Das Krankenhaus Nord in Wien
ORF.at/Christian Öser
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Chronik

KH Nord: Ärztekammer kritisiert Personalnot

Im KH Nord herrscht offenbar ein Personalengpass: Nicht weniger als 100 Ärzte sollen laut Wiener Ärztekammer fehlen. Ähnlich düster sei die Situation im Pflegebereich und der Administration. Beim Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) sieht man das anders.

Die Wiener Ärztekammer beruft sich auf eigene Berechnungen sowie Berichte aus der Klinik in Floridsdorf. Die Unruhe sei groß, berichtete Wolfgang Weismüller, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, am Freitag von einer Ärzte-Besprechung im KH-Nord. „Es dürften an die 70 Dienstposten fehlen und an die 100 Ärzte“, sagte Weismüller gegenüber Radio Wien.

Weismüller: „Falsch gerechnet“

Das liege daran, dass für das KH Nord falsch gerechnet worden sei. Man sei nämlich davon ausgegangen, dass jeder Arzt im Schnitt 48 Stunden arbeite. Laut Weismüller würden deshalb zu viele Überstunden gemacht. Und es gebe bereits Abgänge im Pflegebereich. „Beim Pflegepersonal schaut es auch dramatisch aus, vor allem im Bereich der OP-Pflege“, so Weismüller.

Auch die Administration sei unterbesetzt. Probleme gebe es zudem mit der EDV, berichtete die Ärztekammer. Vom Ziel, papierlos zu sein, sei man weit entfernt. Vielmehr werde derzeit doppelt gearbeitet: Neben einer elektronischen Krankengeschichte mache man eine auf Papier. Beides werde derzeit von den Ärzten eingegeben, da es eben an administrativen Kräften fehle, berichtete Weismüller.

KAV: „Sämtliche Dienstposten besetzt“

Weismüllers Aussagen lösten bei KAV-Direktor Herwig Wetzlinger laut eigenen Angaben „Unverständnis“ aus. Weismüller berufe sich auf eine routinemäßige, wöchentlich stattfindenden Besprechung, wo anstehende Fragen erörtert würden, sagte er am Freitag gegenüber wien.ORF.at. Die Behauptung, dass 70 Dienstposten fehlten und an die 100 Ärzte, sei „nicht nachvollziehbar“.

Vielmehr seien „sämtliche Dienstposten, die für den Betrieb benötigt werden, derzeit besetzt", so der KAV-Direktor. In wenigen Wochen beginne erst der Vollbetrieb. Geplante Aufnahmen seien nur noch in der Unfallchirurgie und der Kinderpsychiatrie im Oktober geplant, so Wetzlinger. Und weiter: "Ein Krankenahausbetrieb erfordert wesentlich Überstunden im ärztlichen Dienst, die mit 48 Stunden begrenzt sind. Diese Grenze wird eingehalten.“

„Nachfrage an Nachschulungen“

Insgesamt lauf der Betrieb gut, was auch eine Evaluierung im August belege. Personalengpässe in der Administration räumt Wetzlinger allerdings indirekt ein: In der klinischen Administration werden laut dem KAV-Direktor „zehn zusätzliche Kräfte aufgenommen, um die Nachfrage an Nachschulungen zu ermöglichen“. Außerdem seien „Optimierungen im EDV-System eingeleitet“ worden. Der Übergang zum papierlosen Dokumentationssystem sei „noch nicht vollständig gelungen aufgrund der alten Gewohnheiten“.

Hacker verweist auf baldige Personalvertretungswahlen

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) wollte sich am Rande eines Pressetermins gar nicht allzu lange mit den Angaben der Kammer aufhalten. „Wir stehen kurz vor Personalvertretungswahlen im KH Nord. Herr Weismüller ist bei einer der wahlwerbenden Fraktionen“, kommentierte er dessen Aussagen. Er werde sicher nicht als „Schiedsrichter im Wahlkampf“ zur Verfügung stehen, betonte der Ressortchef gegenüber der APA.

Die Rathaus-Opposition schoss sich einstweilen trotzdem auf Stadt und KAV ein. Für FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl ist das KH Nord „das über Landesgrenzen hinweg bekannteste und exemplarischste Negativbeispiel für die politische Unfähigkeit der rot-grünen Wiener Stadtregierung“, wie er in einer Aussendung konstatierte.

ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec verlangte vom KAV, dass „das Gesundbeten“ von Problemen beendet werden müsse. Sie sah ein negatives Beispiel „für die Unfähigkeit und das Missmanagement im Wiener Krankenanstaltenverbund“. NEOS-Klubchef Christoph Wiedekehr ärgerte sich darüber, dass Rot-Grün die Kammer-Warnungen „weiterhin ignoriert“. Es sei im Zusammenhang mit dem Großbau der „nächste Schildbürgerstreich, wenn man Personalpläne so falsch berechnet, dass bereits zum Start die KH Nord-Belegschaft mit massiven Überstunden den Betrieb aufrechterhalten muss“.