Schöpfwerk Architektur
ORF/Chiara Swaton
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Chronik

Schöpfwerk: Sozialer Brennpunkt wird 40

Das Schöpfwerk feiert heuer sein 40-Jahre-Jubiläum. Mit 1.730 Wohnungen zählt die Gemeindebausiedlung auf dem Wienerberg zu den größten Wiens. Doch wie lebt es sich dort? Die Bewohnerinnen und Bewohner sind unterschiedlicher Meinung.

Im Süden von Meidling findet sich direkt neben der gleichnamigen U6-Station eine der größten Hochhaussiedlungen der Stadt: das Schöpfwerk. Auf 62 Stiegen verteilt leben hier über 5.500 Bewohnerinnen und Bewohner. In der Anlage gibt es etwa eine eigene Polizeistation, eine Post, zwei Schulen und drei Kindergärten.

1979 wurde das Neue Schöpfwerk – von dem heute meist die Rede ist, wenn man vom Schöpfwerk spricht – zum Großteil fertiggestellt. Am Samstag fand aus diesem Grund auf dem Dorfplatz genannten Areal das Schöpfwerkfest statt.

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Musiktruppe im Innenhof
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Beim Schöpfwerkfest bespielte eine Musiktruppe auch den Innenhof
Schöpfwerkfest
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Das Schöpfwerkfest auf dem Dorfplatz des Gemeindebaus fand heuer bereits zum siebenten Mal statt 
Tanzen auf der Bühne, Schöpfwerkfest
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Auf der Bühne wurde ein Gypsy-Tanz für die Bewohnerinnen und Bewohner veranstaltet
Mitarbeiterinnen des Nachbarschaftszentrums des Wiener Hilfswerks
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Diese Mitarbeiterinnen des Nachbarschaftszentrums des Wiener Hilfswerks organisierten unter anderem das Schöpfwerkfest

Trotz solcher Veranstaltungen hat das Schöpfwerk nicht unbedingt den besten Ruf. Vielmehr gilt es seit jeher als sozialer Brennpunkt, wo es immer wieder zu Konflikten kommt. Fragt man die Bewohnerinnen und Bewohner, wie zufrieden sie mit ihrem Leben in der Gemeindebauanlage sind, bekommt man unterschiedliche Antworten.

„Ich fürchte mich immer, wenn es dunkel ist“

Einige äußern Beschwerden und Sorgen. So etwa eine Tierbetreuerin, die seit 23 Jahren hier lebt. Man trifft sie öfters beim Flohmarkt im Hof, den sie organisiert. Sie und eine Handvoll anderer Bewohnerinnen und Bewohner, die ihr an diesem Tag Gesellschaft leisten, würden das Wohnen am Schöpfwerk überhaupt nicht weiterempfehlen: „Lebensqualität gibt es hier gar keine mehr.“

„Als Frau wird man angefeindet. Ich fürchte mich immer, wenn es dunkel ist. Einmal im Sommer konnte ich vom Fenster aus beobachten, wie Gruppen verschiedener Nationalitäten mit Eisenstangen aufeinander losgegangen sind“, behauptet die Frau.

Polizeisprecher Patrick Maierhofer betont, dass das Sicherheitsempfinden oft mit individueller Wahrnehmung verbunden sei. Das Schöpfwerk stelle aus Sicht der Polizei aber kein Problem dar: „Es wohnen sehr viele Menschen in diesem Bereich, also sind vereinzelte Polizeieinsätze nichts Ungewöhnliches. Es lässt sich aber kein erhöhtes notwendiges polizeiliches Einschreiten feststellen. Wir würden die Gemeindebauten sogar als unauffällig bezeichnen.“

Günstige Mieten und steigende Müllverschmutzung

Beschwert man sich wegen anderen Bewohnerinnen und Bewohnern, werde einem bloß geraten, auszuziehen, behauptet die Tierbetreuerin. „Aber ich zahle 572 Euro Miete. Wieso soll ich woanders einen Tausender zahlen, wenn ich hier schon 23 Jahre wohne und alles eingerichtet habe?“

Bezüglich der Mietpreise unterscheidet sich das Schöpfwerk nicht von anderen Gemeindebauten, die an den gesetzlich festgelegten Richtwertmietzins gebunden sind. „Am Schöpfwerk wird es sicherlich noch viele ältere Mieterinnen und Mieter geben, die Jahrzehnte alte Mietverträge mit – aus heutiger Sicht – extrem günstigen Konditionen besitzen“, sagt der Pressesprecher von Wiener Wohnen, Markus Leitgeb.

Laut der Flohmarktrunde habe auch die Müllverschmutzung extrem zugenommen. Eine Bewohnerin zeigt daraufhin gleich Fotos her, auf denen stark verschmutzte Gänge zu sehen sind. „Das Lustige ist, sie (die Müllreinigung, Anm.) kommen jeden zweiten Tag saubermachen, und zehn Minuten später, wenn sie weg sind, sieht es wieder genauso aus“, wirft ein Mann ein.

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Fotos von Müll in den Stiegenhäusern
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Einige Bewohnerinnen und Bewohner sehen in der Müllverschmutzung ein großes Problem
Schöpfwerk-Bewohnerin
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Die 43-jährige Tierbetreuerin fühlt sich nachts nicht sicher
Bewohnerin am Schöpfwerk
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Behnaz (24) wünscht sich weniger Müll
Bewohnerinnen des Schöpfwerks
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Zeliha (32) und Semra (30) ebenso
Bewohner am Schöpfwerk
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Werner Hofer, Mietervertreter, findet den schlechten Ruf des Schöpfwerks ungerechtfertigt

„Ich liebe diese Siedlung“

Auch Tamara Strobl, die in der Trafik beim Schöpfwerk arbeitet und hier seit 30 Jahren eine Wohnung hat, findet, dass Verschmutzung und Vandalismus im Vergleich zu früher stark zugenommen haben. Im Großen und Ganzen fühlt sie sich hier aber sehr wohl: „Ich liebe diese Siedlung, weil sie wie ein kleines Dorf ist. Man hat das Gefühl, dass jeder jeden kennt.“ Sie würde sich jedoch wünschen, dass in der Einkaufszeile wieder mehr Geschäfte aufsperren.

Die 24-jährige Behnaz und ihre Mutter, die aus dem Iran gekommen ist, wohnen seit mehreren Jahren hier und hätten ebenfalls gerne eine sauberere Anlage. „Das Schöpfwerk ist eigentlich sehr schön, aber es ist dreckig.“ Was ihnen auch auffällt, ist, dass es abends nach 22.00 Uhr noch öfters laut sei. Ansonsten wohnen sie aber gerne hier. Behnaz’ Geschwister besuchen die Schulen im Gemeindebau, mit denen sie sehr zufrieden sind. Die Bewohnnerinnen Zeliha und Semra wünschen sich auch weniger Müll, ansonsten haben sie nicht wirklich etwas auszusetzen.

„Schlechter Ruf besteht völlig zu Unrecht“

Werner Hofer ist einer der Mietervertreter am Schöpfwerk. Er vermittelt zwischen den Mietern und Wiener Wohnen, das die Gemeindebauten in Wien verwaltet. Er behauptet, die meisten Menschen hier zu kennen. Seiner Meinung nach gibt es keine wirklichen Probleme am Schöpfwerk, das meiste seien Ärgernisse. Dass es bei so vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen zu Problemen kommen kann, sei klar. „Aber eine hohe Kriminalitätsrate haben wir am Schöpfwerk nicht. Der schlechte Ruf besteht völlig zu Unrecht.“

Ähnlich sieht es Claudia Jahn-Reinwald, diplomierte Sozialarbeiterin beim Nachbarschaftszentrum des Wiener Hilfswerks am Schöpfwerk. „Dafür, dass es hier so viele Menschen, verschiedene Kulturen und Muttersprachen gibt, gibt es wenig Probleme.“ Auch in anderen Häusern, die kleiner und privat geführt sind, gäbe es dieselben Schwierigkeiten. Was ihr beim Schöpfwerk besonders positiv auffällt, sind die ihrer Meinung nach außergewöhnlich großen und schönen Wohnungen, die die Gemeindebauanlage zu bieten hat.

Wiener Wohnen kennt Müllprobleme

Laut Wiener-Wohnen-Pressesprecher Leitgeb sei erst am Montag eine Schwerpunktaktion im Schöpfwerk bezüglich der Müllsituation durchgeführt worden. „Die Mieterinnen und Mieter wurden intensiv über richtige Mülltrennung und Entsorgung beraten, außerdem finden verstärkt Kontrollen durch die Wiener-Wohnen-Ordnungsberaterinnen und -berater statt“, erklärt er. Bei einem Vergehen würden Ordnungsstrafen von 50 Euro ausgestellt werden, bei Anzeigen könnten diese auf Kosten bis zu 2.000 Euro steigen. Ganz Uneinsichtige müssten unter Umständen mit einer Unterlassungsklage rechnen.