Angeklagter in Verhandlung nach Stich gegen Arzt
APA/Hans Punz
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Chronik

Arzt im Spital niedergestochen: Einweisung

Ein 33-Jähriger, der im Juli im SMZ Süd einen Arzt durch einen Messerstich lebensgefährlich verletzt hat, wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Die „heilige Maria“ habe den Angriff befohlen, sagte der Mann.

Der 33-Jährige hatte am 10. Juli einen Termin beim AMS. Auf dem Weg dorthin habe er „die heilige Maria getroffen“, berichtete der aus Sierra Leone stammende Mann, der seit 2004 in Österreich lebt, am Mittwoch einem Schwurgericht. „Ich habe sie gesehen“, bekräftigte er. „Maria“ habe ihm gesagt: „Mein Sohn, aufgrund deines Problems musst du ihn entfernen.“ Dabei habe sie sich auf den Arzt bezogen, bei dem er aufgrund einer Herzkrankheit seit 2011 in Behandlung war. An das, was unmittelbar nach der Marienerscheinung geschah, könne er sich nicht mehr erinnern.

Prozess wegen Messerstich an Oberarzt
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Der „zurechnungsunfähige“, 33-jährige Angeklagte wird in eine Anstalt eingewiesen

Stichwunde im rechten Bauchbereich

Fest steht, dass der Angeklagte zurück in seine Wohnung ging, ein Küchenmesser in seinen Rucksack packte und sich ins SMZ Süd begab, wo er zuletzt Mitte Mai untersucht worden war. Vor acht Jahren hatte er in der Klinik einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen, seither wurde er halbjährlich zu Kontrollbesuchen gebeten.

Der Mann nahm um 9.40 Uhr im Warteraum der Herzambulanz Platz. Als um 9.55 Uhr sein langjähriger Arzt – ein vor der Pensionierung stehender Kardiologe – den Gang mit einem Rollwagerl und einem EKG-Gerät passierte, nahm der Angeklagte das Messer aus dem Rucksack, erhob sich, ging auf den Mediziner zu und stach wortlos zu.

Er habe im Vorbeigehen wahrgenommen, „wie er eine Bewegung macht. Und dann sehe ich ein Messer. Huh, habe ich es schon drinnen gehabt“, schilderte der Kardiologe im Zeugenstand den Angriff. Er sei schreiend zurückgewichen und habe die Hand auf die Wunde im rechten Bauchbereich gedrückt: „Er hat Gott sei Dank nicht nachgesetzt.“

„Heilige Maria“ befahl Angriff auf Arzt

Der Mann, der im vergangenen Sommer einen Arzt in der Herzambulanz des SMZ Süd lebensgefährlich hat, ist in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden.

Rasche medizinische Hilfe rettete Arzt

Die 21 Zentimeter lange Klinge drang fast zur Gänze in den Körper ein, durchtrennte die neunte Rippe rechtsseitig, beschädigte das Zwerchfell und eröffnete auch die Brusthöhle. Der Verletzte schaffte es selbstständig zurück in den Behandlungsraum, aus dem er gekommen war, und rief einer Kollegin „Stich! Stich!“ zu. Dank rascher notfallmedizinischer Hilfe war die Lebensgefahr rasch gebannt. Bereits vier Tage nach der Operation konnte der Arzt wieder erste Schritte gehen.

„Er hat immer einen sehr ruhigen Eindruck gemacht“, beschrieb der Kardiologe den Angreifer. Er habe den Patienten fast beunruhigend ruhig empfunden, „was ich auf die Sprachbarriere zurückgeführt habe“. Die beiden hatten sich in einer Mischung aus Englisch und Deutsch verständigt. Psychische Auffälligkeiten habe er nie bemerkt, bis zum Angriff sei der Patient „absolut nicht aggressiv“ gewesen.

„Das ist ein guter Mann, ein guter Mensch“, sagte der 33-Jährige vor Gericht über den Arzt. „Wie kann ich jemanden stechen?“, fragte er sich. „Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit beim Doktor und seiner Frau entschuldigen“, fügte er noch hinzu. Nach der Messerattacke hatte er die Waffe fallen lassen, wieder auf seinem Sessel Platz genommen und kalmierend auf andere Patienten eingewirkt, die die Bluttat mitansehen hatten müssen und teilweise unter Schock standen. Beim Eintreffen der Polizei ließ sich der Mann dann widerstandslos festnehmen.

Entscheidung bereits rechtskräftig

Wie die Gerichtspsychiaterin ausführte, leidet der Mann an einer paranoiden wahnhaften Geisteskrankheit, die seine Wahrnehmungs- und Affektstruktur beeinflusst. Zum Tatzeitpunkt habe er sich in einer akuten Phase befunden, stellte die Expertin klar. Der Betroffene sei gefährlich, sodass die Gerichtspsychiaterin die Unterbringung im Maßnahmenvollzug empfahl.

Nach kurzer Beratung leisteten die Geschworenen dem entsprechenden Ersuchen der Staatsanwaltschaft Folge. Der Angeklagte hatte keine Einwände, die Entscheidung ist damit bereits rechtskräftig.

Hohes Maß an Bedrohungsgefühl in KAV-Spitälern

Im Zusammenhang mit dieser Tat flammte im vergangenen Juli eine Diskussion über die Sicherheit in den Wiener Spitälern auf. Die bisherigen Sicherheitsmaßnahmen würden nicht ausreichen, hieß es bei der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Sie forderte, Spitäler ähnlich wie Gerichte abzusichern, also etwa mit Personenschleusen und Metalldetektoren. Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) wollte keine Zahlen zu Gewalt veröffentlichen, betonte aber, das Hauptaugenmerk auf Präventivmaßnahmen zu legen, um Gewalt zu verhindern.

Verwiesen wurde damals auch auf eine von der ÖÄK beauftragten Spitalsärztebefragung, in der Ärztinnen und Ärzte anonym Einblick in ihre Arbeitssituation geben. Neben Fragen zu Ausbildung, Arbeitsbelastung, Arbeitszeit und Zusammenarbeit wurde heuer erstmalig auch das Thema Sicherheit in den Fragebogen aufgenommen. Das Ergebnis dieser Umfrage wurde am Dienstag veröffentlicht. Demnach fühlten sich mehr als 80 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Spitälern der Stadt Wien schon einmal durch aggressives Verhalten von Patienten bedroht.