Hebein hält an Koalition mit SPÖ fest

Die 51-Jährige Sozialarbeiterin Birgit Hebein wird die Wiener Grünen künftig anführen. Am Tag nach dieser Entscheidung stellt sie vor allem eines eindeutig klar: Hebein will die rot-grüne Koalition in Wien nicht vorzeitig beenden.

„Rot-Grün müssen für die Wienerinnen und Wiener arbeiten“ und „Wir tragen eine enorm große Verantwortung in unserer Stadt“: Zwei Sätze, mit denen Hebein am Abend als Gast im „Wien heute“-Studio bei Chefredakteur Paul Tesarek den Fortbestand der Koalition aus SPÖ und Grünen im Wiener Rathaus beschwor. Bei Mindestsicherung oder etwa dem Alkoholverbot Praterstern und einer möglichen Ausweitung sei klar, dass es verschiedene Meinungen gibt. Hier sei aber vor allem wichtig, „das was gemeinsames entsteht“, so wie gerade bei der Novelle der Bauordnung geschehen.

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Birgit Hebein im „Wien heute“-Studio:

Die Nachfolgerin von Maria Vassilakou, Birgit Hebein, hält nichts von vorgezogenen Neuwahlen und setzt auf den Fortbestand von rot-grün.

Schon am Vormittag hatte Hebein gegenüber Radio Wien ihre Überzeugung betont, „dass es bis zum letzten Tag eine gute Zusammenarbeit geben wird“. Folglich hält die neue Spitzenkandidatin der Grünen auch nichts von vorgezogenen Neuwahlen.

„Willkommen im neuen Leben“

Damit ist klar, dass die Amtsübergabe von der Grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou an Hebein noch ein Stück weit vor der nächsten Wien-Wahl - so sie wie geplant im Herbst 2020 über die Bühne geht - stattfinden wird. Wann genau, ist noch offen: „Ich habe morgen (Mittwoch, Anm.) ein erstes Gespräch mit Maria Vassilakou. Wir werden das gemeinsam entscheiden.“ Die Noch-Frontfrau habe sie jedenfalls in der Früh schon angerufen und gemeint: „Willkommen im neuen Leben.“

Birgit Hebein

APA/HELMUT FOHRINGER

Hebein präsentierte sich am Dienstag als Siegerin bei der parteiinternen Briefwahl der Grünen

Für den Politikexperten Thomas Hofer ist Hebein indes eine „Kampfansage“ an den SPÖ-Koalitionspartner: „Es wird möglicherweise relativ bald krachen in der Koalition“, so Hofer gegenüber Radio Wien - mehr dazu in Politikexperte: Hebein „Kampfansage an SPÖ“. Die weitere Vorgehensweise in anstehenden Fragen mit Konfliktpotenzial - Stichwort Lobautunnel und Citymaut - werde man gemeinsam diskutieren, so Hebein weiter. Sie werde sich nun erst einmal intensiv mit Vassilakou beraten.

„Natürlich mache ich linke Politik“

„Ich stehe für Menschlichkeit, Menschenwürde und eine nachhaltige Umwelt, und wenn das links ist, was ist dann bürgerlich?“, so Hebein auf die Frage, ob sie sich selbst als Linke bezeichnen würde. „Natürlich mache ich linke Politik - was denn sonst?“ Man müsse sich vor linker Politik nicht fürchten, so Hebein. Die 51-Jährige kündigte bei ihrem ersten Medienauftritt nach ihrer Kür an, die ökologische und die soziale Frage verstärkt miteinander verknüpfen zu wollen.

Grafik zeigt factsheet über Birgit Hebein und die Stimmenanteile der Gemeinderatswahlen seit 1983 (Säulengrafik)

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Wow, ich bin noch immer sehr beeindruckt von dem enormen Zuspruch. Das sickert erst schön langsam“, zeigte sich Hebein wenige Stunden nach ihrem Sieg bei der Spitzenwahl emotional. Das Ergebnis war erst in der Nacht verkündet worden. Wie die Partei mitteilte, beteiligten sich letztlich 2.600 Menschen an dem grünen Urnengang - mehr dazu in Grüne: Hebein neu an Spitze (wien.ORF.at; 26.11.2018) und Birgit Hebein wird neue Frontfrau (news.ORF.at).

Sie wolle die durch das Briefvotum angestoßene Öffnung der Partei - Stichwort externe Wählerinnen und Wähler - jedenfalls weiter fortführen. Und sie wolle auch auf die vielen Ideen ihrer unterlegenen Mitstreiter nicht verzichten, wie sie versicherte. Ob David Ellensohn demnach Klubchef bleibt? „Das werden wir gemeinsam entscheiden“, wollte sie sich vorerst nicht festlegen.

„Volle Unterstützung“ von Vassilakou

Vassilakou sicherte Hebein am Dienstag „volle Unterstützung“ zu. „Mit Birgit Hebein setzen die Grünen ein starkes Zeichen für Solidarität und soziale Gerechtigkeit“, so Vassilakou. Die Spitzenwahl sei „eines der größten Demokratieprojekte der österreichischen Parteiengeschichte“ gewesen.

Vassilakou

ORF

Vassilakou sichert Hebein ihre Unterstützung zu

Hebeins Konkurrenten Ellensohn und Kraus gratulierten der neuen Grünen Nummer eins noch in der Nacht auf Twitter. „Gratuliere Birgit! Danke für die fair geführte Spitzenwahl“, schrieb Ellensohn. „Ich konnte gerade Birgit Hebein zur gewonnen Spitzenwahl gratulieren. Danke an euch alle für die Unterstützung in den letzten Wochen. Ich bin unglaublich dankbar für die vielen tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte“, twitterte Kraus.

SPÖ will weiter „konstruktiv zusammenarbeiten“

Die Wiener SPÖ versicherte am Dienstag, dass sie die Koalition mit den Grünen unter Hebein fortsetzen wolle. „Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin sehr gut und konstruktiv zusammenarbeiten werden“, sagte Landesparteisekretärin Barbara Novak. Neuwahlen sind also kein Thema für die Wiener SPÖ: „Bis zur nächsten Wahl sind es noch zwei Jahre, und bis dahin werden wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner konstruktiv im Sinne der Wienerinnen und Wiener weiterarbeiten.“ Sie gratuliere Hebein „ganz herzlich“: „Es ist immer schön, wenn eine Frau eine Organisation leitet, aus meiner feministischen Perspektive“, sagte sie.

Reaktionen der Opposition

„Herzlichen Glückwunsch zur Wahl“, gratulierte NEOS-Klubchef Christoph Wiederkehr auf Twitter. „Gut, dass es nach der langen Zeit der Personalsuche endlich eine Entscheidung gibt“, stellte ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel in einer schriftlichen Stellungnahme fest. „Jetzt muss es endlich um Wien gehen. Denn die Arbeit für die Stadt ist auf der Strecke geblieben.“

FPÖ-Klubchef Toni Mahdalik kommentierte das Ergebnis der Spitzenwahl in einer Aussendung mit den Worten: „Ob Hebein, Ellensohn oder Kraus - selbst wenn die Birkenstock-Truppe ankündigt, mit Birgit Hebein eine neue Richtung einzuschlagen, muss man davon ausgehen, dass diese den politischen Irrweg von Maria Vassilakou weiter in Richtung Abgrund fortsetzen wird.“

Kraus in drei Runden voran

Hebein ging erst auf den letzten Metern als Gewinnerin hervor. Denn lange Zeit hatte Kraus die Nase vorn, geht aus der Auswertung der Stimmen hervor. Die Grünen hatten für das Briefvotum erstmals ein „Instant-Runoff“-System - also eine Art eingebaute Stichwahl - angewendet: Um das Rennen zu machen, brauchte man mindestens 50 Prozent plus eine Stimme. Deshalb konnten die Wählerinnen und Wähler nicht nur ihren Favoriten angeben, sondern auch die restlichen Kandidaten reihen.

Die KandidatInnen für die Spitzenwahl der Wiener Grünen vlnr.: Benjamin Kaan, David Ellensohn, Marihan Abensperg-Traun, Birgit Hebein und Peter Kraus anl. eines 1. Hearings

APA/Hochmuth

Die Kandidatinnen und Kandidaten beim Auftakt der parteiinternen Wahl

Insgesamt vier Auszählungsrunden, bei denen die Reihungen dann schlagend wurden, brauchte es am Montagabend, bis es mit Hebein eine klare Gewinnerin gab. Bis zur dritten Runde hatte sie Platz zwei erreicht, Konkurrent Kraus lag hier stets vorne. Ellensohn lag von Beginn an deutlich abgeschlagen auf dem letzten Platz unter den drei Favoriten, zeigt schon die Auswertung aller Erststimmen. Kraus kam hier auf 933 Stimmen, Hebein auf 846 und Ellensohn auf 598.

Außenseiter weit abgeschlagen

Die beiden Außenseiteranwärter, der Meidlinger Bezirksrat Benjamin Kaan und die Ärztin Marihan Abensperg-Traun, erhielten 86 bzw. 59 Stimmen. Sie schieden in den nächsten beiden Durchgängen auch aus, die jeweiligen Zweit- und Drittstimmen wurden den Konkurrenten zugerechnet. Erst die Aufteilung der Reihung von Ellensohns Wählern brachte somit das eindeutige Ergebnis - und somit die entscheidende Wende. Denn Hebein konnte im letzten Auszählungsdurchgang Kraus noch überholen und siegte mit 1.244 zu 1.138 Stimmen.

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