Stadt befürwortet Time-out-Klassen

Der Forderung von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) nach Time-out-Klassen kann Bildungsdirektor Heinrich Himmer (SPÖ) durchaus etwas abgewinnen. Pilotprojekte in der Stadt haben aber gezeigt, dass es zusätzliches Personal braucht.

„Wir sind mit einer steigenden Gewaltbereitschaft an den Schulen konfrontiert. So genannte Time-out-Klassen tragen zur Deeskalation und Konfliktaufarbeitung bei. Ziel muss es immer sein, dass die betroffenen Schüler anders mit Aggressionen umgehen lernen, um in die Regelklasse zurückkehren und ihre Schullaufbahn fortsetzen zu können“, sagte Bildungsminister Faßmann. Details will er in Kürze vorstellen. In Time-out-Klassen sollen Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die im normalen Unterricht stören oder gewalttätig geworden sind.

Himmer: Man braucht mehr Personal

„Wenn man Time-out-Klassen will, dann braucht man dazu Menschen“, sagte Himmer im „Wien heute“-Interview. Laut Himmer wurden solche Time-out-Klassen in Wien bereits getestet: „Das ist eine beschränkte Zeit, wo Schüler aus der Klasse herausgenommen werden und speziell betreut werden.“ Das habe es vor allem bei Gymnasien gegeben. „Da sieht man auch deutlich, es braucht mehr Unterstützung. Eine Lehrerin beziehungsweise ein Lehrer kann das nicht übernehmen - mit Schülern, die hoch aggressiv sind, alleine konfrontiert zu sein, das wird nicht die Lösung sein.“

Stadtschulratspräsident Himmer

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Bildungsdirektor Heinrich Himmer: „Braucht dazu Menschen“

Offen seien außerdem noch die Detailfragen: „Wer soll die betreuen und was sollen die überhaupt machen? Was ist das Ziel einer Time-out-Gruppe? Wann sollen die zurück und was muss passieren, dass sie zurückkommen?“ Bei den Versuchen in Wien habe man festgestellt: „Da braucht es Profis, die sich mit Sozial- und Jugendarbeit auskennen und die haben wir zu wenig oder gar nicht.“

Minister bestätigt Time-out-Klassen

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bestätigt gegenüber „Wien heute“ die Planung von sogenannten Time-out-Klassen.

Wiener ÖVP fordert Maßnahmenpaket

Wiens ÖVP-Chef, Kulturminister Gernot Blümel, bestätigte den Plan seines Parteikollegen Faßmanns. Time-out-Klassen seien „ein Vorschlag, der geprüft wird.“ Die Wiener ÖVP hat am Dienstag eine Reihe von Maßnahmen für Schulen gefordert, um Konflikte zwischen Lehrern und Schülern zu entschärfen bzw. zu verhindern.

Das Präventionspaket der Volkspartei sieht unter anderem die Einrichtung einer unabhängigen Anlaufstelle vor. Wie die Bildungssprecherin der Wiener ÖVP, Sabine Schwarz, erläuterte, wäre eine Beratungsstelle für Pädagogen angebracht - da sich die Lehrer nicht mehr trauen würden, in der Schule bzw. der Bildungsdirektion von ihren Problemen zu berichten.

Rudolf Taschner, Gernot Blümel und Sabine Schwarz bei einer Pressekonferenz

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Die Wiener ÖVP macht Vorschläge, um solche Konflikte zu verhindern

Bund bezahlt Sozialarbeiter

Auch der Ausbau der Gewaltprävention an Schulen sei nötig, befand sie. Diese solle nach Ansicht der ÖVP gemeinsam mit der Polizei umgesetzt werden. Zudem wäre nach Ansicht der Volkspartei eine anonyme Studie zu den Erfahrungen des Schulpersonals zu erstellen. Die ÖVP kündigte entsprechende Anträge im nächsten Gemeinderat an - und wies das „Gerücht“ zurück, der Bund lasse Wien dabei im Stich. So würden etwa die eingesetzten Sozialarbeiter sehr wohl vom Bund bezahlt werden, wurde versichert. Das stellte auch Himmer nicht an Abrede, allerdings gebe es viel zu wenige Sozialarbeiter für Wiener Schulen.

Blümel, warnte davor, stets die Lehrer zum Sündenbock zu machen - wie es auch im aktuellen Fall zunächst geschehen sei. Das Image des Berufes sei angekratzt: „Deshalb ist es Zeit für mehr Wertschätzung für Lehrer.“ ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner betonte, dass Mobbing rasch sanktioniert werden müsse. Ein rechtzeitiger Einsatz von Schulpsychologen oder Sozialarbeitern hätte wohl dafür gesorgt, dass es nicht zu einer derartigen Eskalation komme, befand er.

Expertin: Time-out-Klassen nur Notlösung

Für Christiane Spiel, die seit Jahren zum Thema Gewaltprävention an Schulen forscht, können Time-Out-Klassen nur eine Notlösung sein. „Das kann nur eine kurzfristige Maßnahme sein. Wenn aktuell etwas passiert, können sie sozusagen eine Zeitspanne geben, wo man drüber nachdenkt, was man tut. Aber eigentlich muss man nachhaltige Maßnahmen implementiert, das wissen wir aus der Forschung seit vielen, vielen Jahren“, sagte die Professorin für Bildungspsychologie an der Universität Wien gegenüber „Wien heute“.

Christiane Spiel, Professorin für Bildungspsychologie an der Universität Wien

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Spiel: „Kann nur eine kurzfristige Maßnahme sein“

Ein ganz wichtiger Punkt sei die Konsequenz, sagt Spiel. Die ganze Schule müsse im Sinne einer Schulentwicklung sagen, ‚wir beschäftigen uns damit, und gehen ganz strikt gegen Gewalt vor‘".

Dazu gebe es auch bereits entwickelte Programme. „Etwa, dass die Pädagogen durch einen Coach unterstützt werden. In den schulinternen Fortbildungen wird mit der Schule und einzelnen Lehrern gearbeitet, damit sie das Programm anwenden können“, sagte Spiel. Dafür sei wichtig, dass die Schulen von den Programmen wissen und diese Programme dann einfordern, bei der Bildungsdirektion oder den Pädagogischen Hochschulen.

Expertin: Rollenspiele können helfen

Teil dieser Programme sei etwa, dass sich die Schule zunächst einmal einigen müsse, was überhaupt unter Gewalt zu verstehen sei, so Spiel. Dann sei es wichtig, dass sich Lehrer und die Schulleitung einigen, wie sie darauf reagieren und wie Eltern und Schüler informiert würden. Im nächsten Schritt sei die Arbeit in der Klasse wichtig.

Dazu eignen sich laut Spiel Rollenspiele. „Dadurch können sich Schüler vorstellen, wie es denn einem Opfer geht“. Aber auch unbeteiligte Schüler könnten sich mittels Rollenspiel fragen, was sie tun könnten, um Gewalt zu verhindern. „Wir wissen aus der Forschung, wenn Mitschülerinnen und Mitschüler die anwesend sind, nur schreien, wird ein Großteil der Gewalthandlung gestoppt. Aber die müssen sich trauen und das tun“, sagte Spiel.

Vorfall in HTL löste Debatte aus

Die Debatte um Gewalt an Schulen hatte ein Vorfall in Ottakring ausgelöst. An dem handgreiflichen Vorfall zwischen einem Lehrer und einem Schüler sieht Bildungsdirektor Heinrich Himmer nichts „speziell Wienerisches“. Der betroffene Lehrer könne wieder zurück in die Schule. „Das ist ein ganz schlechtes Beispiel, was gelaufen ist, das hat sicher Konsequenzen. Und wir werden dem ganz intensiv nachgehen, dass alles aufgedeckt und aufgeklärt wird“, sagt Himmer - mehr dazu in HTL-Konflikt: Lehrer kann in Schule zurück.

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