Sie sind mobil, aufgeschlossen und zahlreich: Die Seite „Couchsurfing“ weist 50.000 Gastgeberinnen und Gastgeber in Wien aus. Sie bieten Reisenden an, vorübergehend bei ihnen unterzukommen. Geld ist dabei nicht im Spiel. Warum manche Menschen Unbekannten umsonst Zutritt zu den eigenen vier Wänden gewähren? Der 22-jährige Couchsurfer Wolfgang erklärt sich die Bereitschaft mit dem Wunsch nach internationalen Freundschaften. „Man lernt Leute aus der Gegend sofort sehr persönlich kennen und bekommt einen Einblick in das Leben dort.“
Außerdem beruhe das System auf Gegenseitigkeit. Eine Wienerin, die in Spanien unterkommt, wird den spanischen Gastgeber beim nächsten Wien-Besuch vermutlich gerne aufnehmen und damit den eigenen Wohnraum und die eigene Zeit mit einem vormals „Fremden“ teilen.
Bücher zur freien Entnahme
Mit dem Teilen hat auch Frank Gassner Erfahrung: Der langjährige Assistent von Kunstlegende Hermann Nitsch hat 2010 den ersten von drei „Offenen Bücherschränken“ in Neubau aufgestellt. Die Idee dahinter klingt simpel: Jeder und jede kann Bücher in den „Gratisbuchhandlungen“ deponieren und mitnehmen, ohne einen Cent zu zahlen.
Neun Jahre später wundert sich Gassner selbst, dass das Konzept funktioniert: „Am Anfang hab‘ ich mir gedacht: Verdammt, da gibt’s Leute, die nehmen einfach alle Bücher mit und verklopfen sie dann. So wie manche Leute am Buffett so lange essen, bis sie sich anspeiben. Aber es hat sich eingependelt. Wenn ich vorbeigehe, sind immer Bücher da.“ Gassners Erklärungsansatz: Es gebe wohl wirklich viele Bücher, die niemand mehr brauche.
So wie es „Leute im Park gibt, die Tauben füttern“, haben sich laut Gassner inzwischen Freiwillige gefunden, die die Bücherschränke versorgen, Kisten herumtragen und Bücher mit Stempeln versehen. Gassner selbst verlängert nur noch die Genehmigungen und kümmert sich um Administratives. An Selbstlosigkeit glaubt der Gymnasiallehrer aber trotzdem nicht; Handeln sei immer eigennützig. „Der Nutzen für jemanden kann ja auch darin liegen, sich glücklich dabei zu fühlen, wenn er zum Wohlbefinden anderer Menschen beiträgt.“
„Klar sind auch Schmarotzer dabei“
Auf freiwilligem Engagement beruht auch Gassners Gemeinschaftswerkstatt im siebten Bezirk, die seit 2006 „selbstverwaltet“ und „basisdemokratisch“ funktionieren will. Der monatliche Mitgliedsbeitrag von 65 Euro deckt nur Miete, Strom und Versicherung ab, keines der 22 Vereinsmitglieder verdient mit dem Projekt Geld. Nicht alle Mitglieder kommen aus idealistischen Gründen, meint Gassner: „Klar sind einige Schmarotzer dabei, die sagen: Boah, 65 Euro und ich kann tun und lassen, was ich will, ohne rausgeschmissen zu werden! Super!“
Aber wer beim Holz Einschlichten oder beim Putzen nicht mithilft, hat ernste Gespräche zu befürchten. „Und dann verabschieden sich eh die meisten. Denen ist das dann unangenehm.“ Die Mehrheit seiner Vereinskolleginnen und -kollegen packe jedenfalls engagiert mit an, weswegen sich die Werkstatt auch im 13. Betriebsjahr selbst erhalte und kein finanzieller Kollaps in Sichtweite ist, so Gassner.
Ein Auto als Gemeinschaftssache
Finanzielle Sorgen muss sich auch Stefan Waschmann nicht machen: Sein gemeinnütziger Carsharing-Verein „Elfride“ bringt ihm auch im sechsten Betriebsjahr zwar laut Eigenangaben kein Geld, dafür aber auch keine Verluste. Mit seinem Carsharing-Modell will er explizit diejenigen belohnen, die möglichst wenig Auto fahren: Wer eine Wiener Linien-Jahreskarte und ÖBB Vorteilscard besitzt, zahlt keinen Mitgliedsbeitrag. Dass die kleinste buchbare Einheit vier Stunden beträgt und jeder und jede die eigene Benzinrechnung begleichen muss, soll die Lust, das Angebot zu nutzen, zusätzlich drosseln.
Für sein Projekt wurde Waschmann (re.) 2015 mit dem Mobilitätspreis des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) ausgezeichnet.
Inzwischen ist Waschmanns Verein auf 17 Mitglieder angewachsen, die Warteliste bleibt lang. Waschmann betont, dass einzige Auto des Vereins nur einmal im Monat zu inspizieren – „den Rest machen die Mitglieder, die sind jetzt super eingespielt. Sie fahren auch von sich aus zur Waschstraße.“ Als seine Zielgruppe macht er pragmatische, nachhaltig denkende Menschen aus: „Die Poser, die mit einem BMW von DriveNow mit quietschenden Reifen um den Ring fahren, interessieren sich halt einfach nicht für einen 75-PS-Skoda.“
Den Grund, warum seine Mitglieder trotz günstiger Konditionen achtsam mit dem Auto umgehen, sieht Waschmann darin, dass sie wüssten, „dass die schwarze Null auf dem Spiel steht“. Wer wenig vorausschauend fahre, würde das Angebot durch Reparaturkosten automatisch für alle anderen teurer machen.
Geizhälse willkommen
Gut möglich, dass Waschmanns Vereinsauto manchmal an einem der 34 „Fair-Teiler“ in Wien vorbeifährt, die von „Foodsharing“-Aktivistinnen und Aktivisten betrieben werden. Bei den öffentlich zugänglichen Kühlschränken können auch Privatpersonen Essensreste vorbeibringen und mitnehmen, bei manchen rund um die Uhr. Viele der Kühlschränke befinden sich in Lokalen wie im „Café 7stern“, einzelne, wie der Kühlschrank am Elisabethplatz im 4. Bezirk, stehen frei zugänglich in einem Hof.
Obwohl das Konzept darauf beruht, dass sich Geben und Nehmen die Waage halten, hat Peter-Alexander Pöltl, einer der Hauptorganisatoren in Wien, auch kein Problem mit Menschen, die mit riesigen Einkaufstaschen aus Geiz die Kühlschränke plündern: „Selbst wenn es einzelne Leute geben sollte, die gierig sind – so lange das Essen nicht weggeworfen wird, ist uns das nur Recht.“ Wie oft schon ganze Kühlschränke mitgenommen worden sind? Pöltl kann sich nur an einen Kühlschrank erinnern, der in Graz eines Nachts verschwand. Aber: „Wenn es jemand so notwendig hat, ist der Kühlschrank halt weg. Wir bekommen laufend Kühlschränke geschenkt.“
Eigennützigkeit hin oder her: Unter manchen Umständen scheint Teilen auch ohne Geld zu funktionieren.