NHM: Leichen in „lebendigen“ Posen

Ob Gehirn, Herz, Wirbelsäule oder Muskeln: Gunther von Hagens „Körperwelten“ gewähren tiefe Einblicke in den menschlichen Körper. Mehr als 200 Präparate zeigen derzeit Leichen in „lebendigen“ Posen im Naturhistorischen Museum.

Ob ein Zocker bei einer geselligen Runde Poker, ein Schachspieler, der in seinen nächsten Zug vertieft ist oder ein Basketballspieler mit dem Ball in der Hand: Die Ausstellung „Körperwelten“ lässt plastinierte Menschen in vielfältigen Posen und Stellungen wieder „lebendig“ werden, wie es zumindest von den Veranstaltern heißt.

Schach spielendes Plastinat in der "Körperwelten"-Ausstellung im NHM

Kurt Kracher, NHM Wien

Ins Schachspiel vertieft: Plastinierte Leiche im Naturhistorischen Museum

Präparate zeigen Innenleben des Menschen

Mehr als 200 Präparate, darunter rund 20 Ganzkörperplastinate sowie einzelne Organe und transparente Körperscheiben bieten nun auf über 700 Quadratmetern im Naturhistorischen Museum (NHM) Einblick in das Innenleben des menschlichen Körpers.

Anatomie und Physiologie des Menschen, aber auch häufige Erkrankungen werden im Vergleich von gesunden und erkrankten Organen erläutert. So macht die grauschwarze Raucherlunge von einem der Pokerspieler die Auswirkungen des Tabakkonsums sichtbar. „Der Lebensretter“ deutet an, wie ein Präparat bei einem anderen die Herzdruckmassage durchführt.

Plastinierte Leiche beim Ringturnen in der "Körperwelten"-Ausstellung im NHM

Kurt Kracher, NHM Wien

Ein Ringturner veranschaulicht besonders die Arm- und Brustmuskulatur

Kreislauf des Lebens von der Geburt bis zum Tod

Eine Zusammenstellung plastinierter Embryos und Föten aus historischen anatomischen Sammlungen soll die verschiedenen Entwicklungsstadien der Befruchtung bis kurz vor der Geburt zeigen. Die einzelnen Stationen der Entwicklung des Körpers sowie seine Veränderung im Laufe der Zeit - beginnend bei der Zeugung bis ins hohe Alter - werden in „Der Zyklus des Lebens“ dargestellt.

„Man erfährt zum Beispiel, dass das dichte Netz der Arterien, Venen und Kapillaren eines durchschnittlichen Erwachsenen über 96.500 Kilometer lang ist“, so NHM-Generaldirektor Christian Köberl über die Ausstellung, die von Angelina Whalley, von Hagens Ehefrau, kuratiert wurde. „Hintereinander geknüpft könnte man es mehr als zweimal um die Erde wickeln“, so Köberl.

Ein plastiniertes Herz, aufgeschnitten in zwei Hälften

Naturhistorisches Museum, Gunther von Hagens, Institut für Plastination, Heidelberg / Deutschland

Ein menschliches Herz, aufgeschnitten in zwei Hälften

1977 Verfahren der Plastination erfunden

„Ich will aufzeigen, wer wir sind, wie wir denken und fühlen, wie wir geboren werden, altern und sterben“, so Gunther von Hagens, der 1977 das Verfahren der Plastination erfand. Damit war die detailgetreue Präparation und Haltbarmachung menschlicher und tierischer Körper ohne Ablaufdatum möglich.

Ausstellungshinweis:

Gunther von Hagens’ „Körperwelten und der Zyklus des Lebens“, 13. März bis 11. August, Naturhistorisches Museum, täglich außer Dienstag 9.00 bis 18.30, Mittwoch bis 21.00 Uhr, Eintritt 17 Euro, öffentliche Führungen jeweils Samstag, 16.30 Uhr, 2,50 Euro

Sendungshinweis

„Wien heute“, 12. März 2013

Die Konservierung anatomischer Präparate mittels reaktiver Kunststoffe, besonders mit Hilfe des Vakuumverfahrens, welches Zellwasser durch Kunststoffe ersetzt, ermöglicht es von Hagens die Präparate für die Ausstellungen zu konservieren.

Der Verfall des toten Körpers wird gestoppt und es ermöglicht langfristig haltbare anatomische Präparate für die wissenschaftliche und medizinische Ausbildung herzustellen. Feste, geruchlose und dauerhaft haltbare Präparate sind das Ergebnis.

Zwei plastinierte Leichen in der "Körperwelten"-Ausstellung im NHM

Kurt Kracher, NHM Wien

Schädel-, Brust- und Leibeshöhle sind beim „Paar in Umarmung“ geöffnet

„Körperspender“ bleiben anonym

Sämtliche, in der Ausstellung präsentierten Präparate kommen von so genannten „Körperspendern“: Personen, die verfügt haben, dass ihr Körper nach ihrem Tod zur medizinischen und wissenschaftlichen Aufklärung in den Ausstellungen verwendet werden darf. Identität und Todesursache der Spender bleiben jedoch anonym. Daneben stammen einzelne Organe, die Föten sowie spezielle Präparate, die ungewöhnliche Veränderungen darstellen, aus alten anatomischen Sammlungen oder von morphologischen Instituten.

Auch von Hagens, der seit vier Jahren an der Parkinson-Krankheit leidet und auf Pflege angewiesen ist, will sich nach seinem Tod von seiner Frau plastinieren und anschließend ausstellen lassen.

Ausstellung nach 1999 zum zweiten Mal in Wien

Bereits 1999 gastierte die umstrittene Ausstellung „Körperwelten“ in Wien: Mehr als 400.000 Besucher sahen die plastinierten anatomischen Präperate in den Messehallen. Seit Beginn der Ausstellung 1995 haben weltweit mehr als 36 Millionen Besucher in mehr als 80 Städten die „Körperwelten“-Ausstellung gesehen. 2010 war die „Körperwelten der Tiere“ im Naturhistorischen Museum zu Besuch.

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