Tobisch starb Samstagfrüh nach langer Krankheit im Badener Künstlerheim. Das teilte die Organisation Künstler helfen Künstlern mit. Selbst in hohem Alter hatte Tobisch noch viel Elan versprüht. „Ich habe noch 1.000 Gschäftl“, sagte die Wienerin anlässlich ihres 90. Geburtstages. Tatsächlich wurde es erst in den vergangenen Jahren etwas ruhiger um die so prägende Persönlichkeit des Society- und Kulturlebens.
Tobisch wurde am 28. März 1926 in Wien geboren. Im vollen Namen hieß sie Lotte (von) Tobisch-Labotyn. Sie ist die Nachfahrin einer österreichischen k. u. k Patrizierfamilie, deren Wurzeln sich bis in das Jahr 1229 zurückverfolgen lassen.
Krankenstandsvertretung als Karrierestart
Ihre Ausbildung erhielt sie im Internat Schloss Marquartstein in Oberbayern und im Wiener Sacre Coeur. Ihre Leidenschaft zur Schauspielkunst führte sie nach Wien ins Konservatorium Horak. Noch bevor sie diese Ausbildung abgeschlossen hatte, schaffte Tobisch schon den Sprung auf die Bretter des Burgtheaters. Mit ihrem Angebot, binnen kürzester Zeit für eine erkrankte Kollegin einzuspringen, rettete sie ihren ersten Abend am Ring – und legte den Grundstein zu ihrer Karriere.
16 turbulente Opernball-Jahre
Es folgten Verträge mit allen Bundestheatern wie auch die Mitwirkung in zahlreichen Stücken im heimischen Fernsehen. Ihre Starrolle – auch wenn sie selbst das nicht so gerne hörte – spielte Tobisch allerdings in der Staatsoper. 16 turbulente Jahre lang voll mit Demonstrationen, Starrummel und Stornierungen prägte die Schauspielerin als Organisatorin den Opernball. „Man muss es ernsthaft machen, es muss klappen, es muss in Ordnung sein. Aber ernst nehmen dürfen S’ das nicht“, sagte sie in einem Interview zu ihrem 90. Geburtstag.
TV-Hinweis
ORF2 zeigt in memoriam am Samstag um 21.55 Uhr die Doku „Lotte Tobisch – Ansichten einer Grande Dame“ von Nadia Weiss. Anschließend ist um 22.45 Uhr der Spielfilm „Meine schöne Tochter“ mit Tobisch zu sehen, Regie führte Xaver Schwarzenberger.
Am Sonntag zeigt ORF III um 19.50 Uhr eine Ausgabe der ORF-Reihe „zeit.geschichte im Gespräch“, in der Tobisch über ihre Erlebnisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet.
Sie habe mit ihrer Zeit als Opernball-Lady abgeschlossen: „Ich habe in meinem Leben eines immer gekonnt: Eine meiner wenigen guten Eigenschaften ist, ich weiß, wenn was zu Ende ist. Auch was ich gespielt habe, das interessiert mich nicht mehr – das ist ein anderes Leben.“ Sie hänge nicht an und in der Vergangenheit, erzählte Tobisch damals auch: „Ich bin ein Mensch ohne Blick zurück im Zorn. Ich bin ein liebender Mensch, aber kein sentimentaler.“
Bekannt für Freundschaften zu Intellektuellen
Oft sei sie gefragt worden, wie sie es schaffe, so fröhlich zu sein, sagte Tobisch: „Es ist ein solches Glück, wenn es einem beschieden ist, dass man diese Zeit (Zweiten Weltkrieg, Anm.) irgendwie tatsächlich überlebt hat mit allem Drum und Dran und wenn man so halbwegs gesund ist und noch halbwegs sein Hirn beieinander hat. Ich bin jeden Tag dankbar dafür.“
Und trotz ihrer Lebensfreude war sie manchmal auch nachdenklich: „Was mich heute noch wirklich interessiert: diese Rätselhaftigkeit des Menschen, wie er sich verhält. Das einzig wirklich Interessante auf der Welt ist ja doch der Mensch. Zu was er imstande ist. Da erlebt man die erstaunlichsten Dinge, im Kleinen und im Großen.“ Bekannt war die Schauspielerin auch für ihre Freundschaften mit bedeutenden Intellektuellen wie Theodor W. Adorno.
Zahlreiche Auszeichnungen
Tobisch wurde für ihr Engagement in Kunst und Kultur vielfach ausgezeichnet. So etwa mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und dem Goldenen Ehrenring des Burgtheaters. Zuletzt erhielt sie 2019 das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse. Heuer erschien unter dem Titel „Auf den Punkt gebracht. Ansichten einer Lady“ auch das letzte Buch der Society-Lady und Schauspielerin.
Auch jenseits des 90. Lebensjahres kannte die ehemalige Opernball-Organisatorin weder Rast noch Ruh. So fungierte sie etwa als Präsidentin des Vereins Künstler helfen Künstlern, für den sie Geld sammelte. Mit 90 Jahren heuerte sie auch noch als Kolumnistin bei der Zeitschrift „News“ an. Zuletzt ließ sich Tobisch auch noch auf einen Tanz mit den NEOS ein. Bei den Nationalratswahl 2017 bekundete sie in einem Video ihre Sympathien mit der Partei. Auch bei der jüngsten Wahl war sie im Unterstützungskomitee.