Zelle angezündet: „Wollte Aufmerksamkeit“

Seit Freitag stehen in Wien jene sechs Schubhäftlinge vor Gericht, die im September ihre Zelle in einem Polizeianhaltezentrum (PAZ) angezündet haben. Man habe auf sich aufmerksam machen wollen, so die erste Begründung.

Die Anklage legt den Männern - fünf Afghanen und ein Iraner im Alter zwischen 18 und 33 Jahren - Brandstiftung, aber nicht versuchten Mord zur Last. Im Wesentlichen stützt sie sich auf die Angaben eines 32-jährigen Afghanen, die dieser einen Tag nach dem Brand getätigt hatte.

Der Mann erklärte damals, die Idee zum gemeinschaftlichen Anzünden des Haftraums wäre der Anklage zufolge vom 19-Jährigen gekommen. Der 30-jährige Iraner, der in Deutschland bereits zweimal wegen Schlepperei verurteilt wurde und daher Hafterfahrung hatte, habe ihn darin bestärkt.

Angeklagte und Justizwachebeamten im Gerichtssaal

APA/ Herbert Neubauer

Sechs Schubhäftlinge sind angeklagt

Vorbild aus Deutschland, um freizukommen

Vor einem Schöffensenat bestätigte der 32-Jährige am Freitag seine Aussage: „Der Iraner hat gesagt, es wäre eine gute Sache, wenn wir das machen. Er hat erzählt, als er in Deutschland in Haft war, hat das jemand gemacht und ist damit freigekommen.“

Prozess um angezündete Zelle

Sechs Schubhäftlinge sollen im Anhaltezentrum Hernals Matratzen angezündet haben, um ihre Abschiebung zu verhindern.

Daher habe man „ein kleines Feuer“ entfachen und damit Aufmerksamkeit erregen wollen: „Wir wollten uns nicht wirklich umbringen. Wir wollten nicht, dass die ganze Zelle brennt. Nur ein wenig, damit ein Rauch entwickelt wird, den die draußen sehen. Keiner von uns wollte sterben.“ „Ich habe wirklich geglaubt, dass wir freikommen werden“, erläuterte der Afghane, der zum Zeitpunkt des Brandes bereits zwei Monate in Schubhaft saß.

Staatsanwalt Wolfram Bauer sprach eingangs der Verhandlung von einer „Inszenierung“. Die Angeklagten hätten mit dem Feuer Aufmerksamkeit angestrebt. Eine Feuersbrunst habe sich nur deshalb nicht entwickelt, „weil die zwei Fenster in der Zelle standgehalten haben“. Ansonsten wäre zu befürchten gewesen, dass sich die Flammen über die Fassade auf weitere Gebäudeteile ausbreiten.

Matratzen und Bettzeug angezündet

Die Flammen waren gegen 22.30 Uhr an drei verschiedenen Stellen in einer im ersten Stock des PAZ gelegenen Zelle ausgebrochen. Die Insassen dürften Matratzen und Bettzeug entzündet haben, nachdem sie auf Deutsch einen Abschiedsbrief mit ihren Abschiebeterminen aufgesetzt hatten.

Abgebranntes Zimmer

Landespolizeidirektion Wien

Die Männer hatten Bettzeug in Brand gesteckt

Dabei erlitten die Schubhäftlinge zum Teil schwere Verletzungen - ein 19 Jahre alter Bursch trug ein Inhalationstrauma und Verbrennungen von zehn Prozent seiner Hautoberfläche davon. Zu Schaden kamen aber auch drei Beamte, die wegen Rauchgasvergiftungen behandelt werden mussten.

Aktivisten, die sich mit den Angeklagten solidarisch erklärten, machten vor der Verhandlung in einer Presseaussendung auf die schlechten Haftbedingungen im PAZ am Hernalser Gürtel aufmerksam: 31 Gefangene hätten in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 Selbstmordversuche unternommen.

Zwei Angeklagte zum Feuerlegen geständig

Von den weiteren Angeklagten waren zwei am Freitag zu Prozessbeginn zum Feuerlegen geständig, bestritten aber, eine Feuersbrunst für möglich gehalten zu haben. Drei Beschuldigte - darunter der gebürtige Iraner und der vorgeblich 19-Jährige, der sein Geburtsdatum in der Verhandlung auf 1. Juni 1995 korrigierte und damit 23 Jahre alt wäre - behaupteten, sie hätten mit dem Brand nichts zu tun gehabt. Die Verhandlung wird am kommenden Freitag fortgesetzt.

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