Gustav Peichl
APA/Hans Punz
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KULTUR

Trauer um Gustav Peichl

Stararchitekt und Karikaturist Gustav Peichl ist am Sonntag in seinem Haus in Wien-Döbling im Alter von 91 Jahren gestorben. Politiker und Künstler zeigen sich betroffen.

„Eine wachsame Stimme, die Modernität und Tradition gleichzeitig verbunden hat“ – so würdigt Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Verstorbenen. „Seine vielen Begabungen haben ihren Niederschlag unter anderem in beeindruckenden Bauwerken gefunden, die bis heute Bestand haben. Gustav Peichl war im ganzen Land bekannt. Er hat sich auch immer wieder zum Zeitgeschehen geäußert“, so Van der Bellen. "Gustav Peichl war in allem, was er gemacht hat, stilprägend, visionär, innovativ und in seiner Kreativität überbordend. Davon zeugen zahlreiche Bauten in Wien, die seine unverkennbare Handschrift tragen“, reagierte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ).

„Mit ihm verliert Österreich nicht nur einen wegweisenden Architekten, sondern auch einen kritischen Beobachter unserer Gesellschaft“, meinte Kulturminister Alexander Schallenberg. Peichl habe als „Ironimus“ jahrzehntelang mit scharfsinnigem Auge das Zeitgeschehen dokumentiert: „Seine Karikaturen sind bis heute wertvolle Zeitdokumente der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung unseres Landes.“ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bezeichnete Peichl als „scharfzüngigen Beobachter der Politik“: „Mit Gustav Peichl verlieren wir einen großen Österreicher und Europäer, der weit über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannt und geachtet war.“

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Gustav Peichl bei einem APA-Interview 2013
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Gustav Peichl ist als Architekt und als „Ironimus“ populär geworden
Gustav Peichl bei einem APA-Interview 2008
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1955 eröffnete Peichl sein eigenes Architekturbüro in Wien
Mit Arik Brauer (rechts) bei der  Ausstellung „Arik Brauer – Gesamt.Kunst.Werk“ im Leopold Museum 2014
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Mit Arik Brauer prägte Gustav Peichl Kunst und Architektur Österreichs
Gustav Peichl schreibt
ORF
Gustav Peichl hat als „Ironimus“ über 12.000 Karikaturen gezeichnet
Gustav Peichl im Messe-Eingangsbereich 2003
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Die Messe Wien wurde von Gustav Peichl neu gestaltet
Gustav Peichl
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Gustav Peichl gestaltete sieben ORF-Landesstudios, die „Peichl-Torten“

ORF würdigt Peichl

„Tief erschüttert müssen wir den Tod eines großen Architekten, eines scharfzüngigen Zeichners und eines wunderbaren Menschen beklagen“, so Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder: „Mit Gustav Peichl verliert Österreich eines seiner großen Genies des Geisteslebens wie der Architekturgeschichte.“ MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein zeigte sich „tief betroffen über das Ableben von Gustav Peichl, der als begnadeter Architekt und treffsicherer politischer Karikaturist ein unschätzbares geistiges und kulturelles Erbe hinterlässt […] Er war nicht nur ein beeindruckender Künstler, Gustav Peichl war als Mensch ein Gesamtkunstwerk.“

"Mit Gustav Peichl verliert der ORF „einen großen Geist", so ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. „Als Architekt hat Gustav Peichl mit dem Bau von sieben ORF-Landestudios wesentlich zum unverwechselbaren Erscheinungsbild des ORF beigetragen. Dabei hat er die wichtigste Funktion des ORF – die Verbindung zum und Dienstleistung am Publikum – mittels einer offenen, klaren und zugänglichen Formsprache verwirklicht.“

Gustav Peichl ist tot

Der Architekt und Karikaturist ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Verstorben ist Gustav Peichl am Sonntag in seinem von ihm selbst entworfenen Haus in Döbling.

Erfolge als Karikaturist und Architekt

Mit über 12.000 Karikaturen, 30 Büchern und 100 Ausstellungen blickte der Zeichner Gustav Peichl auf ein umfangreiches Werk zurück. Als Architekt entwarf er sieben ORF-Landesstudios, den Neubau des Städel Museums in Frankfurt und die Bundeskunsthalle in Bonn.

Geboren 1928 in Wien, studierte Peichl nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule Mödling und der Bundesgewerbeschule in Linz an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Meisterklasse Clemens Holzmeister. Schon während des Studiums entstanden politische Karikaturen, mit denen er in Blättern wie „Kurier“, „Express“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Presse“ reüssierte und zum veritablen Medienstar avancierte. Mit legendären TV-Sendungen („Die Karikatur der Woche“, „Der Jahresrückblick in der Karikatur“) erreichte Peichl alias „Ironimus“ ein Millionenpublikum.

ORF-Landesstudios als „Peichl-Torten“

1955 eröffnete er sein eigenes Architekturbüro in Wien und errang bald internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung. Zu seinen bekanntesten Projekten zählen neben den ORF-Landesstudios – ironisch auch als „Peichl-Torten“ apostrophiert – Bauten der Messe Wien, das neue Haus der Kammerspiele München, die Bundeskunsthalle Bonn, die Burgtheater-Probebühne im Arsenal, die Erdfunkstelle Aflenz und nicht zuletzt das 2001 eröffnete Karikaturmuseum in Krems. Klare Formgebung, die Verwendung von Sichtbeton und spielerische Akzente sind für seinen Stil charakteristisch.

Von 1973 bis 1996 leitete Peichl die Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste, wo er 1987/88 auch als Rektor fungierte. Zahlreiche Auszeichnungen – wie der Große Österreichische Staatspreis, der Mies-van-der-Rohe-Award, der Goldene Ehrenring der Kammer der Architekten oder der Architekturpreis Berlin – würdigten sein Schaffen. In Berlin eröffnete 2013 das Gustav-Peichl-Archiv, 2014 wurde in Wien der Gustav-Peichl-Preis für Architekturzeichnung gestiftet.

Spielerische Akzente

Klare Formgebung, die Verwendung von Sichtbeton und spielerische Akzente sind für seinen Stil charakteristisch. „Wenn sich ein Architekt mit dem Zeitgeist verheiratet, ist er sehr bald Witwer“, charakterisierte Peichl einmal seinen entwerferischen Zugang. 1993 zeigte das Historische Museum der Stadt Wien die erste repräsentative Gesamtschau seines Werkes, im Vorjahr widmete das MAK dem Architekten, der 70 Bauprojekte realisieren konnte und dabei ein deutliches Faible für Kulturbauten erkennen ließ, die Personale „15 Bauten zum 90sten“.

Bis zuletzt war er als Karikaturist aktiv, unter anderem brachte er erst im August 2019 im Amalthea-Verlag das Buch „Offene Geheimnisse“ mit späten Zeichnungen und Collagen heraus. Im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee (Bayern) wurde Ende September 2019 die Einzelausstellung „Ironimus / Cartoons von 1948 bis 2018“ eröffnet, die bis Jänner 2020 läuft. Peichl lebte bis zuletzt in einem von ihm selbst entworfenen und 1962 fertiggestellten Haus in Döbling. Peichl hinterlässt drei Kinder und drei Enkelkinder.