Das Haus der Bruna Sudetia in der Wiener Josefstadt.
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

Burschenschafter zu NS-Liederbuch befragt

Bei den Ermittlungen wegen antisemitischer Texte in einem Liederbuch, das von der Burschenschaft Bruna Sudetia stammen soll, werden nun Mitglieder der Burschenschaft als Zeugen befragt. Bis klar ist, ob Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird, wird es noch Monate dauern.

„Es sind mehrere Zeugen ausgeforscht worden, und die Befragungen laufen“, bestätigte eine Sprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft auf Anfrage von wien.ORF.at. Die Anklagebehörde rechnet mit einem „Abschlussbericht der Polizei bis Ende des Sommers“, danach werde entschieden, ob es einen Vorhabensbericht an das Ministerium geben wird. Bei wem es sich um die Zeugen handelt, wollte die Sprecherin mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht sagen.

„Es werden circa 15 bis 20 ehemalige und aktive Mitglieder der Bruna Sudetia befragt. Die Befragungen laufen noch. Mir sind vorab auch schon rund 20 Fragen übermittelt worden“, sagte Rechtsanwalt Werner Tomanek, der einige der Beschuldigten vertritt.

Ein Liederbuch das angeblich der Burschenschaft „Bruna Sudetia“ zuzuordnen ist, wie der „Falter“ berichtet.
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Das Liederbuch, das laut „Falter“ angeblich der Burschenschaft Bruna Sudetia zuzuordnen ist

„Wir schaffen die siebte Million“

Ermittelt wird wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gemäß Verbotsgesetz und Verhetzung. Aufgekommen waren die Vorwürfe gegen die Burschenschaft, nachdem der Stadtzeitung „Falter“ Anfang des Jahres 2018 ein Liederbuch mit judenfeindlichen Strophen zugespielt worden war, das von der Bruna Sudetia stammen soll. In dem Liederbuch findet sich unter anderem die Liedzeile „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ – eine Verhöhnung des Massenmords an den Juden in der NS-Zeit.

Vorsitzender der Burschenschaft ist Herwig Götschober, einstiger Pressereferent von Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ). Die Staatsanwaltschaft Wien hatte das Verfahren im Februar 2018 eingeleitet. Nach dem Bericht im „Falter“ war es am 21. Februar 2018 auch zu einer Hausdurchsuchung der „Bude“ der Burschenschaft in der Josefstadt gekommen. Dabei seien mehrere Kisten mit ihm unbekanntem Material beschlagnahmen worden, sagte Götschober, der mittlerweile nicht mehr im Verkehrsministerium arbeitet.

Herwig Götschober am Donnerstag, 22. Februar 2018, im Rahmen einer PK der Burschenschaft Bruna Sudetia in Wien
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Götschober 2018 bei einer Pressekonferenz der Burschenschaft Bruna Sudetia

Sachverständiger abberufen

Die Ermittlungen dauern auch deshalb so lange, weil ein Sachverständiger abberufen wurde. Im März 2018 war ein Sachverständiger bestellt worden, der klären sollte, ob und welche NS-Inhalte im Buch vorkommen. Gegen ihn legten die Beschuldigten aber Beschwerde ein, weil sie seine Objektivität bezweifelten – und waren damit letztlich erfolgreich. Der Sachverständige arbeitet für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW).

Eine „einseitige politische Motivation“ des DÖW – wie von den Beschuldigten vorgebracht – war nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) zwar nicht gegeben. Aber in der Begründung zur Ablehnung hieß es: „Evident ist, dass das DÖW konkret die Aktivitäten der Burschenschaft einschließlich des hier relevanten Vorwurfs im Blick hat und das hier zu prüfende Tatgeschehen öffentlich einsehbar bereits als ‚rechtsextrem‘ verortet hat.“ Das DÖW wies das damals in einer Aussendung zurück und verwies darauf, dass der Gutachter „nicht in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter des DÖW“, sondern aufgrund seiner „anerkannten Expertise zum Forschungsfeld Burschenschaften“ ausgewählt wurde – und zwar „ad personam“.