Teilnehmer am Gedenkmarsch „Light of Hope“ auf dem Heldenplatz
ORF/Lukas Lattinger
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CHRONIK

Gedenkmarsch „Light of Hope“ durch City

Am Donnerstagabend ist der Gedenkmarsch „Light of Hope“ durch die Wiener Innenstadt gezogen. Organisiert wurde er von der jüdischen Jugend Wiens anlässlich des Jahrestags der Novemberpogrome.

In Österreich wurden im Rahmen der Pogrome im November 1938 mindestens 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Gedenkveranstaltungen sollen nun daran erinnern. Den Auftakt machte der Gedenkmarsch „Light of Hope“. Gestartet wurde nach 19.00 Uhr auf dem Heldenplatz vor dem Eingang des Museums Haus der Geschichte Österreich, wo zeitgleich die neue Ausstellung „Nicht mehr verschüttet. Jüdisch-österreichische Geschichte in der Wiener Malzgasse“ eröffnet wurde – mehr dazu in religion.ORF.at.

Teilnehmer am Gedenkmarsch „Light of Hope“ auf dem Heldenplatz
ORF
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sammelten sich auf dem Heldenplatz

„Gerade in einer Zeit, wo Studien belegen, dass der Antisemitismus in Österreich sehr stark steigt, ist die gesamte Zivilgesellschaft gefordert, etwas zu tun, auf die Straße zu gehen und dagegen anzukämpfen. Antisemitismus darf in der heutigen Zeit keinen Platz mehr haben“, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, am Rande des Gedenkmarschs gegenüber „Wien heute“.

Interview mit Oskar Deutsch

Lukas Lattinger (ORF) hat im Zuge des Gedenkmarschs „Light of Hope“ mit IKG-Präsident Oskar Deutsch gesprochen.

Gedenkmatinee im Jüdischen Museum

Angesprochen auf das Sicherheitsgefühl in der Stadt, meinte Deutsch: „Wir fühlen uns sicher, weil wir selber sehr viel für die Sicherheit machen. Weil wir sehr gut zusammenarbeiten mit Polizei, Innenministerium und Verfassungsschutz. Aber es kann doch nicht sein, dass unsere Eltern ihre Kinder nur in jüdische Schulen schicken können, wenn Sicherheit existiert. Oder wenn wir nur in Synagogen gehen können, wenn ein Polizist vorne steht und uns bewacht.“ Er rief noch einmal dazu auf, gegen Antisemitismus anzukämpfen. Die Abschlusszeremonie des „Light of Hope“-Marschs fand auf dem Judenplatz statt.

Das Archivbild vom 10.11.1938 zeigt eine jüdische Ladenfront nach der Zerstörung durch Nazis.
APA/DPA
Geschäftszeile nach Pogrom im November 1938

Am Freitag folgt im Reigen der Gedenkveranstaltungen eine Gedenkmatinee im Jüdischen Museum, die von ORF III live übertragen wird. In der vom Bundeskanzleramt, der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Jüdischem Museum Wien gemeinsam ausgerichteten Veranstaltung kommen Zeitzeugen sowie Angehörige zu Wort, darunter Hans Menasse, Dora Schimanko und Jenny Mitbreit.

Um 17.00 Uhr zeigt die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) den Film „The Class of ’38. Exile & Excellence“ im Festsaal der Akademie, Ehrengast der Veranstaltung ist der Nobelpreisträger Eric Kandel. Um die Lebensgeschichten auch für künftige Generationen zu bewahren, hat die ÖAW eine Website zum Film gestaltet. Anhand von Porträts können Schüler mehr über die Schicksale der befragten Wissenschafter erfahren.

Schauspielstars lesen aus Akten des Volksgerichts

Am Sonntag schließlich stimmen das Volkstheater und das Theater in der Josefstadt ins Gedenken ein: Die Matinee am Volkstheater (11.00 Uhr) widmet sich in einer szenischen Lesung dem autobiografischen Text „Der verlorene Ton“ von Lida Winiewicz, in dem die Autorin ihr Überleben in Wien während des Zweiten Weltkriegs aufgearbeitet hat. In der Regie von Jonas Schneider präsentieren Ensemblemitglieder Auszüge aus dem Text. Anschließend signiert die 91-jährige Autorin am Büchertisch, wo auch ihr jüngst erschienenes Buch „Achterbahn. Vom Schreiben leben“ aufliegt.

Am Sonntagabend steht im Theater in der Josefstadt die Lesung „Es kann nicht wahr sein“ auf dem Programm. Mit der Lesung aus historischen Originaldokumenten der Strafverfahrensakten des Volksgerichts Wien will man an die zahlreichen Opfer und die Folgen der Geschehnisse des Novemberpogroms 1938 erinnern. „Anhand einzelner Fallbeispiele wird die ‚Banalität des Bösen‘, aber auch die Schonungslosigkeit, die bereits zu dieser Zeit auch in der einfachen Bevölkerung verbreitet war, deutlich“, heißt es in der Ankündigung. Aus den Akten lesen unter anderen Maria Köstlinger, Michael Dangl und Johannes Krisch.

ORF-III-Schwerpunkt mit neuen Dokus

Einen Schwerpunkt anlässlich des Jahrestages gibt es auch in ORF III am 8. November: Den Auftakt macht um 9.00 Uhr die Dokumentation „Die Vertreibung der Intelligenz“, in der 16 Wissenschaftler zu Wort kommen, die einst von den Nationalsozialisten aus Österreich vertrieben wurden. Darunter die Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger, der Neurowissenschaftler Eric Kandel, der Physiker Walter Kohn und der Chemiker Martin Karplus.

Um 9.55 Uhr folgt die TV-Premiere von „Erika Freeman – Auf den Spuren eines unglaublichen Lebens“: Der Film von Eberhard Büssem erzählt die Geschichte der Psychoanalytikerin, die mit zwölf Jahren als Jüdin vor dem Nazi-Regime in die USA floh. Es folgt die von Ernst Pohn und Sabrina Peer gestaltete ORF-III-Eigenproduktion „‚Arisierung‘ – Der große Raubzug“ (10.40 Uhr), um 11.30 Uhr überträgt der Sender die „Gedenkmatinee anlässlich der Novemberpogrome“ live aus dem Jüdischen Museum Wien – mehr dazu in tv.ORF.at.