Hebein schwört Basis auf Neuanfang ein

Die neue grüne Spitzenkandidatin Birgit Hebein hat heute ihren ersten großen Auftritt vor der Parteibasis absolviert. Sie schwor rund 200 Grüne auf der Landesversammlung in Floridsdorf auf einen gemeinsamen Neuanfang ein.

Man sei „die einzige solidarische und ökologische Alternative der Stadt“, so Hebein bei der mit Spannung erwarteten Antrittsrede. Die Fortsetzung der Koalition mit der SPÖ sei für sie eine Frage der Vernunft. Hebein erteilte jeglichen „Spekulationen und Spaltungsversuchen“ eine Absage: „Sicher nicht mit uns.“

Allerdings möchte sie die grünen Positionen künftig noch deutlicher artikulieren. Hebein kündigte zudem einen Umbau und eine weitere Öffnung der Partei an. „Ich möchte, dass wir schlagfertiger werden, dass wir mehr Aktionismus machen können.“

Ihre Freude sei riesig, genauso groß sei ihr Respekt vor den auf sie zukommenden Aufgaben, sagte Hebein zu Beginn ihrer mit Spannung erwarteten Antrittsrede nach ihrer Wahl vor wenigen Tagen. Sie verneige sich vor ihren Kontrahenten und wolle niemals auf ihre Expertise verzichten: „Nur gemeinsam schaffen wir das.“ Dankesworte gingen auch an die „brückenbauenden Worte“ und die bisherige „enorme“ Arbeit von Noch-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

Lernen von den deutschen Grünen

Hebein kam auf ihre Visionen zu sprechen und wies auf die Erfolge der grünen Stadtpolitik hin: vom 365-Euro-Jahresticket über die neue Mariahilfer Straße bis zu günstigerem Wohnen. „Menschenrechte sind unteilbar, ich verhandle nicht“, nannte die frühere Sozialsprecherin eines ihrer Grundprinzipien. „Jeder Mensch ist gleich viel wert.“ Die meisten Menschen wollten Frieden, „und wir werden dazu beitragen.“

Angriffen gegen die liberale Demokratie „durch Islamismus, Rechtsextremismus oder die gegenwärtige Bundesregierung“ müsse man entschieden entgegentreten. Viel lernen könne man etwa von den deutschen Grünen, deren „Optimismus, Klarheit und Mut“ die frischgebackene Spitzenkandidatin hervorhob.

Absage an Lobautunnel, Zustimmung für Citymaut

Man bleibe außerdem auf jeden Fall eine Ökopartei: „Grün heißt: weniger Abgase, weniger Feinstaub.“ Dementsprechend erteilte sie dem Lobautunnel eine klare Absage. Eine Autobahn durch ein Naturschutzgebiet sei - „ich muss aufpassen, dass ich höflich bleib“ - nicht „vernünftig“. Sie appellierte an Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), hier „Verantwortung“ zu übernehmen und das Vorhaben zu stoppen.

Außerdem wisse man, dass 250.000 Pendler „reinrauschen“ in die Stadt. „Sobald wir das Thema City-Maut erwähnen, kommen wir wieder in eine Verteidigungshaltung“, zeigte sie sich betrübt: „Leute, wir können mit viel mehr Selbstbewusstsein in so eine Diskussion reingehen.“ Die Maßnahme ist laut Hebein nicht gegen Pendler gerichtet. Denn auch diese würden im Stich gelassen, weil Niederösterreich keine Alternativen ermögliche.

„Heute bin ich bloß die Vorband“

Vassilakou eröffnete zuvor die halbjährlich stattfindende Landesversammlung der Grünen. Es ist jedoch nicht Vassilakous letzte Landesversammlung, die symbolische Übergabe an Hebein ist erst für den nächsten Termin geplant. Denn noch steht nicht fest, wann Hebein genau auch Stadträtin und Vizebürgermeisterin wird. Das soll sich in den kommenden Wochen entscheiden - mehr dazu in Hebein hält an Koalition mit SPÖ fest.

Grüne Landesversammlung Hebein

ORF

Viele Sesselreihen blieben bei der halbjährlichen Landesversammlung frei

Erst die nächste Landesversammlung werde ihrer Verabschiedung dienen, so Vassilakou in ihrer Eröffnungsrede. „Spart euch die Blumen und Tränen für das nächste Mal. Heute bin ich bloß die Vorband. Der heutige Tag gilt Birgit.“ Es folgte starker Applaus. Mit der Spitzenwahl habe man den ersten Schritt in neue Zeiten gemacht. Der Wahlkampf sei sehr fair gewesen, was niemand für möglich gehalten habe. Die letzten Monate hätten die Grünen verändert, so Vassilakou. Wien lasse niemanden im Stich, dafür stehe Rot-Grün.

„Da kommt etwas auf uns zu“

Vassilakou bedankte sich bei Hebein für die Rückendeckung der vergangenen Jahre. Das bekomme sie jetzt „mit Zinsen und Zinseszinsen“ zurück. Ihr Wahlsieg überrasche sie nicht, so Vassilakou. Hebein sei nicht nur ein unermüdliches Arbeitstier, sondern auch ein strategischer Kopf. „Da kommt etwas auf uns zu.“ Nun gelte es, der neuen Nummer eins „volle Rückendeckung“ zu geben. Denn immerhin seien die nächsten Wahlen - sie finden regulär 2020 statt - von historischem Ausmaß, so Vassilakou an die Parteianhängerinnen und -anhänger.

Grüne Landesversammlung Vassilakou

APA/Herbert Neubauer

Vassilakou sicherte Hebein ihre „volle Unterstützung und Loyalität“ zu

Denn „Rechts mit Rechtsaußen“ marschiere Schulter an Schulter und habe Wien als Hauptangriffsziel auserkoren. Es brauche Rot-Grün gerade in diesen Zeiten. „Es wird uns brauchen, weil es mit dem Verbot von strategisch ausgesuchten Kopfbedeckungen beginnt und mit Dingen weitergeht, die man nicht ablegen kann - mit der Hautfarbe oder der Art und Weise, wie man liebt“, übte Vassilakou heftige Kritik an der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung.

„Phrasendreschmaschine“ und Fußmassage

Zum Schluss wünschte Vassilakou ihrer Nachfolgerin Glück, Ausdauer und Spontaneität. Entsprechend überreichte sie Hebein drei Geschenke: Glücksklee, eine mobiles Fußmassagegerät und eine „Phrasendreschmaschine“, da man immer eine Antwort parat haben müsse, „wenn einem jemand die Gurke vor die Nase hält“. Vassilakou versprach Hebein ihre „volle Unterstützung und Loyalität“: „Ich bin unglaublich stolz auf dich. Viel Erfolg.“

Peter Kristöfel neuer Landessprecher

Die Wiener Grünen haben jetzt auch einen neuen Landessprecher: Peter Kristöfel wurde bei der Landesversammlung als Nachfolger des zurückgetretenen Joachim Kovacs gewählt - mit 56,7 Prozent der Stimmen. Er konnte sich gegen zwei Gegenkandidaten durchsetzen. Der gebürtige Grazer Kristöfel (41), der nach eigenen Angaben „seit dem Kindergarten“ in Wien wohnt, ist seit 2015 Bezirksrat in Döbling.

Grüne Landesversammlung Kristöfel

APA/KARO PERNEGGER

Die Wiener Grünen haben einen neuen Landessprecher: Peter Kristöfel

Außerdem war der Mathematik- und Physiklehrer zuletzt in den Erneuerungsprozess der Wiener Partei involviert. Seine Rolle sieht er darin, intern auf die Partei einzuwirken, „um mit einer geeinten Stimme nach außen aufzutreten“. Ob Kristöfel bei der Spitzenwahl für die spätere Siegerin Hebein gestimmt hat, wollte der neue Landessprecher der APA nicht verraten. Kristöfel setzte sich bei der Entscheidung gegen Menschenrechtsanwalt Georg Bürstmayr und Nicolas Pawloff, Sohn von Grünen-Urgestein Freda Meissner-Blau, durch. Sie erreichten nur 25,77 bzw. 17,53 Prozent der gültigen Delegiertenstimmen.

Der Landessprecher fungiert bei den Wiener Grünen nicht im klassischen Sinn als Parteichef. In erster Linie nimmt er parteiinterne Aufgaben wahr. Der bisherige Amtsinhaber Kovacs zog sich bereits im Sommer aus der Funktion zurück - mehr dazu in Kandidatur und Rücktritt bei Grünen.

Weitere Listenplätze Thema

Thema auf der Landesversammlung ist auch, wer hinter Hebein auf der Liste der Grünen für die nächste Gemeinderatswahl steht. Die Erstellung dieser Liste sorgte bei den Grünen - Stichwort Peter Pilz - immer wieder einmal für Unruhe. Deshalb wollen die Wiener Grünen jetzt einen neuen Wahlmodus etablieren. Wie genau der aussehen könnte, ist noch nicht klar. Aber auch hier soll die Öffnung der Partei vorangetrieben werden. Dieser Teil der Veranstaltung ist nicht medienöffentlich.

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