NS-Liederbuch: Gutachter abgelehnt

Bei den Ermittlungen wegen antisemitischer Texte in einem Liederbuch, das von der Burschenschaft Bruna Sudetia stammen soll, ist nun der Gutachter vom Oberlandesgericht Wien (OLG) abgelehnt worden. Es bestehe der „Anschein seiner Befangenheit“.

Ermittelt wird wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gemäß Verbotsgesetz und Verhetzung. Laut „Falter“ sollen in dem Liederbuch der Burschenschaft Bruna Sudetia Texte mit antisemitischem Inhalt enthalten sein. Vorsitzender der Burschenschaft ist Herwig Götschober, der Pressereferent von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) - mehr dazu in Liederbuch: Staatsanwalt ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Wien hatte das Verfahren im Februar eingeleitet.

Liederbuch der Burschenschaft "Bruna Sudetia

APA/Falter

Laut einem Bericht der Zeitschrift „Falter“ gehört auch das antisemitische Liederbuch der Bruna Sudetia

Im März wurde ein Sachverständiger bestellt, der klären sollte, ob und welche NS-Inhalte im Buch vorkommen. Gegen ihn legten die Beschuldigten aber Beschwerde ein, weil sie seine Objektivität bezweifelten. Die Beschwerde wurde aber zunächst abgewiesen. „Seit kurzem arbeitet der Gutachter“, hieß es im Juni von der Staatsanwaltschaft - mehr dazu in NS-Liederbuch: Gutachter am Zug. Doch nun waren die Beschuldigten beim Oberlandesgericht Wien erfolgreich, bestätigt ein OLG-Sprecher gegenüber wien.ORF.at.

Gutachter für DÖW tätig

Der Sachverständige arbeitet für das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW). Eine „einseitige politische Motivation“ des DÖW – wie von den Beschuldigten vorgebracht - ist nach Auffassung des OLG zwar nicht gegeben. Aber in der Begründung zur Ablehnung heißt es: „Hier liegen (...) aus objektiver Sicht erhebliche Anhaltspunkte für das Fehlen des äußeren Anscheins der erforderlichen Neutralität vor“.

„Problematisch“ sei, dass das DÖW selbst auf der Startseite seiner Homepage einen „Rechtsextremismus-Ticker“ betreibt, in dem sich auch mehrere Einträge zur Burschenschaft finden und die auch Links zu Zeitungsartikeln enthalten, die das konkrete Ermittlungsverfahren thematisieren. „Evident ist damit, dass das DÖW konkret die Aktivitäten der Burschenschaft einschließlich des hier relevanten Vorwurfs im Blick hat und das hier zu prüfende Tatgeschehen öffentlich einsehbar bereits als ‚rechtsextrem‘ verortet hat“, heißt es in der Begründung.

„Ungeachtet der persönlichen Haltung des bestellten Sachverständigen begründet daher schon seine berufliche Tätigkeit als Betreuer der Rechtsextremismus-Sammlung im DÖW im konkreten Fall den Anschein seiner Befangenheit“, heißt es weiter. Auf die Frage, ob nun ein neuer Gutachter bestellt werde, hieß es von der Staatsanwaltschaft Wien gegenüber wien.ORF.at, dass man die Entscheidung analysieren müsse und erst dann Auskünfte zum weiteren Vorgehen geben könne. Ob es zu einer Anklage oder einer Einstellung des Verfahrens kommt, wird jedenfalls noch dauern.

DÖW: „Nicht als rechtsextrem eingestuft“

In einer ersten Reaktion verwies das DÖW am Sonntag darauf, dass der Gutachter „nicht in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter des DÖW“, sondern aufgrund seiner „anerkannten Expertise zum Forschungsfeld Burschenschaften“ ausgewählt wurde - und zwar „ad personam“.

Weiters hielt das DÖW fest: „Eine Einstufung der betreffenden Burschenschaft war nicht Gegenstand der Befundaufnahme und wurde in ihrem Rahmen auch nicht vorgenommen. Auch das DÖW hat die Burschenschaft bislang nicht als rechtsextrem eingestuft (wohl aber darauf hingewiesen, dass sie einer rechtsextremen Vereinigung - der Burschenschaftlichen Gemeinschaft - angehört)“.

Götschober nur kurz außer Dienst

Aufgekommen waren die Vorwürfe gegen die Burschenschaft, nachdem der Stadtzeitung „Falter“ Anfang des Jahres ein Liederbuch mit judenfeindlichen Strophen zugespielt worden war, das von der Bruna Sudetia stammen soll. In dem Liederbuch findet sich unter anderem die Liedzeile „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ - eine Verhöhnung des Massenmords an den Juden in der NS-Zeit.

Nach dem Bericht im „Falter“ war es am 21. Februar auch zu einer Hausdurchsuchung der „Bude“ der Burschenschaft in der Josefstadt gekommen. Dabei seien mehrere Kisten mit ihm unbekanntem Material beschlagnahmen worden, sagte Götschober - mehr dazu in Liederbuch: Götschober will interne Aufarbeitung.

Götschober bei Pressekonferenz

APA/Georg Hochmuth

Götschober betonte wiederholt, das Liederbuch nicht zu kennen

Nach der Einleitung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft hatte der Vorsitzende der Burschenschaft um die sofortige Beurlaubung im Büro des Bundesministers angesucht, bis die Vorwürfe restlos aufgeklärt sind. Anfang März war Götschober aber bereits wieder im Verkehrsministerium im Dienst, wie eine parlamentarische Anfrage zeigte.

Damals ließ Hofer per Aussendung mitteilen, dass Götschober wieder im Ministerium arbeitet, weil er sich „persönlich nichts zu Schulden kommen hat lassen“ und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch laufen würden. Götschober betonte stets, das Liederbuch, das dem „Falter“ zugespielt worden war, nicht zu kennen. Ein der APA übermittelter Scan der „Liedertexte“ der Burschenschaft Bruna Sudetia unterschied sich von jenen, die sich im „Falter“ veröffentlichten „Liederbuch“ befanden.

Hubert Kickinger, wien.ORF.at