Tödlicher Fenstersturz: bedingte Haft

Am 26. April ist ein viereinhalb Jahre alter Bub aus einem Fenster einer Wohnung in der Donaustadt in den Tod gestürzt. Heute wurden sein Vater und seine Stiefmutter wegen grob fahrlässiger Tötung zu bedingten Haftstrafen verurteilt.

Ein Schöffensenat verhängte im Straflandesgericht Wien über den 28-jährigen Vater eine bedingte Haftstrafe in Höhe von eineinhalb Jahren. Die gleichaltrige Ex-Partnerin erhielt ein Jahr Haft bedingt. Entgegen der Anklage, die dem Paar gröbliche Vernachlässigung zur Last gelegt hatte, wurden die beiden wegen grob fahrlässiger Tötung schuldig erkannt. Die Staatsanwaltschaft legte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Die Urteile sind somit nicht rechtskräftig.

Das hatte hinsichtlich des Strafrahmens entscheidende Bedeutung. Wäre der Senat der Staatsanwaltschaft gefolgt, hätten die Angeklagten mit einer Strafe zwischen einem und zehn Jahren rechnen müssen. Auf das vom Gericht angenommene Delikt sieht das Gesetz dagegen maximal drei Jahre Haft vor.

Wohnhaus in Wien-Donaustadt

APA/Herbert P. Oczeret

Beim Sturz aus der Wohnung in Wien-Donaustadt hatte der Vierjährige keine Überlebenschance

Angeklagte trafen „Fehlentscheidungen“

Der Vater wurde schuldig gesprochen, weil er den gerichtlichen Feststellungen zufolge das Fenster im Kinderzimmer zum Lüften „sperrangelweit“ (Richterin) geöffnet und über einen Zeitraum von mehreren Stunden in diesem Zustand belassen hatte. Die Stiefmutter wurde deshalb verurteilt, weil sie laut erstinstanzlichem Urteil den quengelnden Buben ins Kinderzimmer geschickt hatte, obwohl sie wusste, dass das Fenster offen stand.

Am Ende des Beweisverfahrens habe sich kein Hinweis gefunden, dass die Angeklagten den Tod des Buben „sehenden Auges“ in Kauf genommen hätten. Sie hätten jedoch „Fehlentscheidungen getroffen“, so die Richterin. „Es wird nie eine gerechte Strafe dafür geben, dass Eltern ihr Kind verlieren“, hielt die Richterin abschließend fest.

Während die Stiefmutter bereits während der Urteilsverkündung schluchzte, zeigte sich der Vater nach der Verhandlung sichtlich emotional bewegt. Im Gerichtssaal hatte der 28-Jährige noch Fassung bewahrt, nachdem er diesen verlassen hatte, ging er am Gang in die Knie und vergrub sein Gesicht in beiden Händen.

Im siebten Stock aus Fenster gestürzt

In der alten Wohnung stürzte einmal eine Katze aus dem Fenster. In der neuen Wohnung in Hirschstetten machte sich eine Nachbarin wegen des offenen Fensters Sorgen, erzählten Sozialarbeiter, die die Familie betreut hatten, dem Gericht. Der kleine Leon sei verhaltensauffällig und emotional vernachlässigt gewesen. Doch die Stiefmutter war bemüht, hieß es. Eine Sozialarbeiterin war im April kurz vor dem tödlichen Sturz in der Wohnung in der Donaustadt. Sie fand dort eher beengten Verhältnissen vor, hatte aber keinen Grund zu Beanstandungen gesehen.

20 Minuten nach dem Besuch des Jugendamts passierte die Tragödie. Die Stiefmutter schickte den vierjährigen Buben, ohne zu schauen, ins Kinderzimmer. Das Fenster, das der Vater geöffnet hat, stand sperrangelweit offen. Der Bub stürzte aus dem siebenten Stock in den Tod.

Vater bekannte sich nicht schuldig

Der Vater des Buben hatte am ersten Verhandlungstag angegeben, sich nicht schuldig zu fühlen. Er habe seine Aufsichtspflicht nicht verletzt, meinte seine Verteidigerin. Die Frage, weshalb das Fenster im Kinderzimmer über Stunden hinweg offen war und auch dann nicht geschlossen wurde, als sein Sohn in diesen Raum geschickt wurde, konnte der Mann nicht beantworten.

Er wirkte psychisch angeschlagen. Nachbarn hätten damals an der Gegensprechanlage geläutet, nachdem sein Sohn in die Tiefe gestürzt war. „Ich bin runtergelaufen, habe zwei bis drei Stufen auf ein Mal genommen. Wie ich unten mein Kind gesehen habe, bin ich beim Postkastl zusammengebrochen“, schilderte der 28-Jährige.

Seine Lebensgefährtin war zur Anklage geständig. „Ich bekenne mich schuldig dafür, dass ich ihn reingeschickt und nicht reingeschaut habe“, meinte die 28-Jährige. „Das ist für mich Mord“, hatte die leibliche Mutter des vierjährigen Buben am ersten Verhandlungstag gesagt - mehr dazu in Kind bei Fenstersturz getötet: Prozess vertagt.

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