Ein Bild der Künstlerin Kandl im Belvedere
Belvedere, Wien/Johannes Stoll
Belvedere, Wien/Johannes Stoll
Kultur

Belvedere blickt hinter Kulissen der Malerei

Mit welchen Materialien wird eigentlich gemalt – und warum? Dieser Frage geht eine neue Ausstellung im Unteren Belvedere nach. Gestaltet hat sie die Wiener Künstlerin Johanna Kandl.

Kandl beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit dem, was Malerei erst möglich macht: Mit Leinen und Holz, Pflanzen und Mineralien, aus denen unterschiedlichste Farben oder Lösungsmittel gewonnen werden. „Johanna Kandl ist zuallererst Malerin“, betonte Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig bei der Presseführung am Mittwoch. „Sie hat aber eine Praxis entwickelt, die das Feld weit aufmacht.“ So gehe es Kandl um „ein Erforschen der Welt“, die Ergebnisse seien dann wieder im Ausstellungsraum zu sehen.

Ein Bild der Künstlerin Johanna Kandl
Belvedere, Wien/Johannes Stoll
Kurator Miroslav Halak hat gemeinsam mit Kandl über zwei Jahre lang am Projekt gearbeitet.

Pinsel, Gummi, Rot

So auch hier: Hinter einer mächtigen Bilderwand aus Selbstporträts namhafter Künstler entdeckt man im länglichen Raum der Orangerie auf einer Seite allerlei Werke der Kunstgeschichte – großteils aus der Sammlung des Belvedere –, die mit Kandls eigenen Werken in einen Dialog treten.

Die Kapitel lauten wiederum „Pinsel, Leim und Terpentin“, „Gummi Arabicum“ oder ganz einfach „Rot“: Kandl bringt dem Betrachter das Wissen über diese Materialien, ihre Entstehung und Verwendung näher. „Ein Wissen, das mit steigender Zugänglichkeit von Fertigprodukten zusehends marginalisiert wird“, wie Kurator Miroslav Halak anmerkte. Er hat gemeinsam mit Kandl über zwei Jahre lang am Projekt gearbeitet.

„Wundersubstanz Terpentin“

Aber nicht nur der handwerkliche Ansatz, sondern auch die gesellschaftspolitische Komponente ist Kandl ein Anliegen. „Sie beschäftigt sich intensiv mit der Herkunft der Malmittel. Dass sie den ökonomischen und sozialen Grundlagen auf die Spur geht, hat sich zuletzt in ihren Recherchen verdichtet“, erklärte Rollig.

Wie sind also die Arbeits- und Lebensbedingungen jener Menschen, die mit den von ihnen abgebauten Ressourcen in weiterer Folge für die Anfertigung neuer Kunstwerke unerlässlich sind? Mit etlichen Videos, aber auch großformatigen Bildern werden diese Aspekte thematisiert. „Aber je mehr man fragt, desto mehr Fragen stellen sich“, meinte die Künstlerin.

Als „was der Wald hergibt“ beschrieb Kandl einige Materialien, denen man in weiterer Folge begegnet. Unter anderem die „Wundersubstanz Terpentin“, wobei sie auch hier die soziopolitische Komponente hervorhob. „Es geht auch darum, dass die Menschen etwas aus dem Wald holen können, ohne dass er weg ist.“ Letztlich drehe es sich um Fragen wie: „Kommt eine Palmölplantage, oder können sich die Bauern von ihrem Produkt ernähren?“

Eigens Pflanzen im Belvedere-Garten angebaut

Gemeinsam mit ihrem Mann Helmut Kandl und Filmemacher Arne Hector ist zudem eine Videoinstallation entstanden, die unterschiedliche Bergbaugebiete von Leogang in Salzburg über Frankreich bis Marokko einfängt – in der Schau stilecht in einem höhlenähnlichen Verschlag untergebracht.

Ausstellungshinweis

„Material. Womit gemalt wird und warum“, von Johanna Kandl, von 12. September bis 19. Jänner 2020 in der Orangerie des Belvedere in Wien

Ergänzt wird die Präsentation durch rund 150 Mineralien aus dem Naturhistorischen Museum, die in einer vor einer Farbwand positionierten Vitrine platziert wurden. Auch hier animiert Kandl zur Spurensuche: Welcher Stein ist für welches Rot verantwortlich? Schon seit März ist Kandls Handschrift übrigens im Kammergarten des Belvedere zu erkennen: Hier wurden in Abstimmung zur von 12. September bis 19. Jänner 2020 laufenden Schau Pflanzen angebaut, aus denen Farbmittel gewonnen werden können. „Material“ wird somit nicht nur dem Titel nach zum haptisches Erlebnis.