Bezirksgerichten gehen Mitarbeiter aus

In den Wiener Bezirksgerichten fehlen Mitarbeiter. Einsparungen, Pensionierungen und attraktive Jobs außerhalb der Justiz tragen dazu bei, dass sich wichtige Entscheidungen in den Bezirksgerichten immer mehr verzögern.

Eine Erbschaft, die sich verzögert, wird verschmerzbar sein. Steht aber für eine alleinerziehende Mutter die Entscheidung zum Unterhaltsgeld aus, bedeutet jeder Tag Wartezeit Ungemach. Entscheidungen der Bezirksgerichte betreffen aber nicht nur Private, sondern etwa auch den Wirtschaftsstandort. Eine Firma, die drei Monate auf einen Grundbucheintrag warten muss, wird Wien schnell wieder den Rücken kehren. Es ist also im Interesse vieler, dass es in den Bezirksgerichten so wenig Verzögerungen wie möglich gibt.

Doch die Realität sieht anders aus. „Wir sind im Justizbereich, wenn ich eine funktionierende Justiz haben will, wie sie bisher funktioniert, zwei Minuten nach zwölf. Es ist höchste Zeit, dass wir etwas tun“, sagte Gerhard Scheucher, Vorsitzender des Zentralausschusses Beamte und Vertragsbedienstete Justiz in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Schon heuer wird in Wien das Bezirksgericht Liesing betroffen sein. Spätestens 2020 würden mehrere Dienststellen nicht mehr zu halten sein.

Schrift Bezirksgericht Favoriten

ORF

An den Bezirksgerichten soll sich nicht nur das äußere Erscheinungsbild ändern

Viele Mitarbeiter gehen in Pension

Das große Problem bei den Wiener Bezirksgerichten ist laut Scheucher die schon länger andauernde Einsparung von Planstellen im Kanzleibereich und im Schreibdienst, also bei den Zuarbeitern für die Rechtsprechung. Jetzt sei auch aufgrund der Altersstruktur - sehr viele Mitarbeiter haben das Pensionsalter erreicht und nehmen viel Know-how mit - ein Punkt erreicht, „dass wir hinten nicht mehr nachbesetzen können“, so Scheucher.

In Wien kommt als zusätzliches Problem hinzu, „dass sehr viele junge Kollegen, in den letzten Monaten waren es 40, die Justiz verlassen, weil sie sich was Sicheres suchen, weil sie sagen, ich gehe woanders hin“, sagte Scheucher. Das reduziere natürlich die Möglichkeiten, dem Staatsbürger rechtzeitig das zu geben, was dieser braucht: Einträge ins Grundbuch, Kindesunterhalt als einen der heikelsten Bereiche oder einen Gerichtsvollzug, der ganz entscheidend ist, dass Urteile umgesetzt werden.

Kanzleibereich am meisten betroffen

30 Planstellen sollen im laufenden Jahr in Wien eingespart werden. Die Justiz war immer einer der größten Lehrlingsausbildner im Bundesdienst. Scheucher: „Wir haben sehr viele gute Leute, aber bei Planstellenkürzungen bringe ich die Leute nicht unter, muss sie irgendwo befristet hinparken, und dann laufen sie mir natürlich davon.“ Dadurch verlängern sich aber Schreibfristen. Anträge der Parteien ans Gericht verzögern sich, Richter können Verhandlungen später beginnen, Urteile verzögern sich. Ist ein Urteil gesprochen, muss es in der Kanzlei wieder geschrieben und zugestellt werden.

Schild Bezirksgericht Innere Stadt

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Bezirksgerichte neu sollen mit weniger Personal auskommen

Scheuchers Hoffnung ist, dass die Politik die Situation im Jahr 2020 neu beurteilt. Da steht die Debatte über das Budgetrahmengesetz an, das laut Scheucher eine „riesige Zahl an Einsparungen“ vorsieht, die aber dazu führen würden, dass Dienststellen in Wien zusammenbrechen. Da müsse dann die Politik den Offenbarungseid antreten und der Bevölkerung hoffentlich erklären, warum man zu Tode gespart hat.

Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr

Allgemein entscheiden Bezirksgerichte im Zivilrecht alle Rechtssachen mit einem Streitwert bis zu 15.000 Euro. Sie sind außerdem zuständig für bestimmte Arten von Rechtssachen (insbesondere familien- und mietrechtliche Streitigkeiten). Im Strafrecht entscheiden sie über alle Vergehen, für die eine bloße Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß ein Jahr nicht übersteigt, wie etwa fahrlässige Körperverletzung oder Diebstahl.

Ein Entwurf von ÖVP-Justizminister Josef Moser sieht vor, dass die Bundesregierung Gerichtssprengel und damit auch Gerichtsstandorte künftig per Verordnung und ohne Zustimmung der Landesregierung festlegen kann. Das ist ein Teil der geplanten Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern. Für die Änderung braucht es eine Zweidrittelmehrheit.

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