Screenshot aus Kampagnenvideo
Screenshot/Initiative StoP
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Chronik

Margareten will mehr Zivilcourage bei Partnergewalt

Mit einer Bewusstseinskampagne ruft ein Nachbarschaftsprojekt in Wien-Margareten derzeit zu mehr Zivilcourage bei häuslicher Gewalt auf. Ziel ist, Nachbarn und Nachbarinnen zu ermutigen, sich einzumischen – etwa durch paradoxe Interventionen.

„In dem Moment, wo ich nicht hinschaue, legitimiere ich die Gewalt“, sagte die stellvertretende Margaretner Bezirksvorsteherin Nikola Furtenbach (Grüne) bei der Präsentation der Kampagne am Mittwoch. Furtenbach ist auch Mitinitiatorin des Nachbarschaftsprojekt „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“. Vorgestellt wurde am Mittwoch ein Kino- und TV-Spot unter dem Motto „Was sagen. Was tun.“ Mitgewirkt haben unter anderem Kabarettist Wolfgang „Fifi“ Pissecker und Schauspielerin Alena Baich.

Ziel ist Ausweitung auf ganz Wien

Das Projekt läuft in Wien-Margareten bereits seit Anfang des Jahres. Ursprünglich stammt das Konzept aus Deutschland, wo es mittlerweile in vier Städten, darunter Hamburg, erfolgreich eingesetzt wird. Der Austausch bei regelmäßig stattfindenden „Männer- und Frauentischen“ soll etwa eine niederschwellige Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Innerhalb eines wachsenden Netzwerks aus Nachbarn und Institutionen will man sich gemeinsam für ein gewaltfreies Miteinander einsetzen.

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Wolfgang Pissecker spielt in dem Kino- und TV-Spot einen Nachbarn, der sich einmischt

Mittlerweile gibt es laut den Organisatoren schon 30 Partnerinstitutionen. Angelegt ist das Projekt im Bezirk vorerst auf drei Jahre, langfristiges Ziel sei es, die Initiative auf ganz Wien auszuweiten. Zukünftig sollen noch mehr Organisationen und Interessierte für „StoP“ erreicht und gewonnen werden, wünschen sich die Initiatorinnen. Gerne würde man etwa die Feuerwehr und auch Kirchen einbinden.

„Männertische“ für ein modernes Männerbild

Insbesondere wolle man verstärkt die männliche Zielgruppe ansprechen – da sei noch viel zu tun, so Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) und „StoP“-Gesamtkoordinatorin.

„Die ‚Männertische‘ sollen auch dazu dienen, dass sich Männer mit ihren Problemen auseinandersetzen“, sagte Gerd Sandrieser vom Krankenanstaltenverbund (KAV), einer der Koordinatoren der Treffen. Diese seien ein wichtiger Schritt, um ein modernes Männerbild zu vermitteln – viele Männer seien es nicht gewohnt, Emotionen zu zeigen.

Misshandelte Frauen schweigen lange

„Frauen, die von ihrem Partner misshandelt werden, tun sich oft sehr schwer, Hilfe zu suchen und zu holen. Sie schweigen lange“, sagte Rösslhumer. Erfahrungen würden zeigen, dass Nachbarn und Nachbarinnen gerne etwas tun wollen, aber oft nicht wissen, was das Richtige ist. Ängste, sich „einzumischen“ und Befürchtungen, etwa wenn bereits negative Erfahrungen gemacht wurden, seien verständlich und legitim.

Aber: Je mehr Wissen Nachbarn über Methoden der Zivilcourage haben bzw. sich aneignen, desto besser können sie sich selbst, betroffenen Frauen und Kindern helfen. Nachbarn sind häufig in der Lage, frühzeitig Anzeichen und Hinweise auf Gewalt zu erkennen und zu handeln, bevor noch schwerere Gewalt passiert. Gewalt sei auch, wenn jemand frauenverachtende Witze erzählt, Gewalt verharmlost oder mit seiner Wut andere in Angst versetzt, führte Rösslhumer aus.

Was Nachbarn konkret tun können

So können Nachbarn mögliche Gewaltsituationen durch „paradoxe Intervention“ unterbrechen, indem sie an der Tür läuten und nach etwas fragen. Das könne auch einfach die Uhrzeit sein, oder ob man sich Zucker ausleihen kann, erklärte Rösslhumer. Es gehe darum, den Täter merken zu lassen, dass seine Gewalt nicht in Ordnung ist.

Sinnvoll sei es zudem, Unterstützung und bei den richtigen Stellen Informationen einzuholen, wenn man unsicher ist – zum Beispiel bei der Frauenhelpline gegen Gewalt (Telefonnummer: 0800 222 555) oder bei der Servicenummer der Polizei unter 059/133. „Fragen, ob man helfen kann, ist auch Zivilcourage“, meinte Kabarettist „Fifi“ Pissecker zu seinem Engagement für das Projekt. Diese müsse nicht nur gelehrt, sondern auch vorgelebt werden. „Das Allerwichtigste ist Hinschauen.“