Angeklagter wird von zwei Polizisten gebracht
APA/Hans Punz
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Chronik

Zwölfeinhalb Jahre für Serienbankräuber

Für die größte Bankraubserie eines Einzeltäters ist ein 54-jähriger Schwede in Wien zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er soll in zehn Jahren 17 Überfälle auf Banken, ein Postamt und eine Apotheke verübt haben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Bei einem Strafrahmen von einem bis 15 Jahren sei die verhängte Strafe schuld- und tatangemessen, sagte die vorsitzende Richterin Magdalena Klestil-Krausam in der Urteilsbegründung. Bei dem langen Deliktszeitraum – nicht weniger als neun Jahre – und der Vielzahl der Fakten fiel das Geständnis bei der Strafbemessung kaum ins Gewicht.

„Aufhören war keine Option. Ich war dauerhaft arbeitslos“, so der Angeklagte am Freitag vor der Richterin. Laut Staatsanwaltschaft hatte er im Internet gelesen, dass Österreich ein Paradies für Bankräuber sei. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, beteuerte der Skandinavier.

Knapp 200.000 Euro erbeutet

Nach einem Studium der Sprachwissenschaften mit Hauptfach Deutsch gelang es dem Schweden nicht, beruflich Fuß zu fassen. Er wollte in seiner Heimat als Übersetzer arbeiten, fand aber kaum Aufträge. 2009 habe er sich deshalb zu einem Banküberfall entschlossen, erzählte der 54-Jährige einem Schöffensenat. Er beging bis zum Frühjahr 2018 insgesamt 16 Überfälle auf Banken, Postämter und Apotheken in Wien, Graz und Linz. In Summe erbeutete er 186.000 Euro.

Neun Taten beging er in Wien, sechs in Linz, eine in Graz. Er drohte mit einer Schreckschuss- bzw. Softair-Waffe, verhielt sich laut Andreas Holzer, Chef der Abteilung für organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt, aber durchaus höflich. Physisch verletzt wurde bei den Überfällen niemand, allerdings erlitten zahlreiche Angestellte einen Schock.

Flucht mit Taxi oder Fahrrad

Zumeist suchte sich der Räuber abgelegenere Bankfilialen aus, also solche, die nicht an Hauptverkehrsrouten liegen. Alarmpakete nahm er laut den Ermittlern nicht mit, meistens flüchtete er mit einem Fahrrad oder mit dem Taxi. Der Schwede sei ein „reisender Täter“ gewesen, über einen fixen Wohnsitz verfügte er weder in Österreich noch in Deutschland oder Schweden, hieß es aus dem Landeskriminalamt Wien.

Der 54-Jährige hatte in Deutschland Deutsch studiert und sprach so gut, dass die Ermittler zunächst von einem Einheimischen ausgingen. Er kam vorwiegend in Hotels unter, wo er nur bar bezahlte. Nach Österreich reiste er immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit den Überfällen finanzierte er seinen Lebensunterhalt und Reisen. Außerdem gab er vor Gericht zu, einen Teil der Beute verspielt zu haben.

Erster Coup brachte nur 20 Euro

Vor Gericht schilderte der Angeklagte nun in nüchternen und trockenen Worten seine Raub-Serie, wobei der Staatsanwalt lobend anmerkte, es sei „bewundernswert, dass er sich an alle Fakten, Details und die jeweilige Beute erinnern kann“. Beim ersten Coup in der Bundeshauptstadt erbeutete er lediglich 20 Euro: „Die Filiale war leider bargeldlos. Da musste ich schnell noch einen machen. Ich konnte nicht mit leeren Händen Österreich verlassen.“

Wenige Stunden später legte er daher in einer anderen Bank-Filiale einen Zettel auf das Kassa-Pult: „Der Angestellte hat mich nicht ganz ernst genommen. Er hat Geld in die Luft geworfen und Zeit verzögert. Ich musste ihm die Gaspistole zeigen.“ Dann fand der Mann in Wien keine geeignete Bank mehr, die seinen Vorstellungen – kaum Kunden, keine Security-Mitarbeiter, passable Fluchtwege – entsprach. Er verlagerte seine Tätigkeit nach Linz: „Mir war klar, dass der letzte Raubüberfall nicht der Allerletzte sein wird.“

Angestellte in Bank: „Nicht schon wieder“

In Linz geriet der bewaffnete Räuber an eine Angestellte, die zum dritten Mal innerhalb eines Jahres überfallen wurde. „Nicht schon wieder“, rief die Frau entsetzt. Danach ging es für den Täter weiter nach Graz: „Linz war schwierig. Eine Person hat versucht, mich festzunehmen. Sie ist mir nachgelaufen.“ Graz zahlte sich nicht aus, weil die Beute dürftig ausfiel, versuchte es der Schwede dann wieder in Wien, sattelte aber zwischendurch auf Postämter um, weil es dort keine Securities gab .

Beim letzten Coup – betroffen war eine Bank in Wien – erbeutete der Mann knapp 35.000 Euro. Er reiste für zwei Wochen nach Mailand und verspielte das Geld im Casino. Als er danach nach einer Zwischenstation in Deutschland mit seiner illegalen Geldbeschaffung weitermachen wollte, ging seine kriminelle Reise nach fast neun Jahren zu Ende.

„Aktenzeichen XY“ brachte entscheidenden Hinweis

Mehrere Lichtbildveröffentlichungen in Österreich blieben erfolglos. Als im Dezember 2018 allerdings Fahndungsfotos in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ gezeigt wurden, ging noch während der Sendung der entscheidende Hinweis zur Identität des Tatverdächtigen ein. Der Mann hatte in Berlin eine Lagerhalle angemietet und wurde auf den Fotos erkannt.

Nach der Ausstellung eines EU-Haftbefehls durch die Staatsanwaltschaft Wien konnten Zielfahnder und das Spezialeinsatzkommando der Polizei Berlin den Gesuchten am 5. Februar in Berlin festnehmen. Der Schwede wollte eigentlich noch am selben Tag nach Polen weiterreisen. Einen Alias-Namen verwendete er nie, sondern checkte immer mit seinem richtigen Namen in Hotels ein. Ende März wurde der Verdächtige nach Österreich ausgeliefert.