fällen zu Gunsten der betroffenen Händlerbetriebe entschieden. „Bisher sind in Österreich bereits 38 Urteile der vier Oberlandesgerichte (Wien, Linz, Graz und Innsbruck) ergangen, 33 dieser Urteile haben die Position der Händlerbetriebe und Herstellerinnen bisher bestätigt und Ansprüche von Fahrzeughaltern verneint“.

Das OLG Wien ließ zu seinem Urteil eine ordentliche Revision zu, weil der Entscheidung aufgrund der Vielzahl an zum „VW-Skandal“ gerichtsanhängigen Verfahren eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Aus Sicht von Alexander Holzleitner, geschäftsführender Gesellschafter der Poduschka Anwaltsgesellschaft, treffen aber die Ausführungen des OLG Wien grundsätzlich auf jeden geschädigten Autokäufer zu.

„Kein Interesse an manipuliertem Fahrzeug“

Es sei erfreulich, „dass der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Rückabwicklung berechtigt und sich die Geschädigten nicht auf das Softwareupdate verweisen lassen müssen“. Auch stelle das Urteil klar, „dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Konsument Interesse an einem manipulierten Fahrzeug hat“.

Als großen Erfolg verbucht die Poduschka Anwaltskanzlei auch die ungewöhnliche Berechnung für den „Restwert“ des Fahrzeuges. Sie argumentierte, dass ein Golf 250.000 km gefahren werden kann und die Käuferin davon nur 25.000 km oder zehn Prozent gefahren sei - der Restwert betrage daher 90 Prozent des Kaufpreises. Handelsgericht Wien und OLG Wien bestätigten diese Berechnungsweise. Nach den handelsüblichen Listen verliert ein Fahrzeug in den ersten drei Jahren rund die Hälfte seines Wertes.

Der Erfolg von Irrtumsklagen gegen Autohändler, die die Rückabwicklung des Kaufvertrags begehren, hängt de facto davon ab, ob die Richter den Klägern glauben, dass sie das Fahrzeug nicht gekauft hätten, wenn sie um die Manipulation der Schadstoffwerte gewusst hätten. Bei Schadenersatzklagen, also Klagen auf Wertminderung, spielt diese Frage hingegen keine Rolle. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und auch andere Prozessfinanzierer schlagen daher den Schadenersatzweg ein - sie gehen direkt gegen die deutsche Volkswagen AG vor.

VW-Fahrer in OÖ bekam Geld zurück

Im November des Vorjahres hatte ein VW-Fahrer ebenfalls im Zuge des Abgasskandals vor dem Welser Landesgericht recht bekommen. Der Kaufvertrag musste daher aufgehoben werden. Es war eines der wenigen Urteile, in denen der Fahrer und nicht der VW-Konzern recht bekommen hat - mehr dazu in Urteil: VW-Fahrer bekommt Geld zurück (ooe.ORF.at).

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