Schüsse auf Autofahrer: Zehn Jahre Haft

Ein 21-jähriger Mann, der am 15. August in Favoriten einen Autofahrer niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt hatte, ist am Dienstagabend am Landesgericht wegen versuchten Mordes schuldig gesprochen worden.

Ein Schwurgericht verhängte über den bisher Unbescholtenen eine zehnjährige Freiheitsstrafe. Wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn mitteilte, ist das Urteil nicht rechtskräftig. Der gebürtige Serbe erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Angeklagte glaubten Notwehr-Verteidigung nicht

Die Geschworenen schenkten der Verteidigung des Angeklagten mehrheitlich keinen Glauben, der sich mit Notwehr verantwortet hatte. Der Mann, der zuletzt als Security-Mitarbeiter in einem Nachtclub beschäftigt gewesen war, hatte mit einer Pistole insgesamt elf Schüsse abgegeben. Sein Gegner wurde viermal getroffen. Die Faustfeuerwaffe war in dem Nachtclub einige Wochen vorher einem Gast abgenommen worden, der 21-Jährige hatte sie sich zugeeignet - „aus Dummheit“, wie er das Gericht glauben machen wollte.

Der groß gewachsene, durchtrainiert wirkende Angeklagte, der in seiner Freizeit Kampfsport betreibt, war mit dem Auto seiner Großmutter unterwegs, nachdem er in deren Wohnung die Blumen gegossen hatte. Danach hatte er sich mit einem Bekannten auf ein Eis getroffen. Als er diesen heimbringen wollte, bemerkte er, dass er dem ihm folgenden Fahrzeug offenbar zu langsam unterwegs war. Dessen Lenker hupte mehrfach, fuhr wiederholt knapp auf, ließ auch die Lichthupe aufleuchten.

Schüsse auf Auto

ORF

Der angeklagte Autofahrer am Dienstag vor Gericht

Angeklagter sei „in Panik geraten“

An der Kreuzung Leibnizgasse - Davidgasse eskalierte die Situation, als die beiden Fahrzeuge bei Rotlicht Spur an Spur nebeneinander zu stehen kamen. Beide Lenker stiegen aus, wobei der 21-Jährige plötzlich eine Pistole zog und feuerte. Ein Projektil bewirkte eine lebensgefährliche Verletzung, da es den Darm beschädigte. Der Tschetschene musste drei Wochen im Spital verbringen, eine Woche wurde er intensivmedizinisch behandelt.

Der bisher unbescholtene Schütze machte vor einem Schwurgericht Notwehr geltend. Schon im Rückspiegel habe er wahrgenommen, wie der andere Autofahrer ihm mit Halsabschneid-Bewegungen drohte. An der Kreuzung sei der andere Lenker aus seinem Pkw gestiegen und habe ihn wutschnaubend angesteuert. Da sei er „in Panik geraten“ und habe ebenfalls das Fahrzeug verlassen, wobei er sich mit einer im Auto befindlichen Pistole bewaffnete, gab der Angeklagte zu Protokoll.

Schütze will auf Boden gefeuert haben

Der Tschetschene sei mit den Worten „Ich bring dich um, ich bring dich um“ auf ihn losgegangen: „Er hat auch etwas in der Hand gehalten, was wie eine Waffe ausgeschaut hat.“ Er habe darauf seine Waffe gehoben und „Stehenbleiben oder ich schieße“ gerufen, was den Kontrahenten nicht beeindruckt hätte. Da habe er „auf den Boden gezielt“ und abgedrückt.

Der 21-Jährige behauptete, er habe gar nicht bemerkt, dass der 27-Jährige mehrfach getroffen wurde und stark blutete. Auf die Frage der Richterin, wie er sich die Treffer erkläre, wenn er ausschließlich Richtung Boden gefeuert hätte, erwiderte der Mann: „Kann sein, dass ich die Waffe verzogen habe. Mein Mittelhandknochen war gebrochen. Ich habe die Waffe nicht richtig halten können.“

Favoriten Tatort

APA/Hans Punz

Tatort in der Leibnitzgasse

Angeschossener und Zeugen widersprechen

Dem widersprachen der Angeschossene und zwei unbeteiligte Zeugen der Bluttat. Der 27 Jahre alte Tschetschene räumte ein, er habe sich über den langsam vor ihm fahrenden Pkw-Lenker geärgert und diesen angehupt. Bedroht habe er diesen aber zu keinem Zeitpunkt, schon gar nicht sei er bewaffnet gewesen.

Vielmehr habe ihm der 21-Jährige an der Kreuzung bei geöffnetem Seitenfenster „Komm raus“ zugerufen. Dieser Aufforderung sei er gefolgt. Da habe der andere schon die Schusswaffe auf ihn gerichtet: „Ich hab’ gedacht, er macht Spaß. Dann hat er angefangen zu schießen.“ Ein Ehepaar, das zufällig Zeuge der Schießerei wurde, bestätigte, beim Angeschossenen keine Waffe gesehen zu haben. Dieser habe dem Angeklagten zwar lautstark etwas zugerufen, dabei aber nicht sonderlich bedrohlich gewirkt.