Polizistinnen und Angeklagter vor Prozess um Diebstahl eines Renoir-Gemäldes aus dem Dorotheum
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

Mildes Urteil nach Renoir-Diebstahl

Einer der drei Männer, die im November 2018 im Wiener Dorotheum ein Renoir-Gemälde gestohlen haben sollen, ist am Donnerstag zu 24 Monaten Haft verurteilt worden, davon acht Monate unbedingt. Da der 60-Jährige seit Anfang Dezember in U-Haft sitzt, wurde er sofort auf freien Fuß gesetzt.

Das Urteil wegen schweren Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ist nicht rechtskräftig. Während der Beschuldigte die Strafe annahm, kündigte die Staatsanwaltschaft Berufung an. Der Ukrainer muss zudem an eine Versicherung 120.000 Euro zahlen, um den Schaden wiedergutzumachen. Das Gemälde ist bis heute verschwunden.

Polizisten und Angeklagter vor Prozess um Diebstahl eines Renoir-Gemäldes im Dorotheum
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Der 60-Jährige will mit dem Diebstahl nichts zu tun haben

Zwar stand der Mann bereits in seiner Heimat wegen eines ähnlichen Deliktes 2005 vor Gericht. Da das nach österreichischem Recht aber bereits verjährt ist, galt der Mann als unbescholten, was bei dem Urteil mildernd gewertet wurde. Erschwerend war der Diebstahl eines besonderen Kulturgutes und dass der Schaden mehr als 5.000 Euro ausmacht.

„Fantasie des Anklägers“

Der Verurteilte beteuerte in der Verhandlung am Donnerstag seine Unschuld. Er sei nach Wien gekommen, um Frauen kennenzulernen. Dann sei er in die Sache „reingezogen“ worden. Laut Anklage gab der Angeklagte beim Diebstahl Handzeichen, das zeige sich auch auf Videoaufnahmen. Der Mann bestritt die Vorwürfe allerdings vehement und tat sie als „Fantasie des Anklägers“ ab.

Ausführlich bestritt der 60-Jährige, etwas mit dem Coup in Wien zu tun zu haben. „Sie erzählen mir immer etwas anderes, als ich gefragt habe“, versuchte der Schöffensenatsvorsitzende Mario Bandarra den Angeklagten zum Punkt zu bringen. Der Angeklagte sagte, er habe eigentlich in die EU auswandern und deshalb in Wien „Frauen kennenlernen“ wollen. Er beschuldigte die beiden mutmaßlichen Komplizen, ihn in die Sache hineingezogen zu haben.

Mildes Urteil nach Renoir-Diebstahl

Einer der drei Männer, die im November 2018 im Wiener Dorotheum ein Renoir-Gemälde gestohlen haben sollen, ist am Donnerstag zu 24 Monaten Haft verurteilt worden, davon acht Monate unbedingt.

Auf Kunstdiebstahl spezialisiert

Am 23. November 2018 reiste der Ukrainer mit dem Flugzeug aus Moskau nach Wien. Laut Staatsanwaltschaft soll der auf Kunstdiebstähle spezialisierte Profi den Coup in Wien mit zwei Landsmännern organisiert haben. Einen Tag später seien seine Komplizen eingetroffen. Am 26. November seien die drei um 17.15 Uhr ins Dorotheum gegangen, um sich das Gemälde anzusehen. „Sie tun so, als würden sie sich nicht kennen“, beschrieb der Staatsanwalt die Auswertung der Videoüberwachung.

Zielgerichtet gingen sie zu dem im zweiten Stock ausgestellten Werk von Pierre August Renoir, das zwei Tage später bei einer Auktion für Klassische Moderne unter den Hammer hätte kommen sollen. Während der 60-Jährige von einem Nebensaal aus den Raum im Blick behielt, nahmen die beiden anderen das Werk aus dem Rahmen und steckten es in eine Einkaufstasche. Mit einer Handbewegung deutete der nun Angeklagte seinen Komplizen laut Staatsanwaltschaft die Flucht an. Die drei verließen mit dem wertvollen Bild unbehelligt das Gebäude in der Dorotheergasse.

„Vorahnung, dass etwas Schlimmes passiert“

Die Schilderung des Angeklagten zu den Geschehnissen am Tattag lautet etwas anders: Zunächst seien die drei Männer in ein anderes Hotel umgezogen und danach in die Wiener City zum Shoppen gefahren. Nachdem die Ukrainer Schuhe kaufen gewesen seien, seien sie beim Dorotheum vorbeigekommen. „Ich wollte eigentlich nicht hineingehen“, sagte der Beschuldigte, der angab, selbstständiger Antiquitätenhändler zu sein.

Zwar habe er sich zuvor für eine Bronzefigur in der Ausstellung interessiert, doch er habe mit den vielen Einkaufssackerln nicht in das Aktionshaus gehen wollen. „Ich hatte eine Vorahnung, dass etwas Schlimmes passiert“, sagte er. Als sie in dem Raum mit dem Renoir-Gemälde gewesen seien, habe er sich umgedreht und plötzlich ein Geräusch gehört: „Wie wenn etwas knistert.“ Und weiter: „Es war mir klar, dass die etwas Böses gemacht haben und dass ich dafür herangezogen werde“, so der Angeklagte. „Die haben mich in die Scheiße reingezogen.“

„Wollte das gar nicht wissen“

„Warum haben Sie nicht gefragt, was die beiden gemacht haben“, wollte der Richter wissen. „Ich wollte das gar nicht wissen.“ Später sagte er aber doch, dass die Männer erzählt hätten, ein Bild gestohlen zu haben. Seine Reaktion: „Ihr seid Idioten.“ Eigentlich habe er tags darauf mit dem Flugzeug zurück nach Moskau reisen wollen, doch das habe er sich nicht mehr getraut, aus Angst, die Polizei könnte ihn schnappen.

Der gestohlene Renoir
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Das gestohlene Gemälde „Bretonische Küstenlandschaft“

Mit dem Bus sei er dann über Bratislava in die Ukraine gefahren. Warum er nicht die Exekutive alarmiert habe, wenn er mit der Sache ja nichts zu tun habe, fragte Bandarra. „Die Polizei zu rufen widerspricht meinen moralischen Prinzipien“, sagte der Angeklagte. Dass die Bande auf Kunstdiebstähle spezialisiert sein dürfte, zeigten zahlreiche Überwachungsfotos, die das Gericht dem Angeklagten vorlegte.

Überwachungsfotos von weiteren Kunstdiebstählen

Im September 2017 etwa wurde aus einem Auktionshaus in Frankreich ebenfalls ein Renoir-Werk gestohlen. Das Gemälde „Porträt eines jungen blonden Mädchens“ hätte in Saint-Germain-en-Laye nahe Paris versteigert werden sollen. Sein Wert wurde auf 25.000 bis 30.000 Euro geschätzt. „Sind Sie das?“, fragte der Richter und deutete auf den Mann auf den Bildern aus der Überwachungskamera. „Diese Person sieht mir ähnlich“, meinte der Beschuldigte.

Der 60-Jährige soll auch für den Diebstahl eines wertvollen Buches in einem Pariser Auktionshaus im Sommer 2017 verantwortlich sein. „Das ist auch eine Person, die mir ähnlich sieht“, kommentierte er die vorgelegten Überwachungsfotos. Zwei Wochen vor dem Diebstahl in Wien soll der Angeklagte auch im Schloss Versailles zugeschlagen haben und aus einem Ausstellungsraum zwei Gemälde gestohlen haben, wie die Behörden nun ermittelten. „Ich habe damit nichts zu tun“, sagte der Angeklagte.

2005 wurde er allerdings in seiner Heimat verurteilt, nachdem er ein Gemälde des russischen Malers Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski aus einem ukrainischen Museum entwendet hatte.

Bild verschwunden

Aufnahmen der Wiener Überwachungskamera, Rufdatenauswertungen sowie die Daten über die Ausreise des Trios wurden genau registriert. Der 60-Jährige, der auf der Flucht stets in Kontakt mit seinen Landsmännern blieb, wurde deshalb bald identifiziert und am 8. Dezember 2018 in den Niederlanden gefasst. Auch während der Verhaftung schrieb der Ukrainer einem seiner Helfer eine WhatsApp-Nachricht: „Ich wurde in Amsterdam abgeholt.“

Einer seiner beiden Komplizen wurde im Frühjahr in der Ukraine festgenommen. Er befindet sich dort wegen Mordes in Haft. Der dritte Mann – ebenfalls ein gebürtiger Ukrainer – und das abhanden gekommene Gemälde sind vorerst weiter verschwunden. Das 1895 entstandene, 27 mal 40 Zentimeter große Landschaftsgemälde „Bretonische Küstenlandschaft“ wurde auf einen Wert zwischen 120.000 und 160.000 Euro geschätzt.