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ORF.at/Christian Öser
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Gesundheit

Kranke meiden vermehrt Hausärzte

Die Hausarztbesuche nehmen österreichweit stetig ab, besagt eine aktuelle Studie. Kranke gehen stattdessen verstärkt zum Facharzt, in die Krankenhausambulanz oder sie begeben sich direkt in stationäre Betreuung.

Die E-Card ermöglicht seit 2005 in Österreich allen Versicherten den direkten Zugang zu allen Stufen des Gesundheitssystems: vom Hausarzt bis zur Universitätsklinik. Der Effekt: Spitals-, Amubulanz- und Facharztbesuche nehmen stetig zu, wie eine aktuelle Studie von Kathryn Hoffmann vom Zentrum für Öffentliche Gesundheit der MedUni Wien zeigt.

Innerhalb von zwölf Monaten hatten 2006/2007 78,8 Prozent der Österreicher einen Hausarzt besucht, 2014 waren es nur noch 76,2 Prozent (minus 1,6 Prozent). Im Vergleich dazu stieg der Anteil der Menschen mit Facharztkonsultationen von 67,4 Prozent auf 74,4 Prozent (plus sieben Prozent) an. Die Häufigkeit der Ambulanzbesuche erhöhte sich von 18,6 auf 24,9 Prozent (plus 6,3 Prozent). Die Rate der stationären Aufnahmen ins Krankenhaus stieg von 22,8 Prozent auf 23,3 (plus 0,5 Prozent).

Daten für die Studie

Verglichen wurden die Daten von 2006/2007 und 2014, wie sie mit der Umfrage zum Gesundheitszustand und dem Gesundheitsverhalten der Österreicherinnen und Österreicher von der Statistik Austria erhoben wurden.

Knapp ein Viertel einmal im Jahr im Spital

Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob der Zugang zu den spezialisierten und damit teureren Stufen der Gesundheitsversorgung in Österreich – wie in anderen Staaten – tatsächlich frei sein oder doch über Hausärzte erfolgen soll. Beklagt werden die hohen Frequenzen bei den „ungelenkten“ Spitalsambulanzbesuchen, die auch vergleichsweise oft in stationären Aufnahmen münden. Knapp ein Viertel der Menschen in Österreich ist einmal im Jahr im Krankenhaus – ein sehr hoher Wert im internationalen Vergleich.

Spitalsbetten
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Ambulanzbesuche münden vergleichsweise oft in einen stationären Aufenthalt

Fachleute weisen darauf hin, dass am ehesten die Hausärzte – abgesehen von absoluten Notfällen und Spezialfächern wie Gynäkologie und Augenheilkunde – abklären könnten, welche medizinischen Schritte nach einem Anfangsverdacht auf eine Erkrankung am besten zu setzen seien.

Direkt ins Krankenhaus

Doch gerade bei jenen „ungelenkten“ Facharzt- und Spitalskontakten (Ambulanzen, stationäre Aufnahme) zeigte sich zwischen 2006/2007 und 2014 eine gegenläufige Entwicklung. 15,1 Prozent der Österreicher gingen laut der Befragung 2006/2007 in den letzten zwölf Monaten ohne vorherigen Besuch ihres Hausarztes zum Facharzt. 2014 waren es 18,8 Prozent (plus 3,76 Prozent).

Kranke meiden Hausärzte

Eine Studie des MedUni Wien zeigt jetzt das auf, was in Spitälern Alltag ist. Immer mehr Patientinnen und Patienten lassen den Hausarzt links liegen und gehen gleich ins Spital. Der Hausarztmangel ist eine Ursache dafür.

Besonders stark erhöhten sich in dem analysierten Zeitraum offenbar die Besuche in Spitalsambulanzen ohne vorherigen Hausarztkontakt: von 8,5 auf 14,9 Prozent (plus 6,4 Prozent). Stationäre Aufnahmen ohne Hausarztkontakt hatten im Jahr vor der Befragung von 2006/2007 eine Häufigkeit von 8,1 Prozent. Bei der Befragung im Jahr 2014 gaben das 12,2 Prozent an (plus 4,1 Prozent).

„Beunruhigende“ Entwicklung

Die Problematik dürfte insbesondere darin liegen, dass sich offenbar auch jene Bevölkerungsgruppen mittlerweile sehr häufig direkt zum Facharzt oder gleich ins Krankenhaus begeben, die das früher nicht in diesem Ausmaß getan hätten, so die Studienautorin. Die Entwicklung sei „beunruhigend, was die Trends im Gesundheitssystem, Bemühungen um Kostenkontrolle und Qualität der Versorgung“ betreffe, so Hoffmann.

Die Zahlen ihrer Studie deuteten darauf hin, dass die Patientenwege durch das Gesundheitssystem stärker gelenkt werden müssten, so Hoffmann im Interview mit Radio Wien. Bevor jedoch Kranke verstärkt zu den Hausärzten geschickt werden, müsse dieser Bereich der Primärversorgung – etwa mit speziellen Zentren – ausgebaut werden, so Hoffmann.