Mahnwache anlässlich des bevorstehenden Prozess wegen den Umständen des Todes des nigerianischen Schubhäftling Marcus Omofuma, heute Vormittag vor dem Innenministerium in Wien.
APA/Guenter R. Artinger
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Chronik

Zwischenfälle in Schubhaft: Eine Chronologie

Fahrlässige Tötung, Brandstiftung, „eskalierte Amtshandlungen“ der Polizei – in Österreich haben sich in der Vergangenheit immer wieder Zwischen- und Todesfälle von Schubhäftlingen oder Asylwerbern in Haft ereignet.

12. Juni 2019: Ein 58-jähriger Ungar stirbt in Schubhaft in seiner Einzelzelle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände. Am Tag zuvor hatte er im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Rechtsberatung Besuch von einem Mitarbeiter der Diakonie erhalten. Dieser hat den Mann „in einem sehr schlechten Gesundheitszustand“ angetroffen.

Der Diakonie-Mitarbeiter vereinbarte mit dem 59-Jährigen für den nächsten Tag einen weiteren Termin. Als er im PAZ eintraf, wurde ihm mitgeteilt, dass der Ungar in der Früh gestorben sei. Hinweise auf Fremdverschulden gab es nicht. Eine Obduktion wurde angeordnet, um die Todesursache zu klären – mehr dazu in Mann in Schubhaft gestorben.

14. September 2018: Sechs Schubhäftlinge – fünf Afghanen und ein Iraner im Alter zwischen 21 und 34 Jahren – zünden ihre Zelle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel an. Einer der Insassen hätte am nächsten Tag abgeschoben werden sollen, zwei Mitgefangene wären am 17. bzw. 19. September außer Landes gebracht worden. Das wollten die Männer verhindern, indem sie mit dem Feuer auf sich aufmerksam machten.

Im Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gprtel in Wien-Josefstadt ist am Freitagabend, 14. September 2018 ein Feuer ausgebrochen. Das Feuer wurde von sechs Schubhäftlingen gelegt, wie die Polizei in einer Aussendung mitteilte. Im Bild: Die abgebrannte Zelle. WIR WEISEN AUSDR†CKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GR†NDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEF†HRTEN ZWECK UND REDAKTIONELL ERFOLGEN DARF – VOLLST€NDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND ++
APA/LPD Wien
Sechs Schubhäftlinge zündeten im September 2018 ihre Zelle an

Die Schubhäftlinge erlitten zum Teil schwere Verletzungen, auch drei Polizisten zogen sich bei den Rettungsmaßnahmen Rauchgasvergiftungen und Prellungen zu. Die sechs Männer wurden wegen schwerer Sachbeschädigung, fahrlässiger Gemeingefährdung und fahrlässiger Körperverletzung zu Haftstrafen zwischen sechs und zwölf Monaten verurteilt. Beim Prozess gaben sie an, nicht daran gedacht zu haben, anderen Personen damit Schaden zuzufügen.

27. September 2012: Der 35-jährige tschetschenische Asylwerber Zelimkhan Isakov stirbt an einem Herzinfarkt, nachdem er in der Schubhaft im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel wiederholt über gesundheitliche Probleme geklagt und neben Unterleibs- und psychischen Beschwerden auch Schmerzen in der Brust geltend gemacht hatte.

Zwei Wiener Amtsärzte hatten es unterlassen, bei Untersuchungen am 14. bzw. 16. September 2012 mit einem EKG-Gerät diese näher abzuklären. Sie wurden wegen fahrlässiger Tötung zu Geldstrafen verurteilt.

14. September 2009: Ein indischer Schubhäftling stirbt nach einem Hungerstreik im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernalser Gürtel an einem Herzinfarkt. Der 20-jährige Gaganpreet Singh K. hat sich seit 4. August in Schubhaft befunden und ist drei Tage nach seiner Einlieferung in Hungerstreik getreten.

Bakary J. vor Beginn der Verhandlung gegen die Republik Österreich wegen Folgen von polizeilicher Misshandlung am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien
APA/Herbert Pfarrhofer
Bakary Jassey wurde von Beamten misshandelt

7. April 2006: Der Schubhäftling Bakary J. wird bei einem Polizeieinsatz in einer Lagerhalle in Wien-Leopoldstadt von Beamten misshandelt und schwer verletzt. Zu der Misshandlung kam es nach seiner gescheiterten Abschiebung. Vier WEGA-Beamte wurden Ende August zu mehrmonatigen bedingten Haftstrafen verurteilt. Sie dürfen zunächst weiter Polizeidienst verrichten und wurden Jahre später erst entlassen.

13. August 2005: Ein 34-jähriger Nigerianer richtet im Polizeigefangenenhaus Hernalser Gürtel eine Bluttat an, bei der ein aus Polen stammender Schubhäftling getötet und zwei weitere Insassen verletzt werden. Aufgrund eines Aufenthaltsverbots war der Mann am 2. Mai 2005 in Schubhaft genommen worden. Er teilte sich mit Polen, Chilenen und Moldawiern eine Acht-Mann-Zelle. Im Juli trat der Häftling zumindest vorübergehend in den Hungerstreik. Anfang 2006 wurde der Nigerianer rechtskräftig in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

22. Februar 2005: Im Wiener Polizeigefangenenhaus Hernalser Gürtel nimmt sich ein Algerier in Schubhaft das Leben. Der Mann hat sich in seiner Zelle erhängt, zuvor war er in Hungerstreik getreten.

Mahnwache anlässlich des bevorstehenden Prozess wegen den Umständen des Todes des nigerianischen Schubhäftling Marcus Omofuma, heute Vormittag vor dem Innenministerium in Wien.

Guenter R. Artinger
APA/Guenter Artinger
Der Tod von Marcus Omofuma sorgte für mehrere Schuldsprüche für Polizeibemate

1. Mai 1999: Hohe Wellen schlägt der Fall des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma, der auf dem Flug nach Sofia in Polizeigewahrsam stirbt. Die drei den 25-Jährigen begleitenden Fremdenpolizisten hatten ihn laut Zeugen in der Maschine gefesselt und geknebelt. Das Gericht in Korneuburg stellte in seinem Urteil knapp drei Jahre später den Erstickungstod fest und verurteilte die Polizisten wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Umständen. Das Strafmaß von acht Monaten bedingt ermöglichte den Verurteilten eine Weiterbeschäftigung als Polizeibeamte.