Wien hat Anwesenheitskontrollen für Flüchtlinge

Die türkis-blaue Bundesregierung plant eine nächtliche Anwesenheitspflicht für Asylwerber in staatlicher Betreuung. In den von der Stadt Wien betriebenen Quartieren, können sich Flüchtlinge frei bewegen, ihre Anwesenheit wird aber kontrolliert.

Keine Anwesenheitspflicht, aber eine Anwesenheitsprüfung: In den Wiener Flüchtlingsquartieren haben die Bewohnerinnen und Bewohnern Hausschlüssel. Ob die Asylwerber da sind, wird täglich kontrolliert, aber sie können sich frei bewegen. Wer allerdings länger als drei Tagen weg ist, wird vom Quartier abgemeldet und hat dann dadurch keinen Anspruch auf Grundversorgungsleistungen mehr, heißt es vom Fonds Soziales Wien (FSW) auf Anfrage von Radio Wien.

Derzeit leben mehr als 15.000 Flüchtlinge in der Wiener Grundversorgung. Davon sind rund 4.500 Personen in 51 organisierten Quartieren untergebracht. Sie wären also von der geplanten, nächtlichen Anwesenheitspflicht betroffen. Die Mehrheit wohnt privat.

Diskussion um Ausgangssperre für Asylwerber

Die Regierung möchte, dass Asylwerber bis 22 Uhr in ihrem Quartier sind. Der Fonds Soziales Wien hält davon nichts. Eine Hausordnung gibt es aber.

FPÖ prüft „Anwesenheitspflicht“ für Asylwerber

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) arbeitet an einer Regelung für eine „Anwesenheitspflicht“ für Asylwerber und Asylwerberinnen. Ein entsprechender Bericht der Tageszeitung „Österreich“ (Montag-Ausgabe) wurde gestern Abend von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ bestätigt.

Eine Hausordnung mit einer „Anwesenheitspflicht“ für Flüchtlingsquartiere sei gesetzlich möglich, so Strache, der in Abrede stellte, dass es dabei um ein Ausgehverbot gehe. Vielmehr sei die „Anwesenheitspflicht“ zumutbar und vergleichbar etwa mit einem „Kuraufenthalt“ oder dem Dienst von Soldaten beim Bundesheer. Ziel sei es, das „Zusammenrotten“ und „Herumlungern“ sowie exzessiven Alkoholkonsum und Gewalttaten der Betroffenen zu verhindern.

FSW: „Dagegen, Menschen zu kriminalisieren“

FSW-Geschäftsführerin Anita Bauer ist gegen eine Ausgangssperre. „Ich verwehre mich dagegen, Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, zu kriminalisieren. Es gibt Hausordnungen in den Einrichtungen und es darf nicht sein, dass diese im Widerspruch zu unserem allgemein geltenden Recht stehen“, so Bauer. Derzeit stellt der FSW den Trägerorganisationen teils einen unverbindlichen Vorschlag zur Hausordnung zur Verfügung. Darin wird unter anderem die Nachtruhe geregelt.

„Diese ist von 22.00 bis 6.00 Uhr. In dieser Zeit ist Lärm zu vermeiden und Radio-, Fernsehgeräte sind auf Zimmerlautstärke zu drehen. Der Nachtdienst ist berechtigt, bei Nichtbeachten der Nachtruhe die Lärmquelle abzunehmen und zu verwahren. Auch Besuche sind während dieser Zeit nicht möglich. Der Großteil der organisierten Wohneinrichtungen regelt das Ein- und Ausgehen mit Hilfe eines Nachtportiers“, heißt es vom FSW.

Verfassungsjuristen zu Anwesenheitspflicht skeptisch

Die Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk und Theo Öhlinger sind skeptisch, was eine von der türkis-blauen Bundesregierung geplante nächtliche Anwesenheitspflicht für Flüchtlinge beziehungsweise Asylwerber in staatlicher Betreuung betrifft. Laut Öhlinger könnte es sich um einen Eingriff in die persönliche Freiheit handeln.

„Maßgeblich ist, ob die Personen freiwillig in einem Heim wohnen oder dort mit behördlicher Verfügung eingewiesen werden. Wenn sie freiwillig dort sind, müssen sie sich der Hausordnung beugen“, diese dürfte aber nicht schikanös sein, erklärte Öhlinger gegenüber der APA. „10 Uhr (abends, Anm.) ist indiskutabel für erwachsene Menschen“, setzt er nach. Schwierig werde es, wenn Personen in ein Heim zugeordnet werden: „Dann wäre ein Ausgehverbot ein Eingriff in die persönliche Freiheit, für den ich nirgendwo eine verfassungsrechtliche Grundlage sehe“, so der Verfassungsjurist.

Auch für Funk könnte eine Anwesenheitspflicht als Freiheitsbeschränkung wirken, wie er im Ö1-„Mittagsjournal“ am Montag erläuterte. Entscheidend sei, wie eine solche konkret durchgeführt werde: „Wird der oder die Betreffende ausfindig gemacht, zwangsweise in das Heim verbracht, vielleicht mit der Polizei gesucht?“ Ein genereller „Misstrauensvorschuss“ bedeute, es handle sich um gefährliche Menschen, die für eine Zeit weggesperrt werden: „Und das ist es ja und das läuft auf eine unzulässige Beschränkung der persönlichen Freiheit hinaus.“ - mehr daszu in oe1.ORF.at.