Ballettschülerinnen machen am Donnerstag in einer Ballettschule Tanzübungen.
APA/DPA/Friso Gentsch
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Chronik

„Handlungsbedarf“ in Ballettakademie

Nach schweren Misshandlungsvorwürfen gegen Lehrer der Ballettakademie der Staatsoper liegt jetzt ein erster Zwischenbericht der eingesetzten Untersuchungskommission vor. Diese sieht „Handlungsbedarf“.

Im April hat der damalige Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) die Untersuchungskommission eingesetzt. Bei der Prüfung der Vorwürfe, dass Schüler gekratzt, eingeschüchtert, getreten und wegen ihres Gewichts gemobbt wurden, war die unabhängige Kommission bei ihren bisherigen Befragungen laut Zwischenbericht mit höchst widersprüchlichen Aussagen konfrontiert. Wegen der Sommerferien mussten weitere Befragungen verschoben werden, berichtet das Ö1-Abendjournal. Daher könnten derzeit weder personelle Verantwortlichkeiten für vergangene Vorfälle festgemacht noch endgültige Empfehlungen abgegeben werden.

„Es gibt keine klaren Strukturen“

Trotzdem ortet die Kommission schon jetzt „Handlungsbedarf“, denn bisher dürfte der Unterricht sehr unorganisiert abgelaufen sein. „Das ist der Eindruck, den wir im Moment haben, dass es keine klaren Strukturen gibt, weder im Bezug auf die Organisation noch im Bezug auf die Abläufe“, sagte Kommissionsvorsitzende und Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf gegenüber Ö1. So gebe es keine klaren Verantwortlichkeiten, wer in der Ballettakademie was entscheidet, und der Führungsstil der Ballettakademieleitung wirke „intransparent und nicht partizipativ“, heißt es in dem Bericht.

Ballettakademie: Erster Bericht zu Missständen

Organisations- und Verfahrensmängel an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper ortet der Zwischenbericht einer unabhängigen Sonderkommission.

Überhaupt hatte die Kommission den Eindruck, „dass allfällige Strukturen, die möglicherweise von der Wiener Staatsoper definiert wurden, nicht allen an der Ballettakademie tätigen Personen kommuniziert worden sind bzw. jedenfalls nicht in einem für den praktischen Betrieb erforderlichen Ausmaß umgesetzt wurden“. Laut den Berichten wirke „der Führungs- und Kommunikationsstil der Leitung der Ballettakademie intransparent und nicht partizipativ“.

Darüber hinaus scheine es kein qualitätsgesichertes Auswahlverfahren für die Lehrer zu geben. „Auch die pädagogische Eignung mancher Lehrenden ist zu hinterfragen.“

Schwere Kritik an medizinisch-therapeutischer Versorgung

Als „höchst unzulänglich“ bezeichnet die Sonderkommission die medizinisch-therapeutische Versorgung der Ballettschüler. Es gebe zwar eine Ärztin an der Ballettakademie und eine Schulärztin an der Partnerschule in Wien-Landstraße. „Eine solche Betreuung erscheint mit Blick auf die extremen Anforderungen, die an junge Tänzerinnen und Tänzer gestellt werden, weder ausreichend noch zeitgemäß.“ So gebe es etwa keine kontinuierliche Begleitung durch Ernährungsberater, Physiotherapeuten oder Psychologen.

Website eingerichtet

Für Hinweise und als Anlaufstelle für Betroffene wurde eine eigene Website eingerichtet.

Kritik übt die Kommission auch an der Handhabung der Kooperation mit dem Gymnasium in der Boerhaavegasse. Die Zusammenarbeit mit einer Partnerschule müsse zwar unbedingt beibehalten werden. Es könne aber nicht sein, dass ein Ausscheiden aus der Ballettakademie (etwa mangels erfolgreicher Jahresprüfung dort) unabhängig von den schulischen Leistungen zwingend zu einem Ausscheiden aus der öffentlichen Schule führt.

Die Arbeit der Kommission wird sich auf jeden Fall noch bis in den Herbst ziehen. Dann sollen einige Auskunftspersonen, die derzeit im Ausland weilen, befragt werden. „Das betrifft auch bereits eingeladene Leitungsorgane der Ballettakademie …“

Auch Staatsanwaltschaft ermittelt

Neben der Aufklärung der Vorwürfe beschäftigt sich die Kommission auch mit der Ausarbeitung konkreter Verbesserungsvorschläge zur Verhinderung struktureller Fehler sowie mit pädagogischen, medizinischen und vor allem ernährungswissenschaftlichen Fragen. Im Fokus stünden dabei die „Kultur der Ballettakademie“ sowie das Zusammenspiel mit der schulischen Ausbildung am Gymnasium Boerhaavegasse in Wien-Landstraße.

Ins Rollen gebracht hatte die Causa ein Bericht der Wochenzeitung „Falter“ Anfang April. Ein Teil der Vorwürfe konzentriert sich auf eine im Jänner gekündigte Lehrerin, die Schülerinnen unter anderem getreten, blutig gekratzt und an den Haaren gerissen haben soll. Auch seien die Schülerinnen und Schüler einem ungesunden Körperbild ausgesetzt gewesen. Auch der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs durch einen Lehrer steht im Raum. Der Betroffene wurde von der Staatsoper bis zur Klärung der Vorwürfe dienstfrei gestellt, auch die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Lehrer und zwei Kolleginnen.