IS-Anhängerin: Mutter rechnet mit rascher Rückkehr

Das Außenministerium und das internationale Komitee vom Roten Kreuz könnten kurz davor stehen, jene Wienerin nach Hause zu holen, die mit ihrem Baby im islamischen Staat gelebt hat. Das berichtet die Mutter der 20-Jährigen auf Ö1.

Die Mutter der 20-Jährigen äußerte am Dienstag im Ö1-„Mittagsjournal“ die Hoffnung, dass bis Ende März Tochter und Enkelkind in Wien eintreffen könnten. Vorbereitungen des Außenministeriums liefen, sagte sie - mehr dazu in Wienerin in Syrien: Tauziehen um Rückkehr. Das Rote Kreuz werde ihre Tochter befragen, wie sie zu der Rückführung stünde, „danach dürfte es relativ rasch gehen“, berichtete die Mutter.

Es habe Überlegungen gegeben, zunächst nur den eineinhalbjährigen Buben nach Österreich zu holen. „Aber man kann eine Mutter vom Kind nicht trennen“, sagte sie. „Das ist unmöglich.“ Wenn die Tochter nach Österreich zurückgeholt werde, setze dies indirekt jedoch auch ihr Einverständnis mit einem wohl zu erwartenden Gerichtsverfahren wegen Unterstützung einer Terrororganisation voraus, hieß es in dem Radiointerview.

„Im Krankenlager sterben Kinder“

Sie hoffe, dass sie sich den Konsequenzen stellen werde, da den Erzählungen nach die Bedingungen im kurdischen Gefangenenlager furchtbar seien, sagte die Mutter. „Da grassieren Krankheiten, es sterben Kinder“, berichtete sie.

„Wenn etwas anhängig ist, dann soll sie natürlich eine Strafe dafür bekommen“, sagte die Mutter, fragte aber gleichzeitig, was ihre Tochter getan habe. „Sie ist der Liebe gefolgt“, meinte sie. „Gefühle kann man nicht lenken“, sei ihre Sichtweise, nachdem sie viele Gespräche mit ihrer Tochter geführt habe.

Afghanischer Partner soll in Österreich gelebt haben

Die junge Frau war laut Angaben des Außenministeriums vor vier Jahren von Wien nach Syrien ausgereist, um sich dem IS anzuschließen. Dabei handle es sich um den einzigen bekannten Fall aus Österreich, hieß es am Montag. Der Partner der mittlerweile 20-Jährigen ist nach Angaben von Ö1 ein Afghane, der in Österreich gelebt habe, seiner Familie in den selbst ernannten „Islamischen Staat“ nachgezogen sei, und sich jetzt im Irak in Haft befinden soll.

Die Tochter bereue es heute „natürlich“, dass sie nach Syrien gegangen sei. Ob sie radikalisiert gewesen sei, weiß die Mutter laut eigener Aussage nicht. „Über dieses Thema haben wir uns nicht unterhalten.“ Gekämpft für den IS habe sie jedoch nicht, so die Mutter. Sie hoffe daher, dass ihr ein Gefängnisaufenthalt und die Trennung von ihrem Sohn erspart bleibe. Sie sei „dort Ehefrau und Mutter“ gewesen. An irgendwelchen Kämpfen sei sie nicht beteiligt gewesen, das habe sie ihr versichert.

Bis zu vier Österreicherinnen mit Kindern gefangen

Laut dem Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger, der im Jänner kurdische Gefangenenlager besucht hat, könnten sich bis zu vier Österreicherinnen in kurdischer Haft befinden: „Mein Wissensstand ist, dass es in dem letzten Dorf, das noch vom IS gehalten worden ist und erobert worden ist, mindestens zwei österreichische Frauen mit drei Kindern gegeben hat. Eventuell gibt es noch eine Dritte, ebenfalls mit Kind.“

Europarechtler sieht Pflicht zur Rückholung

Zum Fall der 20-jährigen Wienerin hat am Montag Außenministerin Karin Kneissl gesagt, dass Überlegungen der konsularischen Schutzpflicht greifen. Europarechtsprofessor Walter Obwexer wird im Ö1-Interview deutlicher und erklärt: „Österreich ist verpflichtet, diese Staatsbürgerinnen auf Antrag Hilfe und Unterstützung vor Ort zu gewähren, um die Rückreise nach Österreich zu ermöglichen.“

Um die Rückreise sicherzustellen, spricht Obwexer von Unterstützung etwa durch das internationale Komitee des Roten Kreuzes, durch andere Nichtregierungsorganisationen oder über Kontakte zu Führenden dieser Region.

Das geschieht allerdings nur auf Antrag, sprich, wenn Frauen oder auch Männer das wollen. Dazu kommt: Laut Staatsanwältevereinigung haben die österreichischen Staatsanwaltschaften gegen zahlreiche IS-Kämpfer und Anhängerinnen internationale Haftbefehle erlassen. Obwexer: „Diese Staatsbürger sind auf jeden Fall zurückzunehmen, weil ja der Haftbefehl aus Österreich kommt und Österreich selbst den Antrag gestellt hat, diese Staatsbürger zurückzuerhalten und sie dann in Österreich der gerechten Strafe zuzuführen.“

Auslieferung durch „kurdischen Staat“ unmöglich

Laut der Innsbrucker Strafrechtsprofessorin Verena Murschetz müssten, wenn die Staatsanwaltschaft vom Verdacht der Beteiligung an einer Terrororganisation erfährt, auch internationale Haftbefehle erlassen werden. Demnach wäre schwer realisierbar, was der Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber fordert, nämlich Dschihadisten wegen ihrer Gefährlichkeit möglichst an Ort und Stelle anzuklagen und nicht in Österreich. Ein Fragezeichen bleibt dennoch: Selbst wenn die Kurden das wollen, ist eine Auslieferung aus den kurdischen Gebieten in Syrien schwer möglich.

Laut Strafrechtlerin Murschetz gilt: „Das Ersuchen um Auslieferung müsste an das zuständige Ministerium gestellt werden. Hier wäre das syrische Ministerium zuständig. Das wird praktisch nicht erfolgreich sein, wenn die Person nicht im syrischen Gewahrsam ist, sondern in kurdischer Haft. Und einen kurdischen Staat gibt es ja nicht.“

Fazit: Wenn gefangene österreichische Staatsbürger selbst nach Österreich wollen, ist Österreich in der Pflicht, so die Expertenrechtsansicht. Internationale Haftbefehle aber könnten womöglich erst zur Anwendung kommen, wenn die Gefangenen in staatlicher, etwa syrischer, irakischer oder türkischer Haft wären.

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