Radio Wien

Tagebuch aus der Sperrzone Tag 1

Tag 1: Catrin Huemer, Nachrichtenredaktion

Als ich als Jugendliche erstmals das ORF-Funkhaus im vierten Bezirk besuchte, fasste ich dabei den Wunsch, einmal hier arbeiten zu können. Niemals jedoch hätte ich mir gedacht, hier einmal einzuziehen… Mit zwei großen Koffern, dem eigenen Polster (der Bandscheiben zuliebe) und einer Gymnastikmatte unterm Arm stand ich nervös und aufgeregt vor dem Funkhaus, beim Eingang das bereits bekannte Fiebermessen: 35,8 – diese erste Hürde war also genommen. Weiter zum Gesundheitscheck.

Dann ging es für uns – brav immer mit zwei Meter Distanz zum nächsten– in die Sperrzone im Funkhaus. Dort, wo ich seit zwei Jahrzehnten arbeite, waren über Nacht Büros und Studios zu Schlafplätzen geworden. Für mich und meine zwölf Kolleginnen und Kollegen brach plötzlich die Zimmersuche aus – wer nimmt welches? „Hey, du hast sogar einen Garderobenständer!“, „Deines ist viel geräumiger als meines“. Ein wenig fühlte ich mich in die Zeit des Jungscharlagers versetzt…. Vor allem, als es dann auch noch ans Betten beziehen ging.

Geschlafen habe ich übrigens besser als gedacht. Der erste Blick am Morgen fiel auf die wabenförmige Bürodecke mit ihren Flutlichtern. Am Gang huschte eine Kollegin im Bademantel vorbei. Ich werde das Funkhaus nie wieder mit den gleichen Augen sehen wie früher.

Um 12.00 Uhr geht’s dann für mich los zum ersten Nachrichten-Dienst in der Isolation.

Tag 1: Olivia Peter, Moderatorin

Liebes Tagebuch!

Wir sind eingezogen. 13 Frau und Mann. 14 Tage. Essen. Leben. Arbeiten. Schlafen. Im Funkhaus. Vom Gefühl her eine Mischung aus Landschulwoche, Ungewissheit und Vorfreude. Ein neues Leben beginnt. Nach langer Warterei, Gesundheitschecks und einem ersten Beschnuppern der Kolleginnen und Kollegen, die mit mir eingezogen sind, der erste Blick ins Zimmer. Das Zimmer mit dem klingenden Namen Musikzimmer wird meine Herberge für die nächsten Tage sein. Da, wo normalerweise die Musik für unser Radioprogramm zusammengestellt wird, werde ich jetzt schlafen.

Ich erwarte ein karges Feldbett. Einen dunklen Raum. Vollgestellt mit Schreibtischen. Kopiermaschinen. Aktenordnern. Unwohnlich. Ungastlich. Eben ein ganz normales Büro. Mitnichten. Und Neffen. Sorry, der schlechte Wortwitz musste sein. Aber ich bin wirklich kurz gerührt. Die Kolleginnen und Kollegen haben für mich gebastelt. Auf meiner Zimmertür hängt ein handgemaltes Schild mit meinem Namen und Foto dazu. Hier schlafe ich. Steht drauf. Auf dem Schild. Auf dem Feldbett – das kein Feldbett ist, sondern eines mit Lattenrost und Matratze, liegt eine große Tafel Schokolade. Viel Glück. Steht drauf. Dazu ein paar persönliche Worte, die mir Glück, Durchhaltevermögen und viel Kraft wünschen. Aber das war’s noch nicht. An der Wand eine Art „Adventkalender“. Kleine bunte Packerln. Rot. Grün. Orange. Blau. Für jeden Tag eines. Wie lieb kann man sein? So viel Freude.

An einer Schnur hängen farbige Packerl mit Süßigkeiten
ORF/Olivia Peter
Für uns Isolierte gibt es sogar Geschenke!

Vor der Studiotür ein großes Plakat. Mit Fotos und persönlichen Botschaften vom gesamten Radio Wien Team. Aufmunternde Worte. Gute Wünsche und Gedanken. Auch wenn wir alleine sind in den nächsten zwei Wochen, irgendwie sind trotzdem alle da. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr habt mir so viel Freude gemacht mit eurer großen Aufmerksamkeit und Unterstützung. Ich bin nicht nur angekommen. Ich bin zu Hause. Und wenn die große Krise kommt, esse ich einfach den Inhalt von allen bunten Packerln auf einmal.

Bis morgen!
Deine Olivia

Tag 1: Brigitte Wolf, Landesdirektorin

Ich habe gestern die gleiche Prozedur durchgemacht (keine Ausnahme für Direktorinnen – sic!) – ankommen, Fieber messen, warten, Dagmar und Matthias Rede und Antwort stehen (jede/r, die/der mich kennt, weiß, wie ich das liebe☹), wieder warten, Problem lösen (eine von uns durfte wegen eines von Allergie leicht geröteten Halses nicht in den Isolationsbereich), dann Gesundheitscheck und dann wieder warten. Warten, bis „Wien heute“ zu Ende ist und alle Kolleg*innen, die gestern noch Radio und Fernsehen gemacht haben, das Funkhaus verlassen hatten.

Fotostrecke mit 2 Bildern

Umfunktioniertes Büro mit Bett
ORF
Morgenkleid
ORF

Ich habe dann das Chefredakteur-Zimmer in Beschlag genommen und es zu einem schnuckeligen Multifunktionsbüro umgewandelt. Paul hat das anfänglich liebevoll kommentiert, aber dann hab ich mein „Morgenkleid“ (im Unterschied zu Morgenmantel) auf den einzig verfügbaren Nagel gehängt. Wo sein Rapid-Emblem hängt. Da war dann Schluss mit lustig. Ich fürchte, ich muss mir Einiges überlegen, um diesen blasphemischen Akt wieder gut zu machen.

Brigitte Wolf am Servicetelefon
ORF

Aber die echte Herausforderung kam erst heute – Dienst beim Servicetelefon, an der Seite von Profi Claudia, eine wunderbar geduldige, ruhige Lehrmeisterin. Ich habe diese Arbeit nie gering geschätzt, aber seit heute weiß ich erst, wie unglaublich wichtig sie ist und wie stressig der Dienst ist, wenn 5 Anrufer*innen gleichzeitig in der Leitung sind. Hut ab von unseren Kolleg*innen, die das tagaus, tagein machen. Morgen geht es um 7.30 uhr mit „WOW“ wieder los – ich gehe sicherheitshalber sehr bald ins Bett. Gute Nacht!