Albertina: Trostlos-schöne Landschaftsfotos

Trostlose Vorstadtsiedlungen, verwahrloste Industrieflächen oder kalte Technologiebauten: Lewis Baltz fängt in seinen Fotos das vermeintlich Unspektakuläre ein. Die Albertina zeigt derzeit 340 Fotos des US-Fotografen.

„Southeast Corner, Semicoa, 333 McCormick, Costa Mesa“ lautet die kalifornische Adresse, an der ein schmuckloser Industriebau steht. Ein Schwarzweiß-Foto, das Lewis Baltz 1974 davon schoss, trägt den selben Namen. Seinen Fotos gibt Baltz lange Beschreibungen als Titel: Betrachter können auf diese Weise an den Original-Schauplatz zurückkehren, an dem der Fotograf stand und das Motiv knipste. In diesem Fall an die südöstliche Ecke des Gebäudes, nicht weit entfernt vom John Wayne Airport.

Ansicht einer Industriehalle in Kalifornien. Foto von Lewis Baltz

Albertina Wien

Eine Industriehalle aus der Serie „The New Industrial Parks Near Irvine, California“

Tristesse kahler Fassaden und hässlicher Zweckbauten

Der 1945 in Newport Beach, Kalifornien geborene Fotograf dokumentiert seit den 1970er-Jahren das Straßen- und Landschaftsbild Amerikas - und damit die Auswirkungen von Technologie und Wirtschaft auf die Natur. „Ich hoffe, dass diese Fotos steril sind, da es keine emotionalen Inhalte gibt“, sagte Baltz einmal über seine 1976 entstandene „Maryland-Serie“. Menschen sind auf den Fotos von Lewis Baltz meistens nicht auszumachen. Stattdessen hielt er auf seinen Fotos eher die Tristesse kahler Fassaden, hässlicher Zweckbauten oder öder Industriegebiete fest.

Neue Form der Landschaftsfotografie

In seinen reduzierten Fotografien steckt dennoch eine eigene Ästhetik, die Baltz zu einem der wichtigsten zeitgenössischen Fotografen macht. Davon kann man sich nun in einer rund 340 Fotografien umfassenden Ausstellung in der Albertina überzeugen.

„Es wird die erste Retrospektive von Lewis Baltz in Österreich sein. Wir haben sein Werk zum ersten Mal in einem kunsthistorischen Kontext aufgearbeitet“, sagte Kurator Walter Moser gegenüber wien.ORF.at. Unter anderem sollen Arbeiten von Ed Ruscha, Robert Smithson und eine Skulptur von Donald Judd die künstlerischen Einflüsse verdeutlichen, die sich in Baltz Fotos finden.

Über die Bedeutung von Lewis Baltz’ Fotografien meinte Moser: „Lewis Baltz gehört zu den Erneuerern der Landschaftsfotografie. Er reflektiert die vom Menschen benutzte Landschaft, die Monotonie der Suburbs und städtebauliche Überlegungen“.

Erste Soloausstellung mit 26 Jahren

Lewis Baltz studierte von 1966 bis 1969 Fotografie an der Kunsthochschule in San Francisco. Im zarten Alter von 26 Jahren hatte er in der Galerie von Leo Castelli in New York bereits seine erste Soloausstellung. 1975 nahm er im amerikanischen Rochester an der wegweisenden Ausstellung „New Topographics: Photographs of a Man-altered Landscape“ teil. Sie sollte den Beginn einer neuen Form von konzeptioneller Landschaftsfotografie markieren - und den Beginn von Baltz Karriere als Fotograf.

Foto von Lewis Baltz, dass ein weißes Auto vor einer kargen Wand zeigt

Albertina Wien

Ein parkendes Auto als Zeichen des Verfalls: „Santa Cruz (B)“ (1970)

„Grauenhafte Architektur schön dargestellt“

„The Prototype Works“ (1967-76) - eine Studienarbeit an der Universität - und „New Industrial Parks Near Irvine, California“ (1973-75) heißen seine ersten beiden Serien, mit denen Baltz das eigentlich Unspektakuläre, nicht Darstellungswürdige auf seine Fotos bannt. Denn seine Fotos leben weniger vom Inhalt selbst, als vielmehr von seinen Kontrasten und der vorherrschenden Geometrie. Motive wie ein weißes Auto vor einer dunklen Wand, Flächen, Kanten und Ecken einer Industriehalle oder eine Laderampe für Lkws drücken dies aus.

Ausstellungshinweis:

Lewis Baltz, Albertina, 28. Februar bis 2. Juni, täglich 10.00 bis 18.00, Mittwoch bis 21.00 Uhr

Sendungshinweis

„Wien heute“, 6. März 2013

Gemeinsam ist all seinen Bildern, dass es sich um menschenleere, oftmals verwüstete Peripherien handelt. Unwirtliche Orte, die auf Lewis Baltz’ Fotografien eine ungeahnte Schönheit entfalten: „Selbst grauenhafte Architekturen hat er als etwas Schönes dargestellt“, schwärmte Kurator Moser.

Unübersehbar ist der Einfluss der Minimal Art - der Reduktion optischer Inhalte - auf seine Arbeit. „In seinen Fotografien finden sich Verweise auf Land Art, Film oder Minimal Art. Diese Multimedialität war uns wichtig zu untersuchen“, so Moser.

Ansicht einer Laderampe mit zwei Lkws. Foto von Lewis Baltz

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Laderampe „Gilroy“ (1977) aus der Serie „The Prototype Works“

Moderne Technologien und seelenlose Maschinen

Lewis Baltz wechselte Ende der 1980er-Jahre von kleinformatigen Schwarzweiß-Fotografien zu großformatigen Farbfotos. Doch seinen Sujets blieb der Fotograf treu: Urbane Räume, Architektur und Landschaften. Wie die Namen „89-91 Sites of Technology“ und „Power Trilogy (1992-95)“ unschwer vermuten lassen, beschäftigte sich Baltz in dieser Serie mit moderner Technologie, komplexen Maschinen und Anlagen, die zur Überwachung oder Steuerung dienen.

Im Gegensatz zu den tristen Stimmungen, die Baltz in seinen Schwarzweiß-Serien einfing, wirken die gelb-blauen Cray-Supercomputer im Genfer CERN jedoch fast fröhlich - inmitten einer kalten Atmosphäre aus Computern, Schränken und Fliesenboden.

Fotografie von Lewis Baltz Cray supercomputer, CERN, Geneva, 1989-91

Lewis Baltz. Courtesy Galerie Thomas Zander, Cologne

Farbenfrohe Cray-Supercomputer am CERN in Genf (1989/91)

Daneben schoss er auch Fotos von schallgedämpften Räumen der französischen Telekom oder eines Rechenzentrums für meteorologische Forschung in Grenoble. Allesamt handelt es sich dabei um seelenlose Maschinen und kalte Technologien: „Die Fotografien von Baltz haben einen dokumentarischen Anspruch, sie wollen die Realität so neutral und sachlich wie möglich darstellen“, so Kurator Moser. Das ist Lewis Baltz auf all seinen Fotografien eindrucksvoll gelungen.

Michael Ortner, wien.ORF.at

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