Seit bald hundert Jahren machen sich Tanzwillige auf den Weg in die Bräunerstraße 13. Am 1. Oktober 1919 gründete Kavallerieoffizier Willy Elmayer-Vestenbrugg dort die Tanzschule Elmayer. Nachdem er im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, nahm er sich eine Romanfigur zum Vorbild: Einen französischen Soldaten, der nach der Schlacht von Waterloo Tanzlehrer wurde. Er tat es ihm gleich und gestaltete die ehemaligen Pferdestallungen des Palais Pallavicini zur Tanzschule Elmayer um.
In seinen Kursen war das Tanzen fast Begleitunterricht, das Benehmen stand im Fokus. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal in einem Pferdestall Anstandsunterricht halten würde“, schrieb er in seinen Memoiren. In seinem letzten Jahr an der Tanzschule hielt er Vorträge an rund 265 Schulen, brachte Gefängnisinsassen Manieren bei und unterrichtete die Öffentlichkeit im Radio über das richtige Benehmen.
Jährlich veranstaltete Elmayer-Vestenbrugg das Elmayer-Kränzchen, womit er seinem Adoptivsohn unwissentlich einen großen Gefallen tat. Denn Diether Schäfer-Elmayer lernte dort seine Frau Nora kennen. „Meine Mutter hat sehr vielen Herren gut gefallen“ erzählt Thomas Schäfer-Elmayer, „und mein Vater saß ein bisschen zu weit weg. Jedes Mal, wenn er sie zum Tanz auffordern wollte, war sie schon weg. Dann hat er auf den nächsten Tanz gewartet und ist über den Tisch gesprungen. So hat er sie erobert.“
Von der Schweiz bis nach Südafrika
Erste Erfahrungen in der Tanzschule sammelte Thomas Schäfer-Elmayer als Assistent seines Großvaters. Zwei Jahre lang arbeitete er bei ihm, nachdem er die Matura beendet und aus Vorarlberg nach Wien gezogen war. Als Willy Elmayer-Vestenbrugg 1966 verstarb, zogen auch seine Eltern nach Wien und übernahmen die Tanzschule.
Thomas Schäfer-Elmayer zog es hingegen wieder in den Westen. In St. Gallen studierte er weiter und blieb ab da 20 Jahre lang im Ausland. Er arbeitete in großen Industriekonzernen in der BRD, in der Schweiz und in Südafrika, die Tanzschule in der Bräunerstraße weit entfernt. Bis sein Vater vorschlug, er solle sie übernehmen.
Im Einsatz fürs gute Benehmen
Ab da ging sie ihm ein Jahr lang durch den Kopf. „Ich hatte keine Vorstellung davon, dass ich das auf einmal aufgeben soll und nach Wien eine Tanzschule übernehmen“, meint er. „Ein kleines Dienstleistungsunternehmen, wo ich dort in einem großen Industriekonzern gearbeitet habe.“ Doch abtun konnte er den Gedanken auch nicht. Nach vielen Gesprächen mit seinem Vater entschied er sich dazu, dem testamentarischen Wunsch seines Großvaters nachzukommen und kehrte nach Wien zurück.
„Man muss sich im Leben überlegen: ‚Was mache ich eigentlich Besonderes hier auf der Welt?‘. Und hab’ ich mir gedacht, sich für diese Wiener Tradition, noch dazu auch für gutes Benehmen einzusetzen, das sind doch Dinge, die sich lohnen.“ Der Rest ist 32-jährige Geschichte, die ihn zum Benimm-Guru, zum „Dancing Star“-Juror und zur Verkörperung der Tanzschule Elmayer werden ließ.
Herzen beim Tanzen erobert
Mittlerweile ist Thomas Schäfer-Elmayer eine Konstante des Wiener Ballgeschehens. Er wirkt jedes Jahr an rund zwanzig Balleröffnungen mit. Auch das Familienerbe des Benimmbücher-Schreibens führt er fort, neun hat er bereits veröffentlicht, das zehnte soll bald folgen. Als Personaltrainer leitet er bis zu hundert Seminare im Jahr. „Das wirkliche Ziel von gutem Benehmen ist es, Lebensqualität zu erzeugen, damit wir uns einfach wohler fühlen und mehr von unserem Leben haben“, meint er.
Doch ehemalige Schüler und Schülerinnen haben nicht nur Tanzschritte und Benimmregeln mit auf den Weg genommen. Viele hätten ihren Mann, ihre Frau, oder ihren Freundeskreis in der Tanzschule kennengelernt. Eine Frau traf dort auf ihren heutigen Mann, der sie zunächst überhaupt nicht interessierte. „Aber sie hat in der Tanzschule Elmayer erlebt, wie er um sie kämpft, wie er sich besonders bemüht und besonders gut tanzen möchte. Der ist fünf, sechs Mal in der Woche gekommen“, erzählt Schäfer-Elmayer.
Enkel, Papa und Opa: Alle tanzen
Häufig würden mehrere Familiengenerationen gleichzeitig Kurse der Tanzschule Elmayer besuchen. „Es kommt auch oft vor, dass dann die Kinder zu uns kommen und gleichzeitig die Eltern wieder. Die gehen dann in die Erwachsenenkurse, irgendwann gehen sie in die Seniorenkurse und dann kommen schon die Enkel hinterher,“ meint Schäfer-Elmayer.
Verändert hätte sich in den letzten 32 Jahren einiges. „Das Komische ist, dass wir keine Streiche mehr erleben. Als ich am Anfang hierherkam, hat es praktisch jede Woche irgendeinen Blödsinn gegeben,“ erinnert sich Schäfer-Elmayer. Stinkbomben wurden geworfen, der VW-Käfer eines Tanzschullehrers mit Klopapier eingewickelt und der Gehsteig mit Tanzschritten bemalt.
Um das 100-jährige Bestehen der Tanzschule zu feiern, veranstaltet die Tanzschule Elmayer am 1. Oktober eine „Historische Tanzrunde“. Wer sich an eigene Streiche oder bedeutende Bekanntschaften erinnert, kann seine Erinnerungen bis dahin online oder in der Tanzschule einreichen. Die bemerkenswertesten Erinnerungen werden von einer Jury ausgewählt. Gewonnen werden kann der freie Eintritt zum Elmayer-Kränzchen oder gratis Tanzstunden.