Heumarkt: Gutachten hält Bund für zuständig

Ein Gutachten zum Bauprojekt am Heumarkt sieht den Bund für den Erhalt des UNESCO-Welterbe-Status der Wiener Innenstadt verantwortlich. Der Verfassungsjurist Theo Öhlinger bezieht sich darin auf staatsvertragliche Verpflichtungen.

In Auftrag gegeben hatte das Gutachten der JETZT-Abgeordnete Wolfgang Zinggl, der die Regierung auffordert, gegen den Bau des Wohnhausturms vorzugehen. „Der Bund ist für die Einhaltung staatsvertraglicher Verpflichtungen ungeachtet ihrer innerstaatlichen Zuordnung nach der Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern verantwortlich“, heißt es im Gutachten

Kommt Artikel 16 der Bundesverfassung zum Einsatz?

Österreich sei mit der sogenannten Welterbekonvention eine völkerrechtliche Verpflichtung eingegangen, sagte Verfassungsjurist Öhlinger im Ö1-Morgenjournal. „Österreich verpflichtet sich damit, das Weltkulturerbe mit diesem Vertrag mit allen vorhandenen Mitteln zu schützen.“

Rendering neues Konzept für Heumarkt

Isay Weinfeld&Sebastian Murr

Das Heumarkt-Areal: Neugestaltung vom Intercontinental bis zum Konzerthaus

Der Erhalt des Kulturerbes ist in erster Linie Ländersache. Aber, der Artikel 16 der Bundesverfassung besagt: kommt ein Bundesland dieser Aufgabe nicht nach, so ist der Bund verpflichtet, einzuschreiten. Die Bundesregierung habe hier mehrere rechtliche Möglichkeiten, so Öhlinger.

„Die einfachste Maßnahme im konkreten Fall wäre eine Weisung an die Landesregierung bzw. den Landeshauptmann, die entsprechende Verordnung, den Flächenwidmungsplan so zu ändern, dass er im Einklang mit dem Schutz dieses Weltkulturerbes, nämlich die Wiener Innenstadt, steht.“ Diese Weisung könnte laut Öhlinger theoretisch schon morgen ausgestellt werden und ab sofort in Krafttreten. Die Wiener Stadtregierung müsste dieser Folge leisten.

JETZT: Bund muss laut Verfassung einschreiten

Wolfgang Zinggl sieht nun Kulturminister Gernot Blümel von der ÖVP am Zug. Zinggl betonte, dass die Bundesregierung das Weltkulturerbe der Stadt Wien nicht nur retten könne, sie müsse es der Verfassung nach tun.

Die Bundesregierung hatte vor einem Jahr bereits angekündigt, sie wolle das Weltkulturerbe für die Innenstadt erhalten. Sämtliche rechtliche Schritte wolle man mit aller Sorgfalt prüfen - mehr dazu in Weltkulturerbe: Bundesregierung gegen Stadt.

„Der Schaukampf um das Projekt am Heumarkt zwischen Bund und Wien erinnert an das traditionelle Catchen: Die Gegner im Ring machen große Ansagen und bieten der Öffentlichkeit ein Schauspiel, aber in Wahrheit tut keiner dem anderen weh“, kommentierte Jetzt-Kultursprecher Zinggl die derzeitige Situation.

Wolfgang Zinggl

ORF

Wolfgang Zinggl von der Partei JETZT gab Gutachten in Auftrag

Baustart am Heumarkt für 2021 geplant

Das Projekt zur Umgestaltung des Heumarkts - vom Hotel Intercontinental bis zum Konzerthaus - hat im Juni 2017 im Wiener Gemeinderat die notwendige Mehrheit bekommen. Da das geplante 66 Meter hohe Hochhaus des Immobilieninvestors Michael Tojner die Sicht auf das Innenstadtensemble laut UNESCO maßgeblich beeinträchtigt, wurde das historische Zentrum von Wien im Juli 2017 auf die rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt - mehr dazu in Heumarkt: Initiativen gegen Hochhaus.

Die Neugestaltung betrifft eine Fläche von 15.400 Quadratmetern. Im Jahr 2021 sollen die Bauarbeiten für Hotel, Wohnturm und neuen Eislaufplatz beginnen. Die Kosten liegen bei rund 300 Millionen Euro - mehr dazu in Hochhaus bei Eislaufverein: Masterplan fixiert.

Bund will falls möglich Weisung erteilen

Wenig beeindruckt von dem Gutachten zeigte sich der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Der Umstand, dass der Bund für den Erhalt des Weltkulturerbes zuständig ist, sei „keine rasend neue Erkenntnis“, sagte er in einer Pressekonferenz am Montag.

Wien befinde sich in „starkem Einvernehmen“ mit den Zuständigen im Bundesministerium. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir gemeinsam, also die Stadt Wien, die Verantwortlichen im Bund und die Entscheidungsträger der UNESCO, eine entsprechend positive Entwicklung einleiten können.“

Von Kulturminister Blümel hieß es am Montag: Falls sich rechtlich dazu die Möglichkeit ergibt, werde er eine Weisung zur Wahrung des Prädikats Weltkulturerbe für das historische Zentrum Wiens erteilen. Konkrete Angaben könne man dazu noch nicht machen, wurde im Büro des Ministers betont. Denn man kenne das jüngste Gutachten zur Heumarkt-Causa noch nicht.

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