Eingang zur Abteilung Kardiologie im SMZ Süd
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Chronik

KAV: Attacken nicht zu verhindern

Ein Patient sticht seinen Arzt vor den Augen wartender Menschen in einem Spital nieder. Dass das in einem Wiener Spital, noch dazu ein Sicherheitspartner der Polizei, passiert, wirft die Frage auf, wie es um die Sicherheit in Wiener Krankenhäusern bestellt ist.

Als Science-Fiction bezeichnete es Harald Stefan, Experte für Gewaltprävention und Sicherheit im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), zu glauben, Vorfälle wie im Kaiser-Franz-Josef-Spital am Mittwoch könnten sich verhindern lassen. Der Angriff des 33-jährigen Verdächtigen kam völlig überraschend. Der mutmaßliche Täter war ein bekannter Patient, der unauffällig im Wartezimmer gesessen war, bis er das Messer zog – mehr dazu in Patient sticht Arzt mit Messer nieder.

Aber es sei nun wichtig, den Vorfall aufzuarbeiten, alle Beteiligten zu befragen, sagte Stefan: „Uns geht es in diesen Aufarbeitungen nicht darum, einen Schuldigen zu suchen und dass man sagt, wer hat irgendetwas unterlassen, sondern es geht darum, aus diesen Situationen zu lernen.“ Der Messerangriff werde Auswirkungen auf das Sicherheitskonzept des Spitals haben. Ebenso wichtig sei es, die Augenzeugen des Vorfalls psychologisch zu begleiten.

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Schulungen sollen helfen, aggressive Gewalt zu verhindern

Schulungen im KAV seit 15 Jahren

Tätliche Angriffe kommen laut Stefan viel seltener vor als verbale Aggression. Es sei aber von Bedeutung, Mitarbeiter so zu schulen, dass sie auch in Extremsituationen gewisse Abläufe einhalten können. Zu verhindern seien solche Zwischenfälle nicht, wiederholte Stefan. Aber wichtig sei, dass Hilfe und Betreuung so rasch wie möglich einsetzen, dass Menschen nicht alleine gelassen werden. Der KAV setzt laut Stefan seit 15 Jahren intensive Maßnahmen, um gegen Aggression gewappnet zu sein. Dabei werde auch gelehrt, heikle Situationen präventiv zu erkennen.

Die individuellen Motive für Gewalttaten seien ganz unterschiedlich. Es heißt grundsätzlich, dass jemand dann aggressiv wird, wenn ein Bedürfnis nicht erfüllt wird, erklärte Stefan. Es sei oft sehr schwierig, alle Bedürfnisse sofort zu erkennen und zu erfüllen. Dagegen seien die Schulungen im KAV ausgerichtet. Es gelte, gestresstes Verhalten zu erkennen und relativ schnell Kontakt herzustellen. Dann könne man die Situation kontrollieren und Sicherheit gewährleisten. Es gelte, sobald wie möglich auf Bedürfnisse einzugehen und so umzulenken, dass es zu keinen aggressiven Handlungen kommt.

Arzt in Ambulanz niedergestochen

In der Herzambulanz im SMZ Süd sticht ein 33-jähriger Patient einen Kardiologen nieder. Warum ist unklar. Fest steht, der subsidiär Schutzberechtigte stand bereits davor in Behandlung bei dem Arzt.

Pilotprojekt Grätzlpolizist anders ausgerichtet

Das Kaiser-Franz-Josef-Spital ist seit Juni des 2018 Sicherheitspartner für die Favoritner Polizei. Die Polizei zeigt Präsenz durch regelmäßige Fußstreifen auf dem Spitalsgelände und führt Informationsveranstaltungen durch. Das soll für mehr Sicherheit sorgen. „Die Kooperation mit der Grätzlpolizei wird uns helfen, Probleme schon im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden. Und sollte es doch zu einem akuten Notfall kommen, wissen unsere Kolleginnen und Kollegen, an wen sie sich wenden können", sagte im Vorjahr Projektleiter Helmut Wally.

Doch auch Grätzlpolizisten können solche Vorfälle nicht verhindern. Dazu wäre eine Präsenz rund um die Uhr an allen Orten des Spitals nötig – deshalb sprach KAV-Sicherheitsexperte Stefan von Science-Fiction. Zudem ist das Pilotprojekt darauf ausgerichtet, die Zusammenarbeit und den Dialog zwischen Bevölkerung, Polizei und Behörden zu verbessern. Über einen regelmäßigen Dialog auf Augenhöhe soll der Austausch von Informationen gestärkt werden.

Keine Zahlen zu Gewalt

Wie oft es in den Spitälern in der Bundeshauptstadt zu Gewalttätigkeiten gegenüber Ärzten und Pflegekräften kommt, wird vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) nicht kommuniziert. Man wolle die Patienten nicht beunruhigen, hieß es am Donnerstag.

„Es geht nicht darum, etwas unter den Teppich zu kehren. Konkrete Zahlen könnten allerdings ein falsches Bild zeichnen. Es könnte der falsche Eindruck entstehen, dass man sich fürchten muss, wenn man ins Spital geht“, argumentierte KAV-Sprecherin Marion Wallner.

Im Großteil der Fälle gehe es um verbale Gewalt, körperliche Übergriffe seien die Ausnahme. Betroffen wären vor allem psychiatrische Abteilungen, „wo Patienten aufgrund ihres Gesundheitszustands oft nicht adäquat reagieren können“, sagte Wallner. Mit Securitys und Video-Überwachung – beides gibt es laut Wallner in jeder Krankenanstalt zumindest „in besonders vulnerablen Bereichen“ – habe man gute Erfahrungen gemacht. Das Hauptaugenmerk richtet man beim KAV auf Präventivmaßnahmen, „um Gewalt zu verhindern“, wie Wallner betonte.

Ärztekammer: „Spitäler wie Gerichte sichern“

„Die bisherige Security ist nicht ausreichend“, hielt dem Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK) und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, entgegen.

Der aktuelle Fall ist laut ÖAK-Präsident Thomas Szekeres „der traurige Tiefpunkt einer Entwicklung, die wir schon länger mit Sorge beobachten“. Aggressives Verhalten und Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal nehmen immer weiter zu, hielt Szekeres fest. Die ÖAK forderte daher „dringend wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Spitälern“. Die Sicherheit von Ärzten und anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe sowie ein unbelastetes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient seien entscheidende Säulen der Gesundheitsversorgung. „Spitalsärzte brauchen ein sicheres Arbeitsumfeld“, insistierte ÖAK-Vize Mayer.

Grundsätzlich sind nach Dafürhalten der ÖAK für alle Spitäler Sicherheitskonzepte geboten und gehören Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter etabliert. „Andernfalls brauchen wir wohl bald Sicherheitschecks wie am Flughafen“, warnte Mayer.

Anti-Gewalt-Paket vorbereitet

Daneben tritt die ÖAK dafür ein, Angriffe auf Gesundheitspersonal wie bei Polizisten, Gutachtern und Beamten strafrechtlich generell als schwere Körperverletzung zu ahnden. Die könne auf einen Teil der Täter abschreckend wirken. „Wir werden alles tun, um unsere berechtigten Forderungen durchzusetzen und um weitere Gewalttaten gegenüber Ärztinnen und Ärzten verhindern zu helfen“, kündigte ÖAK-Präsident Szekeres an. Ein Anti-Gewalt-Paket in Form von Strafrechtsverschärfungen liege bereits beim Parlament: „Jetzt ist der Zeitpunkt, es auch zu beschließen.“