Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal gebracht
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Chronik

Mann vor U-Bahn gestoßen: Einweisung

Am Landesgericht für Strafsachen in Wien ist am Montag entschieden worden, dass ein 20-jähriger Mann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wird. Er hatte im Mai einen Mann vor eine U-Bahn gestoßen.

Der 20-Jährige wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Der Mann stieß am 8. Mai diesen Jahres einen 35-Jährigen in der U3-Station Westbahnhof vor eine einfahrende U-Bahn. Das Opfer kam mit schwersten Verletzungen davon. Die Entscheidung ist bereits rechtskräftig.

Die psychiatrische Gerichtsgutachterin hatte dem 20-jährigen Asylwerber aus dem Irak Zurechnungsunfähigkeit bei der Tat attestiert. Er leidet demnach unter einer paranoiden Schizophrenie. Außerdem habe der Mann eine ungünstige Gefährlichkeitsprognose. Damit sah sie die Bedingungen für eine Einweisung erfüllt.

Bereits zweimal eingewiesen

Der Betroffene (bei Zurechnungsunfähigen spricht das Strafrecht nicht von Angeklagten, Anm.), der 2015 als Asylwerber mit seiner Familie aus dem Irak gekommen war, schilderte vor Gericht, dass erste Krankheitssymptome elf Monate vor der Tat aufgetreten waren. „Ich habe Stimmen gehört.“

Verfolgungsideen konzentrierten sich in weiterer Folge auf Hunde und Menschen mit Kopfhörern und Sonnenbrillen. Letzteren schrieb er zu, dass sie es hören könnten, wenn er zu Hause weine, und ihn daher verspotten würden. Er befand sich deshalb zwar in Behandlung, wurde laut der psychiatrischen Sachverständigen auch zweimal im November 2018 eingewiesen, entwich aber – einmal sogar mit seinen Eltern. Krankheitseinsicht zeigte er nicht, was laut der Sachverständigen Teil des Krankheitsbildes ist.

Am 8. Mai war der 20-Jährige auf dem Weg ins Fitnesscenter. In der U-Bahn traf er auf das spätere Opfer. Der 35-Jährige trug Sonnenbrillen und Kopfhörer, was offenbar einen heftigen psychotischen Schub bei dem Iraker auslöste. Er glaubte, der 35-Jährige verfolge ihn. „Er hat immer mit der Nase aufgezogen. Ich habe geglaubt, er will mir signalisieren, dass er weiß, dass ich zu Hause geweint habe“, schilderte der 20-Jährige.

Der rechte Fuß des 35-Jährigen musste amputiert werden
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Der rechte Fuß des 35-Jährigen musste amputiert werden

„Das war nicht ich“

„Ich habe Angst gehabt, ich wollte das nicht machen. Ich habe mir gedacht, entweder er hört auf, oder ich stoße ihn vor die U-Bahn“, sagte der Betroffene. „Ich habe nicht gewusst, dass die U-Bahn kommt, ich habe einfach geschubst.“ Auf einem Video aus der Überwachungskamera ist allerdings zu sehen, dass sich der 20-Jährige eine ganze Weile hinter dem Opfer befand und ihn erst unmittelbar vor der herannahenden U-Bahn auf den Gleiskörper stieß.

„Das ist sehr schlecht, wenn man so was macht. Ich konnte mich nicht kontrollieren, das war nicht ich“, sagte der Betroffene. Als er flüchten wollte, hielt ihn noch eine Frau auf. „‚Lass mich‘, habe ich gesagt.“ Dass er sie auch mit dem Umbringen bedroht hatte und sie ihn erst deshalb ziehen ließ, daran wollte sich der Betroffene nicht erinnern.

Umarmung unter Tränen

Der U-Bahn-Fahrer leitete zwar sehr schnell eine Notbremsung ein, der 35-Jährige wurde dennoch schwerst verletzt. Sein rechter Fuß musste amputiert werden, dazu kamen multiple Knochenbrüche. „Ich sah die einfahrende U-Bahn, bin langsam nach vorne gegangen und spürte plötzlich von hinten die Stöße. Ich habe geglaubt, er wollte mich erschrecken und wollte mich umdrehen. Aber dann ist es weitergegangen“, schilderte der 35-Jährige das Geschehen.

Er befindet sich in Rehabilitation. „Die Schmerzen sind überschaubar, ich bin von Tabletten weg, ich mag sie nicht. Psychisch: Es gibt Hochs und Tiefs.“ Der 35-Jährige akzeptierte die Entschuldigung des Betroffenen und ließ sich von ihm unter Tränen umarmen.

Ungünstige Gefährlichkeitsprognose

Die Sachverständige konstatierte, dass der 20-Jährige unter einer „Erkrankung aus dem schizoiden Formenkreis“ leidet. Er sei zum Tatzeitpunkt nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat zu erkennen. Er sei „nicht zurechnungsfähig“. Die Psychiaterin stellte auch eine ungünstige Gefährlichkeitsprognose: „Seine Unterbringung kann nicht durch eine ambulante Therapie ersetzt werden.“