IS-Wiederholungstäter laut Anwalt unschuldig

Ein 21-Jähriger, der sich an der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) betätigt haben soll, hat das am Dienstag vor Gericht bestritten. Der junge Mann sei „allumfassend nicht schuldig“, meinte sein Anwalt.-

Verteidiger Leonhard Kregcjk sprach im Wiener Landesgericht für Strafsachen eingangs der auf mehrere Tage anberaumten Verhandlung von „Hypothesen der Staatsanwaltschaft“. In dieser Sache sei einseitig ermittelt worden. Sein Mandant sei entgegen der Auffassung der Anklagebehörde weder Mitglied des IS noch habe er die Terror-Miliz unterstützt.

Staatsanwältin Viktoria Berente bezeichnete dagegen den 21-Jährigen als „Lieblingsschüler“ des berüchtigten Hass-Predigers Mirsad O. alias Ebu Tejma. Dieser selbst habe den Angeklagten so genannt, betonte Berente. Der heimische Radikalislamist, der als eine federführende Stimme des Jihadismus in Österreich gilt beziehungseise galt, ist 2016 in Graz rechtskräftig wegen terroristischer Vereinigung, krimineller Organisation sowie Anstiftung zum Mord zu einer zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen bei Prozess gegen IS-Wiederholungstäter. Im Bild: Beamte mit Sturmgewehr

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Prozess findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt

Angeklagter sprach vom „Kampf gegen Ungläubige“

Auch die Vergangenheit des 21-Jährigen sowie seine familiären Bande sprechen nach Ansicht der Staatsanwältin eindeutig dafür, dass der Angeklagte nach wie vor dem IS zugetan ist. Demnach wurden der junge Mann mit bosnischen Wurzeln und dessen Bruder von ihrem Stiefvater radikalisiert, der 2014 nach Syrien ging, um sich dort als Kämpfer dem IS anzuschließen. Der Anklagevertreterin zufolge dürfte der Stiefvater mittlerweile nicht mehr am Leben sein. Im Mai 2015 wollte der damals 17-Jährige jedenfalls dem Stiefvater in den Krieg folgen.

Er besorgte sich einen gefälschten rumänischen Reisepass, ließ sich mit dem Taxi von Wien nach Prag bringen und wollte dann nach Istanbul fliegen, um danach die türkisch-syrische Grenze zu überwinden. In Syrien beabsichtigte er sich am „Kampf gegen die Ungläubigen“ zu beteiligen, wie er sich in Chats ausdrückte, die später vom Verfassungsschutz sichergestellt werden konnten. Der 21-Jährige wurde bereits seit 2012 - damals war er gerade ein Mal 15 Jahre alt - vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (ÖVT) überwacht.

Bereits zu teilbedingter Haft verurteilt

Den tschechischen Beamten fiel jedoch das gefälschte Reisedokument des Burschen auf. Aus dem Flug wurde nichts, stattdessen wurde der junge Mann festgenommen und zurück nach Wien geschickt, wo er im April 2016 in seinem ersten Terror-Prozess im Hinblick auf sein jugendliches Alter noch mit einer teilbedingten Haftstrafe davonkam.

Abschreckende Wirkung hatte diese Verhandlung keine. Der Bursch ignorierte ihm erteilte gerichtliche Weisungen, ein angeordnetes Deradikalisierungsprogramm brach er ab. Seine bedingte Entlassung wurde darauf widerrufen.

Laut Anklage Geld an IS überwiesen

Wieder auf freiem Fuß, pflegte der Beschäftigungslose laut Staatsanwältin weiter Kontakt zum IS: „Er scheint anscheinend unbelehrbar zu sein.“ So soll der 21-Jährige 2017 die Ausreise dreier Islamisten nach Syrien organisiert haben, wo sich die Männer dem IS anschließen wollten. Eine in Norwegen lebende Somalierin, die über Wien bzw. Prag nach Syrien wollte, soll der 21-Jährige bei sich übernachten und ihr anschließend die Schüssel zur Wohnung seines Bruders überlassen haben. Daneben soll er den IS propagandistisch und mit Geldüberweisungen finanziell unterstützt haben.

Der 21-Jährige wies sämtliche Anschuldigungen zurück. Er habe zwar 1.490 Euro nach Syrien transferieren wollen, das Geld wäre aber für seine Stiefmutter - eine Ägypterin, die sein Stiefvater im Kriegsgebiet nach islamischem Recht geheiratet hatte - und nicht für terroristische Zwecke gedacht gewesen: „Es ging ihr sehr schlecht dort, humanitär. Ich wollte ihr helfen.“

Auch die Übernachtungsmöglichkeit, die er der Somalierin gewährte, sei eine gute Tat gewesen. Ein Freund - den Namen gab der Angeklagte auf mehrfaches Befragen des Richters nicht preis - habe ihm darum gebeten. Es habe sich um eine „bedürftige Frau, eine Glaubensschwester“ gehandelt. Dass diese sich dem IS verschrieben hatte - sie wurde von der tschechischen Polizei am Prager Flughafen festgenommen, den norwegischen Behörden zur Strafverfolgung übergeben und dort mittlerweile verurteilt - habe er nicht gewusst: „Sie war bunt gekleidet und hatte einen Rucksack. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zum IS wollte.“

Ausreise dreier Islamisten organisiert?

Ein Zeuge belastet den 21-Jährigen, dieser habe in Wien Jugendliche bzw. junge Männer für den IS rekrutiert und für drei Burschen die Reise nach Syrien organisiert. „Die sind autonom ausgereist“, hielt dem Verteidiger Kregcjk entgegen.

Dass nach der neuerlichen Festnahme des 21-Jährigen bei dem jungen Mann umfangreiches Propagandamaterial des IS sichergestellt werden konnte, erklärte Kregcjk mit der seinerzeit von der Justiz angeordneten Deradikalisierung. Um sich ein „umfassendes Bild“ zu machen, habe sich sein Mandant „auch der Quellen des Islamischen Staats bedient“, sagte der Anwalt. Das bedeute aber nicht, „dass er auch diese Überzeugung teilt“. Hinrichtungen verurteile der 21-Jährige beispielsweise „aufs Schärfste“, dass der IS im Kriegsgebiet Nahrungsmittel verteile, heiße er demgegenüber gut.

Auf den Handys des 21-Jährigen wurden allerdings abgespeicherte Bilder und Videos von Hinrichtungen und „abscheulichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gefunden, wie der Richter sagte. „Ich verfolge die Nachrichtenkanäle des IS, weil ich dort Familie habe“, nahm der Angeklagte dazu Stellung. „Solche Sachen“ würden dort „auch gepostet“ und wären ohne sein aktives Zutun auf seinen Geräten gelandet: „Man kommt nicht drum hin, wenn man solche Medien verfolgt.“

Vier Personen mitangeklagt

In dem Verfahren sind vier Personen mitangeklagt, darunter die tschetschenisch-stämmige Ehefrau des gebürtigen Bosniers, die aufgrund einer fortschreitenden Muskelkrankheit im Rollstuhl sitzt. Sie sollen an den Aktivitäten des Hauptangeklagten beteiligt gewesen sein. Sämtliche Mitangeklagte bekannten sich zu den Terror-Vorwürfen ebenfalls nicht schuldig. Die Verhandlung wurde von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet, für das gesamte Gerichtsgebäude galt ein Film- und Fotografierverbot.