Der Angeklagte der laut Anklage seine Freundin erstickt haben soll im Rahmen des Prozesses am Wiener Landesgericht
APA/Gunter Lichtenhofer
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Chronik

20 Jahre Haft für Mord an Freundin

Weil er am 16. Jänner in der gemeinsamen Wohnung in Hietzing seine Freundin erwürgt hat, ist ein nun 32-Jähriger am Mittwoch von einem Schwursenat im Landesgericht zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Der Verurteilte wird nicht eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Geschworenenbeschluss erfolgte einstimmig. Die Beratungen dauerten etwas weniger als eine Stunde. Das Gericht unter dem Vorsitz von Patrick Aulebauer sprach von einer „besonders grausamen Tat“. Neben einer Verurteilung hatte die Staatsanwaltschaft auch die Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher gefordert. Der Schwursenat wies den Antrag ab.

Als mildernd wertete das Gericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Beschuldigten, erschwerend war unter anderem die besonders grausame Ausübung der Tat, wie der Vorsitzende ausführte. Staatsanwaltschaft und Verteidigung gaben keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. Die Tochter des Opfers erhält 15.000 Euro Schmerzensgeld, die Mutter der 39-Jährigen 5.000 und der Vater 1.000 Euro.

20 Jahre Haft für Mord an Freundin

Weil er am 16. Jänner in der gemeinsamen Wohnung in Hietzing seine Freundin erwürgt hat, ist ein nun 32-Jähriger am Mittwoch von einem Schwursenat im Landesgericht zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.

„Ich habe sie geliebt“

Der Angeklagte gab vor dem Schwursenat die Tat zu, wies die Tötungsabsicht aber kategorisch zurück. „Ich habe sie geliebt, sie war meine Freundin, ich wollte sie nicht töten“, sagte der Beschuldigte vor Gericht. Er hatte seine 39-jährige Freundin Ende Oktober 2018 kennengelernt und war bald danach bei ihr eingezogen.

Die Beziehung hatte nach der Schilderung des Angeklagten von Anfang an ihre Licht- und Schattenseiten: „In einem Moment war sie sehr liebevoll, und wenn sie dann getrunken hatte“, habe es Probleme gegeben. Immer wieder sei sie dann demütigend und erniedrigend geworden: „Du kleiner Milchbua“ war seinen Schilderungen zufolge noch das Harmloseste. Ansonsten soll es um seine Qualitäten beim Geschlechtsverkehr gegangen sein.

Streit nach Alkoholgelage

Am 16. Jänner habe er seine Freundin zu einer Gerichtsverhandlung begleitet. Sie und ihr Ex-Freund waren wegen Körperverletzung angeklagt, sie darüber hinaus wegen Sachbeschädigung. Von der Körperverletzung wurden beide freigesprochen, für die Sachbeschädigung bekam sie eine Geldstrafe. Sie seien danach etwas trinken gegangen, „so zehn Bier“. Danach sei man nach Hause gegangen und habe weiter getrunken. Bei ihm seien es am Ende rund 15 Bier gewesen.

Man habe Geschlechtsverkehr gehabt, dann habe sich der Ex-Freund gemeldet. Offenbar hatte das Opfer sich mit dem Gedanken getragen, zum Vorgänger des Angeklagten zurückzukehren. Die 39-Jährige eröffnete ihrem Freund, dass sie zum Ex-Freund fahre. „Ich habe gesagt: ‚Wir haben doch gerade Sex gehabt, du kannst doch nicht zum Ex fahren.‘ Ich wollte das nicht, ich wollte das ausdiskutieren“, schilderte der Beschuldigte, „sie wollte das nicht.“

„Weiß nicht, warum sie dann gestorben ist“

Es seien weitere Beschimpfungen gefolgt, dann habe sie ihn mit Schlägen attackiert. „Sie hat mich mit der rechten Faust geschlagen, ich habe sie abgewehrt, wir sind beide gestürzt. Ich bin auf sie draufgefallen. Ich habe mich auf sie drauf gesetzt, sie hat mich gekratzt und beschimpft. Ich habe mit einer Hand versucht, sie am Hals zu fixieren, damit sie endlich aufhört.“ Am Ende hatte er beide Hände an ihrem Hals, habe aber nicht länger als 15, 20 Sekunden zugedrückt. „Ich weiß nicht, warum sie dann gestorben ist“, sagte der Beschuldigte. „Ich wollte, dass sie aufhört.“

Als seine Freundin sich nicht mehr rührte, „habe ich mich angezogen und bin gegangen“, sagte der 31-Jährige. Nach dem Konsum weiterer alkoholischer Getränke kam er um 4.00 Uhr in der Früh zurück. „Und sie ist immer noch so da gelegen.“ Er habe festgestellt, dass sie keinen Puls mehr hatte.

Drei Wochen neben Leiche gelebt

Der Beschuldigte lebte noch rund drei Wochen neben der Leiche. Den Geruch schob er mit Alkohol beiseite: „Ich habe drei Wochen getrunken.“ Die Tochter der Toten, die in Tirol eine Ausbildung machte, war es schließlich, die Alarm schlug, weil sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter herstellen konnte. Am 6. Februar wurde das Verbrechen entdeckt.

Wie viel der 31-Jährige am Tatabend getrunken hatte, war nicht mehr zu rekonstruieren. Den Gerichtsakten zufolge hatte das Opfer etwa 1,99 Promille intus. Laut dem psychiatrischen Gutachten ist der Beschuldigte seit vielen Jahren schwerer Alkoholiker. Der Sachverständige sah die Voraussetzungen für eine Einweisung in eine Anstalt erfüllt. Der Angeklagte sei in einer Beziehung gefährlich aufgrund der Wechselwirkung zwischen einer Persönlichkeitsstörung und dem Alkoholismus. Der Gutachter sprach dem 31-Jährigen eine höhergradige seelische Abartigkeit zu.

Ex-Freund des Opfers sagte aus

Der Ex-Freund des Opfers sagte aus, dass die 39-Jährige am Abend des 16. Jänner gegen 20.00 Uhr ihm am Handy geschrieben habe, er möge sie bitte abholen. „Und dann war nichts mehr“, sagte er. Man sei aber im Gespräch gewesen, die Beziehung wieder aufleben zu lassen.

„Nur wenn sie getrunken hatte, war sie aggressiv“, sagte der Zeuge über die Erwürgte. In der Regel habe sich dies auf Verbalinjurien beschränkt. „Es ist dreimal passiert, dass wir aufeinander losgegangen sind.“ Übertrieben kräftig sei das Opfer nicht gewesen. „Die Frau war 1,50. Sie hat hingehaut und Gläser geschmissen“, schilderte der Ex-Freund. Er berichtete auch, dass die 39-Jährige schon 2017 mit der Polizei in Konflikt geraten war, als ihr der Führerschein abgenommen wurde.

Tochter des Opfers: „Sie fehlt mir jeden Tag“

Am Nachmittag wurde die Tochter des Opfers einvernommen. Sie schilderte, wie der 32-Jährige Ausreden suchte, weil die 19-Jährige, die zum Zeitpunkt der Tötung zur beruflichen Ausbildung in Tirol weilte, mit ihrer Mutter nicht in Kontakt treten konnte. Nachdem sie auch bei einem Besuch in Wien die 39-Jährige nicht treffen konnte, habe sie die Einsatzkräfte alarmiert.

Ihr gehe es nicht gut, schilderte die 19-Jährige. „Sie fehlt mir jeden Tag.“ Ihre Mutter sei ein „herzensguter Mensch gewesen, mit einer sehr sozialen Ader“. Und: „Es ist jeden Tag eine Herausforderung aufzustehen mit dem Wissen, dass sie nicht mehr da ist.“

Schlussplädoyers: „Wollte er das überhaupt?“

In den Schlussplädoyers stellte die Staatsanwältin fest: „Es ist ein Würgen über einen längeren Zeitraum notwendig, dass sie stirbt.“ Sie verneinte auch die Frage, ob der Beschuldigte eventuell in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung gehandelt habe. Alle hätten schon Beziehungen mit schmerzhaften und konfliktreichen Trennungen von ihren Partnern erlebt: „Die sind alle nicht tot.“

Verteidiger Andreas Strobl versuchte, den Tötungsvorsatz seines Mandanten zu bestreiten: „Der springende Punkt ist: Wollte er das überhaupt? Und ich sage, er wollte es nicht.“ Das Verhalten nach der Tat sei irrelevant: „Ob der nach der Tat drei Wochen neben der Leiche gelebt hat, ist vollkommen wurscht.“

Strobl widersprach auch dem psychiatrischen Gutachter, der die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher empfohlen hatte: „Aus meiner Sicht geht von meinem Mandanten keine Gefahr aus.“ Das sah auch das Gericht so: „Es handelt sich ausschließlich um schweren Alkoholismus“, begründete Richter Aulebauer die Nichteinweisung.