Alles zum neuen Arbeitszeitgesetz

Seit 1. September ist das neue Arbeitszeitgesetz in Kraft. Was sich geändert hat, was es zu wissen gibt und was es zu beachten gilt, ist diesmal das Thema in „Ganz auf Ihrer Seite“ mit den Expertinnen der Arbeiterkammer Wien.

Ab 1. September 2018 sind nach dem neuen Arbeitszeitgesetz 12 Stunden Arbeitszeit täglich und 60 Stunden wöchentlich erlaubt. Den einzigen Schutz derzeit bietet nur mehr die EU-Arbeitszeit-richtlinie, laut der in einem Zeitraum von 17 Wochen 48 Stunden Arbeitszeit nicht überschritten werden dürfen, die ins Gesetz übernommen wurden.

Bereits zur Leistung der 9. und 10. Stunden dürfen ArbeitnehmerInnen nur herangezogen werden, wenn keine berücksichtigungswürdigenden Interessen der ArbeitnehmerInnen entgegenstehen. Das neue Gesetz besagt nun, dass es ArbeitnehmerInnen freisteht, ohne Angaben von Gründen Überstunden über 10 Stunden täglich bzw 50 Stunden wöchentlich abzulehnen.

Arbeitszeit: Uhr und Liste

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Mehr Druck auf Arbeitnehmer?

Allerdings sah die Praxis bereits vor der neuen Gesetzeslage ganz anders aus. Bereits bisher wurden als berücksichtigungswürdigende Gründe, die der Überstundenleistung entgegenstehen, nur dringende Arztbesuche und Kinderbetreuungspflichten anerkannt. Es ist zu befürchten, dass hier noch mehr Druck auf die ArbeitnehmerInnen ausgeübt wird.

Sendungshinweis:

„Radio Wien am Vormittag“, 6.9.2018

Außerdem darf die Freiwilligkeit der Überstundenleistung oft bezweifelt werden. Aufgrund der persönlichen aber auch wirtschaftlichen Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen im Arbeitsverhältnis ist zu befürchten, dass bei mehrmaliger Ablehnung der Überstundenleistung nachteilige Folgen für die ArbeitnehmerInnen zu erwarten sind. Es steht auch immer eine mögliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Raum und es droht der Verlust des Arbeitsplatzes bei Ablehnung der 11. + 12 Stunde.

Was tun bei Kündigung?

ArbeitnehmerInnen können diese Kündigungen bei Gericht innerhalb von 2 Wochen anfechten. Kündigungen sind jedoch in Österreich nicht begründungspflichtig. Der Grund für die Kündigung ist vor dem Gericht glaubhaft zu machen. Wenn zwischen der Ablehnung der Überstunden und der Kündigung einige Zeit verstreicht, lässt sich der Zusammenhang vor Gericht nur mehr sehr schwer glaubhaft machen.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung auch beendet, und ArbeitnehmerInnen können nur nachträglich über das Gericht feststellen lassen, dass ein verpönter Kündigungsgrund vorliegt. Im besten Fall wird dann die Kündigung vom Gericht Monate später rückwirkend für unwirksam erklärt. Die AK Wien wird die Entwicklungen genau beobachten und betroffene ArbeitnehmerInnen in allfälligen Gerichtsverfahren unterstützen.

Änderungen bei Gleitzeitvereinbarungen

Der Gesetzestext sieht vor, dass bestehende Gleitzeitvereinbarungen aufrecht bleiben. Gleitzeitvereinbarungen sind erzwingbare Betriebsvereinbarungen und eine einseitige Kündigung ist ausgeschlossen. Diese Betriebsvereinbarungen können nur im Einvernehmen oder unter Einschaltung der Schlichtungsstelle beendet werden. Fraglich ist, wie groß nun der Druck auf Betriebsräte wird, eine neue 12-Stunden-Gleitzeitvereinbarung abzuschließen.

Ist die Gleitzeit im Einzelvertrag geregelt, muss der oder die ArbeitnehmerIn alleine mit dem Arbeitgeber verhandeln. Daher rät die Arbeiterkammer Wien ArbeitnehmerInnen, solchen neuen Vereinbarungen nicht zu unterschreiben und sich zuvor jedenfalls durch die Gewerkschaft oder AK Wien beraten zu lassen.

Gleitzeit neu: 12 Stunden Tag zuschlagsfrei?

Die tägliche Normalarbeitszeit kann künftig im Rahmen der Gleitzeit auf 12 Stunden täglich, 60-Stunden-wöchentlich zuschlagsfrei ausgeweitet werden. Plusstunden innerhalb der Gleitzeitperiode können mit Zeitausgleich 1:1 ausgeglichen werden. Voraussetzung ist, dass die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann, und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist.

Wie eine derartige Regelung in der Praxis umgesetzt werden soll, bleibt mehr als fraglich. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf einseitigen Verbrauch von Zeitguthaben im Gesetz. Somit darf zwar der Verbrauch in ganzen Tagen nicht ausgeschlossen sein, jedoch ist der tatsächliche Verbrauch immer von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Ein einseitiges Recht auf Flexibilität gibt es daher für ArbeitnehmerInnen nicht.

Übertragung bei Durchrechnungszeiträumen

Laut Gesetz ist eine mehrmalige Übertragung von Zeitguthaben und Zeitschulden in den nächsten Durchrechnungszeitraum möglich, sofern dies der Kollektivvertrag zulässt. Der neue Gesetzestext sieht jedoch nicht vor, wie lange Zeitguthaben beziehungsweise Zeitschulden mitgenommen werden können (2,3, 5 Jahre). Die Aufzeichnung der Arbeitszeiten wird daher immer wichtiger. Sie sind die Grundlage für die Kontrolle der Auszahlung der Mehr- und Überstunden und für die Nachvollziehbarkeit von Zeitguthaben.

Die AK Wien empfiehlt daher unbedingt Arbeitszeiten täglich mitzuschreiben. Als nützliches Tool gibt es dafür den AK Zeitspeicher auf www.akzeitspeicher.at App herunterladen und damit täglich die Arbeitszeiten und Pausen bequem auf dem Handy speichern. Für alle die außerhalb des Betriebes arbeiten ist auch die Geolokation empfehlenswert, die gleich mitspeichert, wo gearbeitet wurde.

Link:

Arbeiterkammer