Chronik

Drohung in Wohneinrichtung: 15 Monate Haft

Ein 15-Jähriger, der in einer betreuten Wohneinrichtung mit einem Messer auf Mitbewohner und Betreuer losgegangen war, ist zu 15 Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht wertete den angeklagten versuchten Mord als gefährliche Drohung.

Von den 15 Monaten sind fünf Monate unbedingt. Nach den fünf Monaten – zwei Monate muss der seit April in U-Haft sitzende 15-Jährige noch absitzen – hat er die Weisung bekommen, in eine Wohneinrichtung für straffällig gewordene Jugendliche zu ziehen. Dort sollen engmaschige jugendpsychiatrische, psychotherapeutische und sozialarbeiterische Maßnahmen ergriffen werden.

„Sie brauchen Ordnung und Tagesstruktur“, sagte die Vorsitzende des Schöffensenats in ihrer Urteilsbegründung zu dem Angeklagten. Der Jugendliche hatte es in seinem bisherigen Leben nicht leicht. Seit seinem sechsten Lebensjahr übernahm die Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) seine Betreuung, da er und seine Schwester aufgrund massiver Gewalt aus der Familie geholt werden mussten.

Streit mit Mitbewohner

Unter Tränen schilderte der 15-Jährige die Ereignisse am 17. April. Nachdem er ein paar Tage bei Freunden geschlafen hatte – der Jugendliche nahm sich öfter unerlaubt eine Auszeit vom WG-Leben –, kehrte er abends in die Wohneinrichtung zurück. Er traf auf seinen 16-Jährigen Mitbewohner und dessen jüngeren Halbbruder, der gerade auf Besuch war. Die Burschen bereiteten ihr Abendessen zu, als es zum Streit kam, weil der Angeklagte Papierteile der Küchenrolle aus Spaß anzündete und auf das Brüderpaar warf, sodass diese leichte Verbrennung erlitten.

Der 16-Jährige trat beschützend vor seinen zwölfjährigen Bruder und begann mit dem 15-Jährigen eine Rauferei. Ein Betreuer ging dazwischen und konnte die beiden gerade noch trennen. Das dürfte den 15-Jährigen dermaßen in Rage gebracht haben, dass er nach einem Küchenmesser aus dem Block griff und mit der Klinge nach vorne gerichtet auf den Burschen zuging und „Ich bring’ dich um“ sagte. Das Brüderpaar konnte sich gerade noch in den oberen Stock flüchten. „Ich kann meine Wut nicht so gut kontrollieren“, gab der 15-Jährige zu. Dagegen nehme er auch Medikamente, wenn „ich wütend bin oder Heimweh hab’“.

15-Jähriger floh vor Polizei

Der Betreuer griff wieder ein und nahm dem Randalierer das Messer weg. Der 49-Jährige versuchte, den völlig rabiaten Jugendlichen in ein Zimmer zu sperren. Doch der 15-Jährige befreite sich und holte aus der Küche erneut drei weitere Stichwaffen, die er Richtung Betreuer warf. Als dieser die Polizei alarmierte, nahm der Jugendliche Reißaus. Er stellte sich am nächsten Tag der Polizei.

Die aggressive Reaktion des Jugendlichen kam nicht zum ersten Mal vor. „Er ist ausgeflippt, wie öfter“, meinte sein 16-jähriger Kontrahent im Zeugenstand. Auch in der U-Haft kam es mehrfach zu Wutanfällen des Jugendlichen.

Urteil wegen gefährlicher Drohung

Die gerichtspsychiatrische Sachverständige attestierte dem Burschen eine „schwere Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen“. Da er aus „äußerst desolaten“ Verhältnissen stammt, komme es bei ihm wiederholt zur Missachtung von sozialen Regeln. Da er nicht die Fähigkeit hat, zu den eigenen Gefühlen Zugang zu finden, könne er das auch nicht bei anderen. Das Nachholen der Persönlichkeitsdefiziten sei mit einer „straff organisierten“ Therapie allerdings noch möglich, betonte die Sachverständige.

Das Urteil erfolgte wegen gefährlicher Drohung und versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung. Vom Vorwurf der Körperverletzung wurde er freigesprochen. Die Anwältin des 15-Jährigen verzichtete ebenso wie die Staatsanwältin auf Rechtsmittel. Das Urteil ist dennoch nicht rechtskräftig, da das Jugendamt dagegen noch Einspruch erheben könnte. Bei der Urteilsverkündung befand sich kein MA-11-Vertreter mehr im Saal.